Anlehnungen im StaRUG an das Insolvenzrecht - was bedeutet das?

Um den funktionalen Übereinstimmungen gerecht zu werden, die der zu schaffende präventive Rahmen mit dem eigenverwaltungsbasierten Insolvenzplanverfahren aufweist, werden auch die Instrumentarien des präventiven Rahmens an das Insolvenzrecht angelehnt.

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Das gilt zum einen für die Anknüpfung an die drohende Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 InsO, zum anderen aber auch für die Ausformung der einzelnen Stabilisierungs- und Restrukturierungsinstrumente, namentlich die Anforderungen an den Restrukturierungsplan, die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Einteilung der Gruppen, die Voraussetzungen für die Bestätigung des Plans und die Konturierung der Vollstreckungs- und Verwertungssperren.

Der Entwurf knüpft für den Zugang zu den Instrumentarien des präventiven Rahmens im Kern an die drohende Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 18 InsO an. Unternehmen, die bereits zahlungsunfähig oder überschuldet sind, bleibt die Inanspruchnahme der Instrumente des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens verwehrt. Denn im Fall einer Insolvenzreife sind die Interessen aller Gläubiger tangiert und es bedarf eines Gesamtverfahrens zur Bewältigung der eingetretenen Insolvenz.

Verfahren, die – wie die Verfahrenshilfen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens – lediglich eine Teilmenge der Gläubiger einbeziehen, eignen sich für diese Aufgabe nicht.

Mit der Anknüpfung an die drohende Zahlungsunfähigkeit, die nach § 18 InsO auch Insolvenzeröffnungsgrund ist, verkennt der Entwurf nicht, dass es wünschenswert ist, die Verfahrenshilfen des Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmens so früh wie möglich zur Verfügung zu stellen, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Gegenmaßnahmen bereits in einer Frühphase der Krise ergriffen werden, in der in aller Regel bessere Aussichten auf eine erfolgreiche Krisenbewältigung bestehen. Allerdings bedürfen die im präventiven Rahmen erwirkbaren Eingriffe in die Rechte der Gläubiger einer sachlichen Rechtfertigung.

Diese liegt auch vom Standpunkt der Richtlinie in einer Gefährdung der vollständigen Befriedigung der Gläubigeransprüche. Denn Eingriffe in die Rechte dissentierender Gläubiger sind an die Voraussetzung gebunden, dass die Gläubiger durch den Restrukturierungsplan nicht schlechter gestellt werden als ohne Plan (Artikel 10 Absatz 2 Buchstabe d und Artikel 11 Absatz1 Buchstabe a in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 Nummer 6 der Richtlinie).

Letzteres ist bei einem Plan, der Eingriffe in die Rechte der Gläubiger vorsieht, denknotwendig nur dann möglich, wenn die vollständige Befriedigung der Gläubiger auch ohne Plan gefährdet wäre. Die drohende Zahlungsunfähigkeit, die auf einen Eigenantrag des Schuldners hin auch den Weg in das Insolvenzverfahren weist (§ 18 Absatz 1 InsO), steht begrifflich für einen Zustand, in der die vollständige Befriedigung der Gläubiger gefährdet ist.

Ob sich andere Tatbestände konstruieren lassen, die diese Voraussetzung ebenfalls erfüllen und die dabei der drohenden Zahlungsunfähigkeit vorgeschaltet sind, lässt der Entwurf dahinstehen. Die Tatbestände, die für eine frühere Verfahrensanknüpfung vorgeschlagen werden, lassen keine Vorteile gegenüber der drohenden Zahlungsunfähigkeit erkennen.

Teilweise ist bereits zweifelhaft, ob sie sich als Legitimationsgrundlage für die Vornahme von Eingriffen in Gläubigerrechte eignen. Insbesondere ist zu bezweifeln, dass gängige betriebswirtschaftliche Umschreibungen früher Krisenstadien wie zum Beispiel eine Stakeholder- oder Strategiekrise mit hinreichend konkreten Gefahren für die Gläubigerinteressen einhergehen, welche eine Rechtfertigung für die im präventiven Rahmen erwirkbaren Eingriffe in Gläubigerrechte in sich tragen.

Derartige Krisenfrühstadien zeichnen sich dadurch aus, dass sich ihnen typischerweise mit rein betriebswirtschaftlichen Maßnahmen begegnen lässt, in deren Rahmen die bestehenden Rechtsbeziehungen und deren Erfüllung nicht in Frage stehen. Demgegenüber beschreibt zwar der dem abgelösten Eigenkapitalersatzrecht entnommene Begriff der Krise im Sinne des früheren § 32a Absatz 1 GmbHG fortgeschrittene Krisenstadien, er ist aber auch in der Auslegung einer lang-jährigen höchstrichterlichen Rechtsprechung derart unbestimmt und konturenlos geblieben, dass er sich für eine verfahrensrechtliche Anknüpfung nicht eignet.

Vor diesem Hintergrund belässt es der Entwurf bei einer Anknüpfung an die drohende Zahlungsunfähigkeit. Bei ihr handelt es sich um einen wohletablierten Tatbestand, der gerade zu dem Zweck eingeführt worden ist, dem Schuldner die Möglichkeit und den Anreiz zu einer frühzeitigen Inanspruchnahme von Verfahrenshilfen zur Krisenbewältigung zu geben (BT-Drucksache 12/2443, S.84).

Genau diese Funktion misst die Richtlinie dem Begriff der wahrscheinlichen Insolvenz zu. Der Entwurf lässt sich dabei auch von dem Gedanken leiten, dass die durch den Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit eröffneten Räume für die Durchführung von frühzeitigen Sanierungen in der bisherigen Insolvenzpraxis bei Weitem noch nicht ausgeschöpft werden, so dass auch insoweit ein echtes Bedürfnis nach einer früheren An-knüpfung nicht ausmachbar ist.

Die Anknüpfung an die drohende Zahlungsunfähigkeit ist mit den Vorgaben der Richtlinie vereinbar. Artikel 2 Absatz 2 überlässt die Ausfüllung des Begriffes der für den präventiven Rahmen maßgeblichen drohenden Insolvenz ebenso wie die Ausfüllung des Begriffs der Insolvenz den nationalen Umsetzungsgesetzgebern (Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie).

Dass die drohende Zahlungsunfähigkeit auch in das Insolvenzverfahren führen kann, wenn der Schuldner dies beantragt, ist unschädlich. Denn die Richtlinie verwehrt den nationalen Insolvenzrechtsgesetzgebern nicht die Möglichkeit, neben dem präventiven Rahmen weitere Möglichkeiten der Krisenbewältigung zu eröffnen (Artikel 4 Absatz 5 der Richtlinie). Solange dem Schuldner die freie Wahl zwischen den ihm von der Rechtsordnung angebotenen Instrumentarien verbleibt und er insbesondere den Weg in den präventiven Rahmen wählen kann, ist es vom Standpunkt der Richtlinie irrelevant, ob derselbe Tatbestand es dem Schuldner auch ermöglicht, sich für eine insolvenzverfahrensförmige Sanierung zu entscheiden.

Problematisch wäre allein die Anknüpfung an einen Tatbestand, der den Schuldner zur Antragsstellung verpflichtet oder der Gläubiger zu einer solchen berechtigt. In diesem Zusammenhang ist zwar geltend gemacht worden, dass eine Anknüpfung an die drohende Zahlungsunfähigkeit infolge ihrer weitgehenden Überlappungen mit der eine Antragspflicht begründenden und ein Gläubigerantragsrecht vermittelnden Überschuldung (§ 19 InsO) richtlinienwidrig wäre, weil sie dem präventiven Rahmen de facto keinen sinnvollen Anwendungsbereich beließe.

Da aber die Überschuldung in ihrem Kern auf einer Prüfung der Fortführungsfähigkeit beruht (§ 19 Absatz 2 Satz 1 InsO), die sich als von der Richtlinie nach Artikel 4 Absatz 3 zugelassene Bestandsfähigkeitsprüfung konstruieren lässt, ist bereits zweifelhaft, dass allein die Überlappung mit der Überschuldung vom Stand-punkt der Richtlinie problematisch sein könnte. Zudem scheidet eine Überschuldung aus, wenn die Erfolgsaussichten einer in Aussicht genommenen Sanierung überwiegend wahrscheinlich sind.

Für die drohende Zahlungsunfähigkeit gilt dies nicht. Denn es wäre widersinnig, wenn der Tatbestand ausgerechnet in der Situation, in der er zum Tragen kommen soll (BT-Drucksache 12/2443, S.84), dem sanierungswilligen Schuldner deshalb den Zugang zum Insolvenzverfahren verweigerte, weil die von ihm in Aussicht genommene Sanierung Aussicht auf Erfolg hat.

Schließlich grenzt der Entwurf andernorts die Anwendungsbereiche der beiden Eröffnungsgründe voneinander ab, indem er den Prognosezeitraum, welcher der Feststellung der Überschuldung zugrunde zu legen ist, auf zwölf Monate beschränkt (§ 19 Absatz 2 InsO-E), wohingegen der Prüfung der drohenden Zahlungsunfähigkeit künftig ein Zeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen sein wird (§ 18 Absatz 2 InsO-E). Damit aber sind beide Tatbestände hinreichend voneinander unterscheidbar.

Auch bei der Ausgestaltung des präventiven Rahmens orientiert sich der Entwurf an den bestehenden Instrumentarien des Insolvenzrechts. Insbesondere lehnen sich die Regelungen zum Inhalt des Restrukturierungsplans, zur Einteilung der Gruppen und zu den Voraussetzungen für die Planbestätigung an den insolvenzplanrechtlichen Vorbildern an.

Ergänzungen und Abweichungen sind allein dort geboten, wo den Besonderheiten des präventiven Rahmens Rechnung zu tragen ist. So bedarf die nach der Richtlinie dem Schuldner zu ermöglichende Beschränkung des Kreises der in das Verfahren einzubeziehenden Gläubiger einer Regelung zur Begrenzung des Auswahlermessens. Die Bestimmungen zur Erlangung von Vollstreckungs- und Verwertungssperren orientieren sich an den entsprechenden Sperren im Insolvenzeröffnungsverfahren.

Dies gilt nicht nur für die erwirkbaren Rechtfolgen, die mit den Rechtsfolgen von Sperren nach § 21 Absatz 2 Satz 1 Nummern 3 und 5 InsO identisch sind, sondern auch für die Voraussetzungen. Insoweit geht der Entwurf von der Vergleichbarkeit des Insolvenzeröffnungsverfahrens mit der Situation aus, in welcher ein Unternehmen im präventiven Rahmen eine Vollstreckungs- oder Verwertungssperre in Anspruch nimmt.

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