DAV veröffentlicht erste Stellungnahme zum Selbstanzeige-Gesetz

Es tut sich was bei der Selbstanzeige. In seiner Stellungnahme 47/2014 übt der DAV harsche Kritik am Referentenentwurf zum neuen Selbstanzeige-Gesetz – vor allem an unklaren Formulierungen und schwammigen Begriffen, aber auch an der schieren Fülle an neuen Regelungen und Voraussetzungen für die Straffreiheit.

Im Wesentlichen werden durch das neue Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung (AO-E) und durch das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO-E) folgende Regelungsbereiche betroffen sein:

  • die steuerliche Anlaufhemmung für nicht deklarierte ausländische Kapitalerträge (§ 170 Abs. 6 AO-E)

  • die Anpassung und Erweiterung der Sperrgründe bei der strafbefreienden Selbstanzeige durch die Aufnahme der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung an den Begünstigten (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a AO-E), durch die Aufnahme der Umsatz- und Lohnsteuer-Nachschau (§371 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe d AO-E), durch die Aufnahme der Betragsgrenze auf 25.000 € (§ 371 Abs. 2 Nr. 3 AO-E), durch die Aufnahme der Regelbeispiele des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 5 AO-E (§ 371 Abs. 2 Nr. 4 AO-E)

  • die gesetzliche Klarstellung zur Beseitigung bestehender praktischer Verwerfungen im Bereich der Umsatzsteuer-Voranmeldung und der Lohnsteueranmeldung (§ 371 Abs. 2a AO-E)

  • die Zahlung der Hinterziehungszinsen als Tatbestandsvoraussetzung für eine wirksame strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 Abs. 3 AO-E)

  • die Ausdehnung der Strafverfolgungsverjährung auf zehn Jahre in allen Fällen der Steuerhinterziehung (§ 376 Abs. 1 AO-E)

  • die Staffelung des Zuschlags in § 398a AO-E abhängig vom Hinterziehungsvolumen (§ 398a AO-E)

  • einige redaktionelle Anpassungen (§ 164 Abs. 4, § 374 Abs. 4 und X§ 378 Abs. 3 AO-E)

Dabei stehen seitens des DAV vor allem folgende Punkte im Fokus der Kritik:

  • Verlängerung der Anlaufhemmung auf bis zu zehn Jahre und Übergangsregelung

  • Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung auf zehn Jahre

  • Erweiterung der Sperrgründe gemäß § 371 AO-E

  • Erweiterung und Verschärfung des Strafzuschlags gemäß § 398a AO-E

Verlängerung der Anlaufhemmung auf bis zu zehn Jahre und Übergangsregelung

Laut Referentenentwurf ist in § 170 Abs. 6 AO-E vorgesehen, dass die Festsetzungsfrist für Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, „frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres der Kenntnis der Finanzbehörde über die Kapitalerträge bzw. spätestens zehn Jahre nach der Steuerentstehung beginnt“. Dies gilt für Kapitalerträge, die

  1. „aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und

  2. nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden.“

Nach Ansicht des DAV birgt diese Norm Auslegungs- und Verständnisschwierigkeiten. Der DAV fordert daher nicht zu Unrecht eine Klarstellung. Denn mit der Formulierung „aus Staaten oder Territorien stammen“ sind drei Szenarien denkbar:

  1. Die Kapitalerträge sind steuerlich so gestaltet, dass ( z. B.) eine die Dividende ausschüttende Kapitalgesellschaft ihren Sitz in einem Staat oder einem Territorium hat, das nicht Mitglied der EU oder der EFTA (European Free Trade Association) ist.

  2. Eine konto- oder depotführende Bank hat ihren Sitz in einem solchen Staat oder Territorium.

  3. Oder eine das Kapital ummantelnde Gesellschaft (z. B. Off-Shore-Gesellschaft) hat ihren Sitz in einem solchen Staat oder Territorium.

Ebenfalls unklar ist, ob hier wirklich „nur Kapitalerträge gemeint sind oder auch private Veräußerungsgeschäfte gemäß §23 Abs. 1 Nr. 2EStG i. d. F bis zum 31. Dezember 2008“. 

Welche Konstellation genau gemeint ist, muss der Gesetzgeber entsprechend klarstellen.

Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung auf zehn Jahre

Gemäß § 376 Abs. 1 AO-E soll in Zukunft bereits bei einfacher Steuerhinterziehung die Strafverfolgungsverjährung nicht mehr fünf, sondern zehn Jahre betragen. Die Verlängerung wird damit begründet, dass „die Finanzverwaltung […] die Besteuerungsgrundlage der strafrechtlich verjährten Veranlagungszeiträume schätzen musste, da der Steuerpflichte für eine wirksame Selbstanzeige zu den Altjahren keine Angaben machen musste."

Nach eigenen Angaben der Finanzverwaltung ist das Schätzen der Besteuerungsgrundlage ein zu großer zeitlicher Aufwand, so dass eine Verlängerung der Strafverfolgungsjahre als Ziel hat, den notwendigen Arbeitsaufwand seitens der Finanzverwaltung zu reduzieren.

Der DAV führt allerdings an, dass bereits bei strafrechtlich, aber noch nicht verfahrensrechtlich verjährten Veranlagungsjahren, eine Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen gemäß § 90 AO gilt. Gemäß § 90 Abs. 2 können bei Auslandssachverhalten sogar erhöhte Anforderungen an die Mitwirkungspflicht gestellt werden. Daher beruht die Begründung der Verlängerung auf falschen Tatsachengrundlagen. Nebenbei zeigt die Praxis, dass der Steuerpflichtige im Rahmen von Selbstanzeigen durchaus darum bemüht ist, auch verfahrensrechtlich noch nicht verjährte Jahre nachzuerklären. Schätzungen stellen hier demnach eher einen Ausnahmefall dar.

Nach Ansicht des DAV wird mit der Ausdehnung der Strafverfolgungsverjährung von fünf auf zehn Jahre außerdem das gesetzte Ziel der Gesetzgeber verfehlt, den Schätzungsaufwand zu verringern. Denn z. B. sind ausländische Banken teilweise nur zu einer Aufbewahrungsfrist von sieben Jahren für Unterlagen verpflichtet. Und, sofern der Steuerzahler nicht selbst für eine Lagerung aller nötigen Unterlagen Sorge getragen hat müssen die verbleibenden drei Jahre dennoch geschätzt werden. 

Außerdem, so der DAV, ist die erforderliche Auswertung von Banken- und anderen Unterlagen mit einem großen zeitlichen Aufwand verbunden, selbst wenn diese nur stichprobenartig geschehen würde. Dies widerspricht dem grundlegenden Anspruch der Verlängerung der Strafverfolgungsverjährung auf zehn Jahre, zeitaufwändige Schätzungen zu reduzieren.

Ein noch größeres Problem stellt laut DAV allerdings das Fehlen einer klaren Übergangsfrist hinsichtlich der strafrechtlichen Verfolgungsjahre dar.

Denn wie sind Steuerhinterziehungen zu behandeln, die zum 1. Januar 2015 z.B. bereits sechs Jahre zurückliegen? Diese sind gemäß aktuellem Recht verjährt. Und eine einmal verjährte Tat soll auch verjährt bleiben, gemäß Art. 103 Abs. 2. GG.

Eine Übergangsfrist ist also notwendig. Der DAV schlägt hierzu die Aufnahme einer Anwendungsvorschrift vor, nach der die neue zehnjährige Strafverfolgungsverjährung für alle am 1. Januar 2015 noch nicht abgelaufenen Verjährungsfristen gilt. Wer also Steuern im Zeitraum ab dem 01. Januar 2010 hinterzogen hat, für den gilt ab 1. Januar 2015 die neue Regelung. Wer am 31. Dezember 2009 hinterzogen hat, dessen Taten sind und bleiben verjährt.

Erweiterung der Sperrgründe gemäß § 371 AO-E

Laut DAV wird die Erweiterung des Sperrgrundes auf Hinterziehungen bereits ab 25.000 € statt der bisherigen 50.000 € pro Tat gemäß § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO-E, bzw. bei besonders schweren Fällen gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2 bis 5 AO, weitreichende Folgen haben. In der Praxis bedeutet das, dass z. B. bereits beim Fälschen von Bewirtungsbelegen nur noch durch eine Selbstanzeige in Kombination mit der Zahlung eines zusätzlichen Geldbetrages die strafbefreiende Wirkung erreicht werden kann.

Ebenso problematisch gestaltet sich die Voraussetzung, dass Straffreiheit erst bei Zahlung der Hinterziehungszinsen, bzw. auf die Hinterziehungszinsen anzurechnende Nachzahlungszinsen, eintreten soll. Der DAV verweist dabei als Beispiel auf die Steuerschuld bei der Schenkungssteuer. Denn hier beginnt die Festsetzungsverjährung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Schenker verstorben ist. In der Praxis gibt es Fälle, die im Zusammenhang mit einem Erbfall unter Ehegatten in den 1970ern stehen:

Einer der beiden Ehegatten ist verstorben und der überlebende Ehegatte hat das Vermögen geerbt. Anschließend hat der überlebende Ehegatte das Vermögen an die Kinder geschenkt. Die Zinsen für eine derart hinterzogene Schenkungssteuer wären allein doppelt so hoch wie die nachzuzahlende Steuer! Somit würden Steuerpflichtige in diesem Fall keine Selbstanzeige stellen wollen, da sie sich die strafbefreiende Wirkung schlicht und einfach „nicht leisten“ könnten.

Erweiterung und Verschärfung des Strafzuschlags gemäß §398a AO-E

Unklarheiten finden sich auch in § 398a Nr. 1 AO. Denn im Referentenentwurf heißt es sinngemäß, dass Straffreiheit nur dann eintritt, wenn der Täter

  1. innerhalb einer bestimmten Frist

  2. die hinterzogenen Steuern

  3. und einen entsprechenden Geldbetrag an die Staatskasse zahlt

Punkt 1. und 2. sind klar formuliert und werfen keine Fragen auf. Es ist der letzte Punkt, der Juristen, Steuerberatern und auch Steuerzahlern Bauchschmerzen bereitet. Denn hier sind mehrere Lesarten möglich:

  1. Jeder Täter entrichtet den entsprechenden Geldbetrag anteilig.

  2. Jeder Täter entrichtet den entsprechenden Geldbetrag allein und in vollem Umfang.

  3. (Sofern ein verfahrensrechtlicher Täterbegriff zugrunde liegt) Jeder Täter und jeder Teilnehmer an der Steuerhinterziehung entrichtet den entsprechenden  Geldbetrag allein und in vollem Umfang.

Gerade letztere Lesart würde zu erheblichen Konsequenzen führen. Denn dann wäre auch der einfache Angestellte, der „nur“ beim Kopieren von gefälschten Dokumenten behilflich ist, ebenso in der Haftung wie auch der Geschäftsführer und müsste den gleichen Betrag an den Fiskus entrichten. Zu Recht fordert der DAV daher hier eine klare Abgrenzung, da das gesetzte Ziel von § 398 Nr. 1 AO eigentlich sein sollte, dem Fiskus eine Einmalzahlung „vom Täter, zu dessen Gunsten Steuern hinterzogen [wurden]“, zukommen zu lassen. Und „Teilnehmer an einer Steuerhinterziehung sollten mithin unzweideutig nicht in den Anwendungsbereich der §§ 371 Abs. 2 Nr. 3 und 4, 398a AO-E fallen.“

Überarbeitung notwendig

Es zeigt sich, dass das neue Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und das Einführungsgesetz zur Abgabenordnung deutlich überarbeitet und Begriffe trennschärfer erklärt werden müssen. Zu Recht merkt der DAV außerdem an, dass die Fülle an neuen Regelungen und Voraussetzungen für die Straffreiheit in der Praxis wohl kaum zu erfüllen sind. Das erweckt den Anschein, als ob der Gesetzgeber die Selbstanzeige als strafbefreiendes Element auf ein Minimum reduzieren und wohl am liebsten abschaffen möchte.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Kritikpunkte des DAV am Referentenentwurf zum Schwarzgeldbekämpfungsgesetz 2011 aus der Stellungnahme 9/2011 nicht vom Gesetzgeber berücksichtigt wurden. Inwieweit der Gesetzgeber also diesmal auf Überarbeitungsvorschläge des DAV eingehen wird, bleibt abzuwarten.

 

Quelle: DAV