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Tarifbegünstigung bei Ausgliederung

Nach § 34 EStG können außerordentliche Einkünfte der Tarifbegünstigung unterliegen. Der BFH hat entschieden, dass bei einem Gewinn infolge einer Betriebsaufgabe auch dann eine Tarifbegünstigung möglich ist, wenn zuvor zeitnah eine das gesamte Nennkapital umfassende Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zum Buchwert in ein anderes Betriebsvermögen übertragen bzw. überführt worden ist.

Der Steuerpflichtige war alleiniger Kommanditist der RS-KG und zugleich der einzige Gesellschafter der dazugehörenden RS-GmbH. Die RS-KG vermietete einen in ihrem Miteigentum stehenden Grundstücksanteil zunächst im Rahmen einer Betriebsaufspaltung an die GS-GmbH. Von 2002 an wurden jedoch nur noch fünf Garagen als Lagerfläche vermietet. Zum 30.12.2004 schied die RS-GmbH aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 21.09.2004 aus der RS-KG aus. Der alleinige Kommanditist überführte sodann das bisherige Gesellschaftsvermögen der GS-GmbH in sein Privatvermögen.

Die Anteile an der GS-KG und an der RS-GmbH, die beide bis zum 30.12.2004 im Sonderbetriebsvermögen des steuerpflichtigen Kommanditisten an der RS-KG bilanziert wurden, überführte dieser in sein Sonderbetriebsvermögen bei der V-KG, an der er zu 40 % beteiligt war. Für die Überführung der Miteigentumsanteile an dem Grundstück in das Privatvermögen des Steuerpflichtigen ermittelte die RS-KG einen Aufgabegewinn i.H.v. ca. 46.000 €, den sie im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung ihm in vollem Umfang zurechnete.

Das Finanzamt stellte für den Steuerpflichtigen antragsgemäß einen Gewinn i.H.v. 39.000 € fest, nachdem es vom Aufgabegewinn 7.000 € laufenden Verlust abgezogen hatte. Nach erneuter Prüfung verweigerte das Finanzamt die Tarifbegünstigung für den Aufgabegewinn, weil anlässlich der Betriebsaufgabe nicht die gesamten stillen Reserven aufgedeckt worden sind. Die Anteile an der GS-GmbH seien nämlich ohne Aufdeckung der stillen Reserven in ein anderes Sonderbetriebsvermögen des Steuerpflichtigen überführt worden. Weder Einspruch beim Finanzamt noch Klage vor dem Finanzgericht hatten Erfolg.

Mit der Revision rügt der steuerpflichtige Kommanditist die Verletzung materiellen Rechts. Der BFH hob das Urteil des Finanzgerichts auf und gab der Revision statt.

Gegenstand des Verfahrens: Tarifbegünstigung des Aufgabegewinns nach § 16 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 EStG

Die Feststellungen des Finanzamts bezüglich eines begünstigten Aufgabegewinns sind zwar selbständig anfechtbar, aber Gegenstand des Verfahrens war nur die Tarifbegünstigung. Die Feststellung, dass überhaupt eine Betriebsaufgabe vorliegt, wurde bereits mit dem damaligen Gewinnfeststellungsbescheid vom 27.12.2007 bestandskräftig.

Voraussetzungen der Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG

Es muss sich um einen „außerordentlichen“ Veräußerungs- oder Aufgabegewinn handeln, was insbesondere durch eine atypische Zusammenballung geschieht. Dies bedeutet in diesem Fall, dass alle stillen Reserven, die in den wesentlichen Grundlagen einer betrieblichen Sachgesamtheit angesammelt wurden, in einem einheitlichen Vorgang aufgelöst werden.

Wesentliche Betriebsgrundlagen

Nach der sogenannten funktional-quantitativen Betrachtungsweise werden die wesentlichen Betriebsgrundlagen bestimmt. Das bedeutet, dass neben den funktional wesentlichen Wirtschaftsgütern auch solche dazugehören, die zwar nicht erforderlich sind, aber doch erhebliche stille Reserven enthalten. Das ergibt sich aus der normspezifischen Auslegung des § 34 EStG, der verhindern will, dass eine zusammengeballte Realisierung der über die Zeit entstandenen, gesammelten Reserven nicht dem progressiven Einkommensteuertarif unterworfen werden. Dabei ist es unwichtig, ob sich diese Wirtschaftsgüter im Gesamthandsvermögen oder im Sonderbetriebsvermögen eines Mitunternehmers befinden.

Mehrere, aber nicht zeitgleich aufgegebene Teilbetriebe

Das gesamte Nennkapital der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist ein Teilbetrieb nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 EStG und somit begünstigt. Dabei stellt sich aber die Frage, ob auch die einem weiteren Teilbetrieb zugeordneten Wirtschaftsgüter, der aber nicht zeitgleich aufgegeben wurde, mit der Sachgesamtheit zusammengerechnet werden können. Der BFH hat diese Frage bejaht und bezieht sich hierbei auf sein Urteil vom 16.10.2008 – IV R 74/06, wo er die doppelstöckige Struktur – unter Heranziehung des Transparenzgrundsatzes – bei Veräußerung von Anteilen an einer Obergesellschaft im zeitlichen Kontext mit einer Ausgliederung von Anteilen an einer Untergesellschaft zum Buchwert als tarifbegünstigt bejaht hatte.

Doppelstöckige Struktur führt zu Sachgesamtheiten

Dieser Grundsatz der doppelstöckigen Struktur kann auf alle in § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–3 EStG genannten Sachgesamtheiten übertragen werden. Weil der Gesetzgeber bereits durch das Steueränderungsgesetz 1965 die Teilbetriebsregelung eingeführt hat, wurde denknotwendig unterstellt, dass Teilbetriebe nur im Zusammenhang mit anderen Teilbetrieben existieren können, die zudem eine Sachgesamtheit darstellen. Bei solchen Sachgesamtheiten macht es keinen Unterschied, welcher der Teilbetriebe zuerst veräußert oder aufgegeben wurde. Der jeweils verbleibende Teilbetrieb muss nicht notwendig fortgeführt werden, die entgegenstehende Rechtsauffassung aus dem Urteil des BFH vom 02.10.1997 – IV R 84/96 wird insoweit ausdrücklich aufgegeben.

Fallbezogen stand die Buchwertfortführung/Überführung der Anteile des Steuerpflichtigen an der GS-GmbH in ein anderes (Sonder-)Betriebsvermögen von ihm (= der V-KG) also nicht der Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG entgegen.

Praxishinweis

Der BFH hat Teilbetriebe nach § 16 EStG mit der doppelstöckigen Struktur von Ober- und Untergesellschaft gleichgestellt und die sich daraus ergebene Sachgesamtheit einheitlich behandelt, weil die einzelnen Akte in einem engen zeitlichen Zusammenhang standen. Deshalb ist in ähnlichen Fällen empfehlenswert, den Zeitrahmen eher zu kürzen als zu strecken, damit der zeitliche Zusammenhang durch Verzögerungen nicht aufs Spiel gesetzt wird.

BFH, Urt. v. 28.05.2015 - IV R 26/12
BFH, Urt. v. 16.10.2008 - IV R 74/06
BFH, Urt. v. 02.10.1997 - IV R 84/96, BStBl 1998 II 104

Quelle: RA und Dipl.-Finanzwirt (FH) Horst Schirrmann