Verfassungswidrige Steuerzinsen: BMF klärt Verwaltungspraxis

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Höhe der Steuerzinsen ab 2014 für verfassungswidrig erklärt hatte, hat das BMF hierzu ein aktuelles Schreiben veröffentlicht. Erstmalige Festsetzungen von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen werden demnach für die Zeit ab 01.01.2019 ausgesetzt. Nach einer Neuregelung wird die Festsetzung nachgeholt. Für Zeiträume bis 31.12.2018 werden Zinsen zeitnah fällig.

In seinem Schreiben vom 17.09.2021, abrufbar seit dem 28.09.2021, hat sich das Bundesministerium für Finanzen (BMF) nach den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 08.07.2021 in zwei Verfahren (1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17) zu der weiteren Vorgehensweise bei der Umsetzung dieser Beschlüsse geäußert.

Beschlüsse des BVerfG

Das BVerfG hat in diesen zwei Beschlüssen entschieden, dass der bisherige Zinssatz gem. § 233a i.V.m. § 238 AO i.H.v. 0,5 % pro Monat ab dem 01.01.2014 nicht verfassungsgemäß ist. Für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 hat das BVerfG trotz dieses Verstoßes jedoch angeordnet, dass der bisherige Zinssatz weiterhin anzuwenden ist.

Ab dem 01.01.2019 ist dann jedoch eine Anpassung des Zinssatzes gem. § 233a i.V.m. § 238 AO erforderlich. Dem Gesetzgeber wird bis zum 31.07.2022 eine Frist eingeräumt, eine verfassungskonforme Neuregelung für diese Verzinsungszeiträume einzuführen.

Für Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen gem. §§ 234, 235 und 237 AO hat das BVerfG jedoch entschieden, dass die Höhe des Zinssatzes nicht verfassungswidrig ist.

BMF-Schreiben zur weiteren Behandlung der Zinsen

Aufgrund der Verfahren vor dem BVerfG haben Steuerpflichtige und Steuerberater gegen eine Vielzahl von Zinsfestsetzungen Einspruch eingelegt, welche bis zu den Entscheidungen des BVerfG geruht haben.

Zudem hat die Finanzverwaltung selbst in viele Bescheide einen Vorläufigkeitsvermerk gem. § 165 Abs. 1 Satz 1 AO im Hinblick auf die Zinsfestsetzungen aufgenommen.

Das BMF hat daher diese Beschlüsse zum Anlass genommen, die weitere Vorgehensweise in Zusammenhang mit den noch offenen und zukünftigen Verzinsungszeiträumen zu regeln.

Für erstmalige Zinsfestsetzungen für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 wird eine Festsetzung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen zunächst ausgesetzt. Wenn eine Neuregelung gefunden worden ist, wird die Zinsfestsetzung entsprechend nachgeholt.

Bereits ergangene Zinsfestsetzungen gem. § 233a AO, die geändert oder berichtigt werden, werden mit Verweis auf die Beschlüsse des BVerfG und das nun anhängige Gesetzgebungsverfahren vorläufig festgesetzt.

Die erstmalige Festsetzung von Zinsen aufgrund einer Änderung des zugrundeliegenden Bescheids wird ebenfalls, bis eine Neuregelung getroffen wurde, ausgesetzt. Soweit die Zinsfestsetzung bereits endgültig erfolgt ist, werden die Zinsen auch bei einer Anpassung der zugrundeliegenden Steuerfestsetzung nicht mehr geändert.

Gegen Zinsfestsetzungen anhängige Einsprüche werden für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 als unbegründet zurückgewiesen. Die Aussetzung der Vollziehung wird für diese Zeiträume ebenfalls aufgehoben, so dass etwaige Zinsnachzahlungen zeitnah fällig werden.

Einsprüche gegen Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 ruhen weiterhin bzw. neu eingelegte Einsprüche bleiben, bis eine Neuregelung getroffen wurde, anhängig. Die Aussetzung der Vollziehung bleibt insoweit ebenfalls bestehen.

Einsprüche gegen Festsetzungen von Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen gem. §§ 234, 235 und 237 AO werden, soweit diese nicht vorher zurückgenommen worden sind, als unbegründet zurückgewiesen.

Dementsprechend sind auch damit verbundene Aussetzungen der Vollziehung ebenfalls aufzuheben, so dass die entsprechenden Beträge ebenfalls zeitnah fällig werden.

Praxishinweis: Steuerpflichtige und Steuerberater sollten beachten, dass bisher ausgesetzte Zinsen für Verzinsungszeiträume bis zum 31.12.2018 zeitnah fällig werden, und sich bzw. ihre Mandanten auf die Nachzahlungen vorbereiten. Die Höhe des Zinssatzes für eine etwaige Neuregelung ist jedoch noch nicht absehbar. Anträge auf Aussetzung der Vollziehung für Verzinsungszeiträume ab dem 01.01.2019 sollten daher aufrechterhalten werden. Aussetzungszinsen entstehen für diese weiterhin ausgesetzten Beträge nicht.

BMF, Schreiben v. 17.09.2021 - IV A 3 - S 0338/19/10004 :005

Quelle: Christian Kappelmann, Steuerberater, M.A. und Diplom-Finanzwirt (FH)

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