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§ 35a EStG: Ein Haushalt endet nicht an der Grundstücksgrenze

Der BFH stuft sowohl Dienstleistungen für den Winterdienst auf Gehwegen als auch Erschließungskosten von Privatgrundstücken als haushaltsnah im Sinne des § 35a EStG ein. Damit gehen die obersten Finanzrichter - entgegen der bisherigen Verwaltungspraxis - von einem „räumlich-funktionalen“ Haushaltsbegriff aus. Mieter und Hauseigentümer können nun auf weitergehende Steuerermäßigungen hoffen.

Mit Schreiben vom 10.01.2014 hat das BMF die Auffassung vertreten, dass bei Dienstleistungen, die sowohl auf öffentlichem als auch auf privatem Gelände durchgeführt werden (beispielsweise Straßen- und Gehwegreinigung, Winterdienst), lediglich die Aufwendungen für Dienstleistungen auf Privatgelände steuerlich begünstigt sind. Das gilt auch dann, wenn eine konkrete Verpflichtung besteht, öffentliche Gehwege und Bürgersteige zu reinigen oder von Schnee zu befreien.

Der BFH hat sich nun in zwei aktuellen Urteilen der Verwaltungsauffassung deutlich entgegengestellt: Danach können auch Dienstleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremden, z.B. öffentlichen Flächen durchgeführt werden, sowie Handwerkerleistungen, die in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Haushalt erbracht werden und dem Haushalt dienen, steuerlich begünstigt sein .

Haushalt endet nicht an der Grundstücksgrenze

In den beiden Streitfällen ging es einerseits um die Frage, ob Aufwendungen für die Schneeräumung der in öffentlichem Eigentum stehenden Straßenfront entlang eines privaten bewohnten Grundstücks steuerlich begünstigt sind, und anderseits um den Abzug von Aufwendungen, die für den nachträglichen Anschluss des Hauses an das öffentliche Versorgungsnetz angefallen sind.

In beiden Fällen geht der BFH von einer steuerlichen Begünstigung der gesamten Aufwendungen nach § 35a EStG aus. Er begründet dies damit, dass die Gesetzesformulierung „im Haushalt“ nicht nur räumlich, sondern vielmehr „räumlich-funktional“ auszulegen ist. Aus diesem Grund werden die Grenzen des Haushalts im Sinne des § 35a EStG nicht immer durch die Grundstücksgrenzen gezogen. Dabei kommt es auch nicht auf die Eigentumsverhältnisse am jeweiligen Grundstück an. Ausreichend für die steuerliche Begünstigung ist nach Ansicht des BFH, dass die Dienstleistung für den Haushalt erbracht wird. Dies gilt allerdings nur dann, wenn es sich um Tätigkeiten handelt, die

  • gewöhnlich von Familienmitgliedern erbracht,
  • in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und
  • dem Haushalt dienen.

Verpflichtung ist entscheidend

Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige als Eigentümer oder Mieter der Immobilie verpflichtet ist, öffentliche Straßen und (Geh-)Wege zu reinigen bzw. von Schnee zu befreien. In einem solchen Fall sind Aufwendungen für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen in vollem Umfang nach § 35a EStG begünstigt, also auch, wenn sie nicht auf Privatgelände, sondern auf öffentliche Räume entfallen.

Auch der Anschluss eines Haushalts an das öffentliche Versorgungsnetz wird nach Ansicht des BFH in unmittelbarem räumlichem Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt. Dies gilt für den gesamten Hausanschluss, obwohl die Anschlussleitungen, die innerhalb des Privatgrundstücks verlaufen, Betriebsanlagen des Wasserversorgungsunternehmens sind. Folglich ist der gesamte Hausanschluss Bestandteil des Haushalts, also auch, wenn er im öffentlichen Straßenraum verläuft. In der Konsequenz, so die Richter, sind auch die Arbeiten am gesamten Hausanschluss als Handwerkerleistung nach § 35a EStG begünstigt.

Praxishinweis

Der BFH hat sich mit diesen Entscheidungen klar gegen die Auslegung des BMF gestellt. Es bleibt abzuwarten, wie das BMF darauf reagieren wird (Nichtanwendungserlass oder Gesetzesänderung mit entsprechender Klarstellung). Steuerberater sollten diese Urteile zum Anlass nehmen zu hinterfragen, ob auch andere Regelungen des BMF-Schreibens mit der nun vom BFH formulierten räumlich-funktionalen Auslegung des Haushaltsbegriffs in Widerspruch stehen. So ist beispielsweise nicht nachzuvollziehen, warum Schornsteinfegeraufwendungen nur teilweise berücksichtigt werden sollen, wenn die gesamten Aufwendungen für den Hausanschluss begünstigt sind.

BFH, Urt. v. 20.03.2014 - VI R 55/12
BFH, Urt. v. 20.03.2014 - VI R 56/12
BMF-Schreiben v. 10.01.2014 - IV C 4 - S-2296-b/07/0003 :004

Quelle: StB und Fachanwalt für Steuerrecht Scholz