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Rechnungen: Welche Adressangaben sind notwendig?

Reicht für eine „vollständige Anschrift“ nach § 14 UStG die postalische Erreichbarkeit des leistenden Unternehmers? Der BFH hat nunmehr entschieden, dass eine Briefkastenanschrift, unter der tatsächlich keine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet werden, nicht ausreicht. Ohne entsprechende Rechnungsangaben scheidet ein Vorsteuerabzug demnach selbst für den gutgläubigen Leistungsempfänger aus.

Die Klägerin – eine GmbH – handelte in 2007 und 2008 mit Kraftfahrzeugen und machte umsatzsteuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an eine Firma in Mallorca geltend. Anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung stellte das Finanzamt fest, dass die Fahrzeuge nicht tatsächlich nach Spanien verbracht wurden, sondern im Inland vermarktet worden sind. Zusätzlich zu der nachzuzahlenden Umsatzsteuer aus diesen Transaktionen wurde der Klägerin der Vorsteuerabzug aus Rechnungen einer weiteren Firma verwehrt.

Das Finanzamt erkannte diese nicht an, weil es sich bei dem Unternehmen um eine „Scheinfirma“ mit „Briefkastensitz“ als Rechnungsanschrift gehandelt habe. Die gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2007 und 2008 eingelegten Einsprüche, in denen der Kfz-Händler den Vorsteuerabzug nach §15 UStG aus Billigkeitsgründen aufgrund des Vertrauensschutzes beantragte, wurde vom Finanzamt zurückgewiesen und vom Finanzgericht bestätigt. Die vom Händler eingelegten Revisionen wurden als unbegründet zurückgewiesen.

Unzutreffende Rechnungsangaben

Der BFH erklärte, dass die für den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Insbesondere besteht für den Leistungsempfänger kein Anspruch auf Vorsteuerabzug, wenn die nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erforderlichen Rechnungsangaben auf der Rechnung fehlen oder wenn sie – wie hier – unzutreffend sind.

Vollständige Anschrift des leistenden Unternehmens nötig

Das Merkmal „vollständige Anschrift“ ist nur dann erfüllt, wenn es sich bei dieser Bezeichnung um den Ort handelt, an dem das leistende Unternehmen seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet. Denn das Prinzip des Sofortabzugs der Vorsteuer mache es erforderlich, dass der Finanzbehörde anhand der Rechnung eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit des Tatbestandsmerkmals „Leistung eines anderen Unternehmers“ ermöglicht wird. Letztlich muss der in der Rechnung angegebene Sitz der GmbH bei Ausführung der Leistung und bei Rechnungserstellung tatsächlich bestanden haben.

Der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger trägt für die zutreffende Ortsbezeichnung die Feststellungslast, weil es eine Obliegenheitspflicht von ihm ist, sich über die Richtigkeit der Rechnungsangaben zu vergewissern. Finden an dem angegebenen Ort keinerlei geschäftliche Aktivitäten des Leistenden statt, so handelt es sich demnach nicht um die für eine ordnungsgemäße Rechnung erforderliche Anschrift. Die Verwendung eines Postfachs durch den Leistungsempfänger als Hinweis auf die postalische Erreichbarkeit ist nicht ausreichend. Der Senat hält insoweit nicht mehr an seiner früheren Meinung des Urteils vom 19.04.2007 fest.

Unionsrechtliche Konformität

Der Hinweis auf eine mögliche Einschränkung der Berufsausübung nach Art. 12 GG kommt nicht in Betracht, denn der deutsche Gesetzgeber hat bezüglich der Umsetzung der unionsrechtlichen Grundlage Art. 178 Buchst. a MwStSystRL keinen Spielraum. Auch laut MwStSystRL zählt neben dem vollständigen Namen auch die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen zu den zwingenden Rechnungsangaben.

Aus einem Urteil des EuGH vom 28.06.2007 geht diesbezüglich ebenfalls hervor, dass die Angabe eines Briefkastensitzes nicht ausreicht; denn im gesamten gemeinsamen Mehrwertsteuersystem wird auf die wirtschaftliche Realität abgestellt. Ein Briefkastensitz bildet aber keine wirtschaftliche Realität ab, sondern verschleiert sie.

Kein Gutglaubensschutz

Der § 15 UStG sieht den Schutz des guten Glaubens an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen im Festsetzungsverfahren nicht vor. Derartiger Vertrauensschutz wird nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung nach UStG gewährt, sondern könnte nur im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme nach AO gewährt werden.
Auch das Unionsrecht geht insoweit konform, denn dieses überlässt die Verfahrensmodalitäten den einzelnen Mitgliedstaaten. Der EuGH hat den Vorsteuerabzug selbst dann versagt, wenn die geforderten Voraussetzungen zwar tatsächlich vorliegen, jedoch aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige wusste oder hätten wissen müssen, dass er insoweit in einer Steuerhinterziehung innerhalb der Lieferkette mit einbezogen war.

Keine Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Lieferung bei unzureichendem Nachweis

Für eine derartige Befreiung ist erforderlich, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet verbracht hat, was außerdem beleg- und buchmäßig nachzuweisen ist.

Der Nachweis muss umfassen:

  • das Doppel der Rechnung
  • handelsüblicher Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein
  • Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten
  • Erklärung/Versicherung des Abnehmers, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.

Die vom Kläger eingebrachte Verbringenserklärung, dass die Fahrzeuge von ihm selbst ins Zielland Spanien verbracht wurden, reichen hier eindeutig nicht aus, da ein belegmäßiger Nachweis des genauen Bestimmungsortes fehlt. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des Finanzgerichts ist der Verbleib der streitgegenständlichen Fahrzeuge jedoch „völlig unklar“.

Praxishinweis

Es sollte künftig darauf geachtet werden, dass die in einer Rechnung angegebene Adresse des leistenden Unternehmers nicht nur eine Postfachadresse ist, denn höchstrichterlich wird nun, entgegen der Rechtsprechung des BFH vom 19.04.2007, die vollständige tatsächliche Adresse verlangt. Im Hinblick auf dieses Urteil sollte die bereits gebotene Vorsicht bei der Prüfung von Rechnungsangaben noch verschärft werden. Insbesondere die Adressen von leistenden Unternehmen sollten sich nun im Brennpunkt der Lupe befinden.

BFH, Urt. v. 22.07.2015 - V R 23/14
BFH, Urt. v. 19.04.2007 - V R 48/04
EuGH, Urt. v. 28.06.2007 – C-73/06

Quelle: RA und Dipl.-Finanzwirt (FH) Horst Schirrmann