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Steuerschuldnerschaft im Baugewerbe: BMF gibt Starthilfe

Zum Startschuss für die Neuregelung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers im Baugewerbe veröffentlicht das BMF weitere Anwendungsschreiben. Es geht dabei um die einzelnen Änderungen des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) und weitere Informationen zum neugefassten § 13b UStG - einschließlich von Entscheidungshilfen bei der Erteilung von Abschlags- und Schlussrechnungen.

Hintergrund

2014 sind zum Thema Wechsel des Steuerschuldners nach § 13b UStG zwei Gesetzesänderungen und insgesamt sechs BMF-Schreiben ergangen. Auslöser war das BFH-Urteil vom 22.08.2013, das die 10-%-Regel der Finanzverwaltung bei der Bestimmung von nachhaltigen Bauleistungen für rechtswidrig erklärte.

Jedoch hatte diese Entscheidung fatale Folgen für den Fiskus: Denn der Steuerschuldnerwechsel war faktisch abgeschafft. Dadurch drohten Steuerausfälle in Milliardenhöhe. Die Finanzverwaltung handelte schnell und versuchte mit der Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) wieder Rechtssicherheit zu bieten. Diese übereilten Rettungsversuche gelangen jedoch nicht.

Mit BMF-Schreiben vom 05.02.2014 und 08.05.2014 reagierte die Verwaltung erstmals auf das BFH-Urteil vom 22.08.2013, in dem das höchste Finanzgericht die 10-%-Umsatzgrenze aufhob. Konsequenz war, dass alle Bauträger, die wegen Überschreitens dieser Grenze bisher als Bauleister eingestuft waren, diesen Status quasi über Nacht verloren hatten.

Die Steuerschuldumkehr in diesem Bereich existierte nicht mehr, wodurch sich die Finanzverwaltung mit Steuerausfällen in Milliardenhöhe konfrontiert sah. Um diesen Steuerausfällen vorzubeugen, konstruierte die Verwaltung einen Ersatztatbestand des Steuerübergangs: Es reiche nun aus, wenn die bezogene  Bauleistung – unabhängig von sonstigen Voraussetzungen – unmittelbar für die Erbringung eigener Bauleistungen verwendet werde. Diese Regelung erhöhte aber die Unsicherheit der Baubranche.

Am 26.09.2014 folgte das siebte Schreiben, das nun hoffentlich für alle Beteiligten die endgültige Klärung aller Zweifelsfragen bringt. Der Gesetzgeber kehrt mit der Änderung des § 13b Abs. 5 UStG („Kroatiengesetz“) ab 01.10.2014 wieder zur Handhabung wie vor dem BFH-Urteil vom 22.8.2013 zurück.

Ziel: Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs

Das große Ziel dieser Systemabweichung des § 13b im UStG ist die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs in der Baubranche und im Handel mit Kommunikationsgeräten und Metall. Jetzt findet ein Steuerschuldübergang nur dann statt, wenn der Leistungsempfänger nachhaltig Bauleistungen erbringt.

Bescheinigungsverfahren steigert die Rechtssicherheit

Das Gesetz definiert diesen Begriff der „nachhaltigen Erbringung von Bauleistungen“ zwar nicht, aber es wurde zur Steigerung der Rechtssicherheit ein amtliches Bescheinigungsverfahren eingeführt. Die Vertragsparteien können künftig sicher davon ausgehen, dass der Leistungsempfänger nachhaltig Bauleistungen erbringt, wenn das Finanzamt ihm dies bescheinigt.

Das Muster für diese amtliche Nachhaltigkeitsbescheinigung ist mit BMF-Schreiben vom 01.10.2014 in überarbeiteter Fassung veröffentlicht worden. Bereits mit BMF-Schreiben vom 26.08.2014 hatte das BMF ein solches Muster veröffentlicht. Das deutet zumindest auf große Unsicherheiten auch im Bereich der Finanzverwaltung hin.

Das ändert sich im UStG

Das  neue BMF-Schreiben greift insbesondere die Gesetzesänderungen des § 13b UStG zum 01.10.2014 auf und regelt deren Anwendung innerhalb des Revers-Charge-Verfahrens: in § 13b Abs. 2 Nr. 10 (Mobilfunkgeräte, Tablet-Computer) in § 13b Abs. 2 Nr. 11 (Metalle der Anlage 4, jedoch gibt es hier Ausnahmen von § 13b UStG, wenn die Händler die Differenzbesteuerung nach § 25a UStG anwenden) und in § 13b Abs. 5 UStG (Zeiträume, Verfahren). Zur Festlegung der Einzelheiten war wiederum eine Änderung der Abschnitte 13b.1 bis 13b. 7 UStAE erforderlich. Außerdem wurde für Zweifelsfälle des Metallhandels der Abschnitt 13b.7a UStAE eingefügt.

Für weitere Spezialfälle bei den Bauleistungen hat das BMF in den UStAE den Abschnitt 13b.3 „Bauleistender Unternehmer als Leistungsempfänger“ neu aufgenommen. In dieser neuen Vorschrift definiert die Finanzverwaltung die Nachhaltigkeit von Bauleistungen. Diesen Begriff hat der  Gesetzgeber bisher zu § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG leider noch nicht erläutert.

In Abschnitt 13b.3 Abs. 8 UStAE wird eine weitere Ausnahme für Bauträger festgeschrieben. Bauträger werden auch als Leistungsempfänger nicht zum Umsatzsteuer-Schuldner, wenn sie ausschließlich eigene Grundstücke zum Zweck des Verkaufs bebauen.

2014 gibt es für alle Unternehmer, die Bauleistungen und Gebäudereinigungsleistungen erbringen oder empfangen, drei Zeiträume mit unterschiedlichen Rechtslagen:

  1. Leistungen nach dem 30.09.2014,
  2. Leistungen zwischen dem 15.02.2014 und dem 30.09.2014,
  3. Leistungen vor dem 15.02.2014.

Unterstützung bei der Rechnungserteilung

Dementsprechend vervielfachen sich auch die Möglichkeiten der Rechnungserteilung bei Abschlags- und Schlussrechnungen. Jedoch gibt das BMF in seinem Schreiben für diese vielen Variationsmöglichkeiten Entscheidungshilfen an die Hand, die Schlussrechnungen über Leistungen vor und nach dem 30.09.2014 mit den Besonderheiten für Zahlungseingänge vor und nach den entscheidenden Zeitpunkten betreffen.

Bezüglich der weiteren Besonderheiten in diesem Bereich wird auf frühere BMF-Schreiben verwiesen, und zwar für:

  1. Nachweisführung, Vertrauensschutz und Nichtbeanstandungsregel,
  2. Lieferung in den nichtunternehmerischen Bereich,
  3. Anzahlungs- und Schlussrechnungen,
  4. Erstattungsanträge von Bauträgern,
  5. Abtretung der Umsatzsteuerforderungen.

Praxishinweis

Das BMF hat weitere offene Fragen in Bezug auf diese Änderungen der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers geklärt. Geblieben ist die große Unsicherheit bezüglich der Änderung des § 27 Abs. 19 UStG im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit. Es ist nämlich zweifelhaft, ob der Vertrauensschutz nach § 176 AO ausgeschlossen werden kann, weil Rückwirkungen zu Ungunsten des Steuerpflichtigen im Steuerrecht gerade nicht zulässig sind. Deshalb ist den Betroffenen (Bauträgern usw.) zu empfehlen, möglichst schnell noch vor der Verfassungswidrigkeitserklärung durch das BVerfG, alle Rechte aus § 27 Abs. 19 UStG beim Finanzamt geltend zu machen.

BMF-Schreiben v. 05.02.2014 - IV D 3 - S-7279/11/10002, BStBl 2014 I 233
BMF-Schreiben v. 08.05.2014 - IV D 2 - S-7279/11/1000-03, BStBl 2014 I 823
BMF-Schreiben v. 26.08.2014 - IV D 3 - S-7279/10/10004,BStBl 2014 I 1216
BMF-Schreiben v. 31.07.2014 - IV A 3 - S-0354/14/10001, BStBl 2014 I 1073

BMF-Schreiben v. 26.09.2014 - IV D 3 - S-7379/14/10002
BMF-Schreiben v. 01.10.2014 - IV D 3 - S-7279/10/10004

Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt Horst Schirrmann