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Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen: BMF legt nach

Das BMF äußert sich erneut zum Dauerbrenner Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen. Mit Schreiben vom 31.07.2014 greift es innerhalb kürzester Zeit wiederholt dieses Thema auf. Ausgelöst wurde diese „Serie“ von Stellungnahmen des Fiskus durch den BFH. Aber auch die jüngsten Gesetzesänderungen - der neue § 27 Abs. 19 UStG und die Neufassung des § 13b UStG - sorgen für Klärungsbedarf.

Konsequenzen des BFH-Urteils

Der BFH hatte bzgl. des sog. Reverse-Charge-Verfahrens entgegen der Verwaltungsmeinung entschieden, dass es beim Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger gem. § 13b Abs. 5 UStG gerade darauf ankommt, dass der Leistungsempfänger die an ihn erbrachte Leistung seinerseits zur Erbringung (weiterer) Bauleistung verwendet. Der Gesetzgeber befürchtete nun, dass die Anwendungspraxis dieses Urteils zu erheblichen Problemen bei der Feststellung des Steuerschuldners führt. Der Leistende müsse feststellen, ob der Leistungsempfänger mit der  bezogenen Bauleistung seinerseits die Erbringung von Bauleistungen bewirkt, was in der Praxis sehr schwer zu belegen sei.

Neuerung durch das „Kroatiengesetz“

Deshalb wurde durch die Neufassung des § 13b Abs. 5 Satz 2 und des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG festgelegt, dass der Leistungsempfänger - unabhängig von der konkreten Bauleistung -  ein Unternehmer ist, der nachhaltig derartige Bauleistungen erbringt. Diese Nachhaltigkeit wird unterstellt, wenn der Leistungsempfänger eine Bescheinigung des Finanzamts vorlegt, wonach er als Leistungsempfänger derartige Leistungen erbringt.

Im Rahmen des Bescheinigungsverfahrens prüft das zuständige Finanzamt anhand der bisherigen Umsätze, ob die Nachhaltigkeit gegeben ist. Diese Nachhaltigkeit ist für Prüfungszwecke des Finanzamts dann gegeben, wenn derartige Bauleistungsumsätze mindestens 10 % des Weltumsatzes betragen. Durch das „Kroatiengesetz“ wurde die bis zum 15.02.2014 geltende Verwaltungspraxis zu Definition und Eigenschaft eines bauleistenden Unternehmers (10 %-Regelung) gesetzlich festgeschrieben, mit Geltung ab 01.10.2014.

Stellungnahmen des BMF

Die BMF-Schreiben vom 15.02. und 08.05.2014 regelten die verfahrensmäßige Abwicklung von Änderungsanträgen betroffener Unternehmer, was nun mit der Veröffentlichung der letzten  Ergebnisse aus der Steuerreferentensitzung im BMF-Schreiben vom 31.07.2014 zusammengefasst und erweitert wird. Der 15.02.2014 wird künftig eine Art Stichtag für Bauleistungen sein.

Wenn  bspw. bei einer Leistungsbeziehung vor dem 15.02.2014 irrigerweise davon ausgegangen wurde, dass der Leistungsempfänger nach § 13b UStG die Steuer schuldet, können die Beteiligten die bisherige Handhabung beibehalten oder die erklärten Umsätze nach § 27 Abs. 19 Satz 1 u. 2  UStG n.F. innerhalb der Festsetzungsfrist  (§ 169 Abs. 1 AO) ändern.

Um künftig Zahlungsvorgänge zu verkürzen, kann der Leistende den Anspruch auf Nachzahlung der Umsatzsteuer, den er gegenüber dem Leistungsempfänger hat, nunmehr an das Finanzamt abtreten, § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG n.F. Die Abtretung des zivilrechtlichen Anspruchs auf Umsatzsteuerzahlung bewirkt für den Schuldner der Umsatzsteuer das Erlöschen seiner Umsatzsteuerschuld gegenüber dem Finanzamt gemäß § 47 AO unter bestimmten im BMF-Schreiben genannten Voraussetzungen - z.B. dass der leistende Unternehmer an der Durchsetzung dieses abgetretenen Anspruchs mitwirkt.

Das BMF-Schreiben erläutert sodann das weitere Verfahren nach § 27 Abs. 19 UStG n.F., bei dem der Leistungsempfänger seinem Finanzamt die Tatsachen dieses irrtümlich erklärten Umsatzes mitteilt. Im Rahmen des Steuereinzugs muss das Finanzamt des Leistungsempfängers  anschließend das Finanzamt des Leistenden unterrichten. Dieses wiederum informiert den Leistenden als Schuldner der Umsatzsteuer und bietet ihm an, diese Leistungsschuld durch Abtretung seines Anspruchs an den Leistungsempfänger zu tilgen. Letztlich ist es dem  Finanzamt des Leistungsempfängers gestattet, durch Aufrechnung mit dem abgetretenen Anspruch seine Erstattungsverpflichtung gegenüber dem Leistungsempfänger zu erfüllen.

Offene Fragen

Wie man angesichts der Vielzahl dieser neuen Informations- und Nachrichten-Ketten sieht, hat sich die Finanzverwaltung einen weiteren Berg von Arbeiten auferlegt. Offen bleibt, ob diese wirklich der Verwaltungsvereinfachung dienen. Ungeregelt ist hierbei noch die wirkliche Rechtsqualität der vom BMF als „Auskünfte und Informationen“ bezeichneten Handlungen. Automatisch ergeben sich daraus weitere bisher ungeregelte Fragen wie bspw. zum Spielraum des Finanzamts bzgl. der Informationsbeschaffung.

Die Serie von Verwaltungsanweisungen allein zu den Übergangs-, Berichtigungs- und Nichtbeanstandungsregeln wird nicht abreißen, sondern sich ggfs. potenzieren.

Praxishinweis

Die Häufung von Gesetzen und Verlautbarungen des Fiskus zum Thema der Steuerschuldnerschaft bei Bauleistungen weist diesbezüglich auf eine Unsicherheit der Verwaltung hin, die auch der Steuerpflichtige nicht unbeachtet lassen sollte. Mit anderen Worten heißt dies für die Praxis, dass von der Verwaltung das große „Steuerschlupfloch“ des § 13b UStG noch nicht endgültig geschlossen werden konnte und es für kreative Steueroptimierungen aus der Sicht der Unternehmer auch weiterhin noch viel Spielraum gibt, wobei allein das neue Berichtigungsverfahren mit den Übergangsregelungen nach § 27 Abs. 19 UStG auf eine Vielzahl von Optimierungsmöglichkeiten hinweist.

BMF-Schreiben v. 31.07.2014 - IV A 3 - S 0354/14/10001, IVD3 - S 7279/11/10002
BMF-Schreiben v.  05.02.2014 - IV D 3 - S 7279/11/10002, BStBl 2014 I 233
BMF-Schreiben v. 8.05.2014 - IV D 3 - S 7279/11/10002-03 BStBl 2014 I 823
BFH, Urt. v. 22.8.2013 - V R37/10, BStBl 2014 II 128

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Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt Horst Schirrmann