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Steuervorteile: „Zusammengeballter“ Arbeitslohn

Wenn Arbeitslohn für mehr als ein Jahr - also für mehr als einen Veranlagungszeitraum - gezahlt wird, kann dieser nach der „Fünftelregelung“ besteuert werden. Dann müssen allerdings nachvollziehbare und wirtschaftlich vernünftige Gründe für eine solche „zusammengeballte Entlohnung“ vorliegen. Der BFH hat in einem Urteil die Voraussetzungen für die aus § 34 EStG folgenden Steuervorteile bestimmt.

Der Vorstand einer als gemeinnützig anerkannten Stiftung, die sich überwiegend aus Spenden finanziert, verständigte sich mit der Stiftung darauf, dass sein Gehaltszahlungszeitraum von zwölf auf 14 Monate erweitert wird. Dies führte dazu, dass der monatliche Durchschnittsbetrag seines Gehalts um mehr als 10 % reduziert wurde.

Der Vorstand und die Stiftung als Arbeitgeber fürchteten, dass bei Auszahlung der vollen monatlichen Vergütung diese möglicherweise unangemessen hoch und deswegen gemeinnützigkeitsschädlich i.S.v. § 55 AO sein könnte. Der Vorstand behandelte die von der Stiftung erhaltene Tätigkeitsvergütung als ermäßigt zu besteuernden Arbeitslohn für mehrere Jahre i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG und begehrte den begünstigten Steuersatz nach § 34 Abs. 1 S. 1 und 2 EStG (sog. Fünftelregelung). Das Finanzamt folgte dem nicht, Finanzgericht und BFH jedoch schon.

Wann ist eine Tätigkeit mehrjährig?

Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG können Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten ermäßigt zu besteuernde außerordentliche Einkünfte darstellen. Hierbei gilt eine Tätigkeit als mehrjährig, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Im Gegensatz zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit braucht die fragliche mehrjährige Tätigkeit im Zusammenhang mit einer nichtselbständigen Tätigkeit keine abgrenzbare Sondertätigkeit darzustellen.

Vor allem muss diese Tätigkeit nach Ansicht des BFH weder von der regelmäßigen Erwerbstätigkeit trennbar sein noch muss diejenige Vergütung, die in mehreren Veranlagungszeiträumen verdient worden ist, auf einem anderen Rechtsgrund als die Vergütung für die laufenden Einkünfte beruhen.

Eine Einschränkung des Wortlauts des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist – anders als bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit – nicht erforderlich. Der BFH folgert dies daraus, dass es bei den Gewinneinkünften nicht außergewöhnlich ist, dass in den laufenden Einkünften neben gleichmäßigen auch zufällige und schwankende Einnahmen enthalten sind, während dies bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht der Fall ist.

Denn der selbständig Tätige ist im Gegensatz zum Angestellten in seinen finanziellen und wirtschaftlichen Dispositionen grundsätzlich frei und unabhängig. Folglich ist beim Arbeitnehmer immer jede Vergütung für eine Tätigkeit, die sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst, atypisch zusammengeballt und damit „außerordentlich“ i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1 EStG.

BFH verlangt, dass die Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit gezahlt wird

Jedoch genügt es dem BFH nicht, dass der Arbeitslohn in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem zufließt, zu dem er wirtschaftlich gehört, und in diesem mit weiteren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zusammentrifft. Darüber hinaus verlangt er, dass die Vergütung vielmehr für sich betrachtet ein zweckbestimmtes Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit darstellen muss. Diese Vergütung muss folglich für einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten und „veranlagungszeitraumübergreifend“ geleistet werden. Eine solche mehrjährige Zweckbestimmung kann sich entweder aus dem Anlass der Zuwendung oder aus den übrigen Umständen ergeben.

Soweit andere Hinweise auf den Verwendungszweck fehlen, stellt der BFH maßgeblich auf die Berechnung des Entgelts ab. Schließlich müssen wirtschaftlich vernünftige Gründe für die zusammengeballte Entlohnung vorliegen, die sowohl in der Person des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers gegeben sein können. Durch das Erfordernis der wirtschaftlich vernünftigen Gründe will der BFH Missbräuchen vorbeugen. Denn nur dadurch wird eine willkürliche, wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Zusammenballung allein aus steuerlichen Gründen ausgeschlossen.

Anwendung dieser Grundsätze

Weil sich in diesem Fall Arbeitgeber und Angestellter einvernehmlich darauf verständigt haben, dass der Lohnzahlungszeitraum von zwölf auf 14 Monate verlängert wurde, und nicht lediglich vereinbart hatten, dass zusätzlich zum jährlichen Arbeitslohn eine Abschlagszahlung für die folgenden zwei Monate zu leisten war, kam es noch darauf an, ob wirtschaftlich vernünftige Gründe für die Verlängerung des Lohnzahlungszeitraums und die damit verbundene Zusammenballung des Arbeitslohns vorliegen. Als solche wirtschaftlich vernünftigen Gründe akzeptiert der BFH die vom Angestellten und seinem Arbeitgeber angegebene Erhaltung der Gemeinnützigkeit, daher werden die gezahlten Einkünfte begünstigt besteuert.

Praxishinweis

Einerseits ist die Entscheidung des BFH zu begrüßen, denn sie schafft vordergründig Klarheit darüber, wann bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit der begünstigte Steuersatz zur Anwendung kommt. Insbesondere das Erfordernis der wirtschaftlich vernünftigen Gründe, die für die mehrjährige Zweckbestimmung vorliegen müssen, soll einen Missbrauch verhindern.

Andererseits steht bisher lediglich fest, dass die Erhaltung der Gemeinnützigkeit solch ein wirtschaftlich vernünftiger Grund sein kann. Was jedoch darüber hinaus als wirtschaftlich vernünftiger Grund anzusehen ist, ist noch ungeklärt: Reicht es z.B. aus, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Streckung des Gehalts vereinbaren, um eine wirtschaftliche Krise des Arbeitgebers zu überwinden, oder wenn das Gehalt gestreckt werden soll, damit z.B. die Kinder des Angestellten wegen der Einkommenshöhe der Eltern Sozialleistungen (BAföG) beanspruchen können? Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung sind also aufgerufen, weitere Beispiele für die wirtschaftlich vernünftigen Gründe zu formulieren. Ansonsten verkehrt sich die beabsichtigte Klarstellung des Urteils ins Gegenteil und bringt für Arbeitgeber sowie deren Angestellte bzw. Berater lediglich Unsicherheit, wann der begünstigte Steuersatz bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zur Anwendung kommt.

BFH, Urt. v. 07.05.2015 - VI R 44/13

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz