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Einkommensteuer, Steuerberatung -

„Verbrauch“ von Steuervorteilen

Welche Folgen hat ein ohne den erforderlichen Antrag gewährter Steuervorteil, wenn er nur einmal in Anspruch genommen werden kann? Im Fall der Steuervergünstigung bei Betriebsveräußerungen gemäß § 34 Abs. 3 EStG hat der BFH entschieden: Der Steuervorteil ist auch ohne den vorhergehenden Antrag „verbraucht“, wenn er sich tatsächlich ausgewirkt hat und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Der BFH hatte darüber zu entscheiden, ob der begünstigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG erneut erfolgreich beantragt werden kann, wenn in der Vergangenheit bereits einmal diese Begünstigung gewährt worden ist. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Steuerpflichtige war an einer GbR aus Freiberuflern beteiligt sowie für diese tätig und zudem Kommanditist einer Publikums-KG. Die letzte Beteiligung veräußerte der Steuerpflichtige mit Gewinn, beantragte aber mangels Kenntnis der Höhe des Veräußerungsgewinns nicht den begünstigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG, der nur einmal im Leben in Anspruch genommen werden kann.

Dennoch gewährte das Finanzamt bei der Veranlagung diesen Steuervorteil und stellte dies in den Berechnungsgrundlagen dar. Da der Steuerpflichtige den Steuerbescheid nicht angefochten hatte, wurde dieser bestandskräftig. Einige Jahre später wollte der Steuerpflichtige für den Verkauf seiner Beteiligung an der Freiberufler-GbR erneut den begünstigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG in Anspruch nehmen, was das Finanzamt ablehnte. Klage und Nichtzulassungsbeschwerde blieben erfolglos.

Folgen der Inanspruchnahme eines ungerechtfertigten Vorteils

Das Antragsrecht für eine Steuervergünstigung, die dem Steuerpflichtigen auf Antrag nur einmal gewährt werden kann, ist für die Zukunft auch dann „verbraucht“, wenn die Vergünstigung vom Finanzamt zu Unrecht gewährt worden ist. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn ein erforderlicher Antrag vom Steuerpflichtigen zwar nicht gestellt wurde, die Begünstigung aber trotzdem gewährt worden ist.

Entscheidend ist allein, dass sich die Vergünstigung auf die frühere Steuerfestsetzung ausgewirkt hat und dort nicht mehr rückgängig gemacht werden kann.

Wenn der Steuerpflichtige diese Vergünstigung erst in einem späteren Jahr in Anspruch nehmen will, muss er den Steuerbescheid, in der ihm die Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden ist, anfechten. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn für den Steuerpflichtigen die rechtswidrige Gewährung der Vergünstigung in einem Vorjahr aufgrund der geringen Höhe der Vergünstigung und des Fehlens eines Hinweises im Bescheid nicht erkennbar gewesen ist. In diesem Fall kann sich der Steuerpflichtige auf den fehlenden Antrag nach den Grundsätzen von Treu und Glauben berufen.

Kein Grund für eine Änderung dieser Grundsätze

Der BFH sieht keine Veranlassung, bei diesen Grundsätzen danach zu differenzieren, ob der erste Veräußerungsgewinn aus einer Gesellschaft stammt, bei der der Steuerpflichtige selbst tätig war. Insoweit ist es für den BFH ohne Bedeutung, ob der Gesellschafter einer Publikumsgesellschaft wisse, dass ein Veräußerungs- oder Aufgabegewinn erzielt werde, und dem Gesellschafter auch vor Erhalt einer entsprechenden Mitteilung die Höhe eines solchen Gewinns nicht bekannt sei. Denn allein ausschlaggebend ist für den BFH, ob der Steuerpflichtige während der Einspruchsfrist erkennen konnte, dass ihm eine Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden ist.

Entscheidung im Streitfall

Weil für den BFH die Differenzierung nach einer Tätigkeit für die Gesellschaft unbeachtlich ist, kommt es allein darauf an, ob aus dem Steuerbescheid die Gewährung des nicht beantragten Vorteils erkennbar war und dies während der Einspruchsfrist geltend gemacht werden konnte. Aus dem Steuerbescheid war für den BFH eindeutig erkennbar, dass die festgesetzte Steuer unter Berücksichtigung des begünstigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 3 EStG ermittelt worden war. Folglich war diese Begünstigungsmöglichkeit für den Steuerpflichtigen trotz fehlenden Antrags verbraucht.

Praxishinweis

Das Gericht hat geklärt, dass ausschließlich entscheidend ist, ob der Steuerpflichtige den ungerechtfertigt gewährten Steuervorteil in der Vergangenheit hätte erkennen können. Es ist ohne Bedeutung, ob der Steuerpflichtige in der Gesellschaft mitgearbeitet hat. Dieses Ergebnis überzeugt und erhöht die Rechtssicherheit. Ansonsten wäre bald die Frage zu entscheiden gewesen, in welchem Umfang der ausscheidende Gesellschafter in der Gesellschaft tätig sein müsse, um sich die ungerechtfertigte Inanspruchnahme nicht entgegenhalten zu lassen. Dies hätte zu einer Vielzahl von Einzelfallentscheidungen geführt, die es dem Rechtsanwender unnötig erschweren, die Rechtslage zutreffend einzuschätzen. Alle Unternehmer, denen der begünstigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG erkennbar ohne Antrag gewährt wird, sollten also künftig genau prüfen, ob gegen entsprechende Steuerbescheide – trotz des daraus entstehenden Vorteils – Einspruch eingelegt wird, um künftige Inanspruchnahmen nicht zu gefährden.

BFH, Beschl. v. 01.12.2015 - X B 111/15

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz