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Einkommensteuer -

„Fünftelregelung“ bei Überstundenvergütungen für mehrere Jahre

Nach § 34 EStG gilt für außerordentliche Einkünfte ein ermäßigter Steuersatz (sog. Fünftelregelung). Nach einem Urteil des Finanzgerichts Münster ist die Fünftelregelung auch auf eine Überstundenvergütung anwendbar, die aufgrund eines Aufhebungsvertrags für mehrere vergangene Jahre in einer Summe ausbezahlt wird. Der BFH hat diese umstrittene Rechtsfrage bislang noch nicht entschieden.

Mit Urteil vom 23.05.2019 hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden, dass auf eine Einmalzahlung für eine Überstundenvergütung, die aufgrund eines Aufhebungsvertrags für mehrere zurückliegende Jahre ausbezahlt wird, der ermäßigte Steuersatz für außerordentliche Einkünfte anwendbar ist.

Mit diesem Urteil widersprach das FG Münster einem früheren Urteil vom FG Hamburg und ließ die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zu. Dieser hat die Frage, ob die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG auch für Zahlungen für geleistete Mehrarbeit gilt, noch nicht entschieden.

Sachlage im Streitfall

Im aktuellen Fall wurde ein steuerpflichtiges Ehepaar zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und leistete in drei Jahren insgesamt 330 Überstunden. Aufgrund einer länger andauernden Erkrankung wurde das Arbeitsverhältnis durch einen Aufhebungsvertrag beendet.

Dieser enthielt eine Vergütung für die bislang nicht ausgezahlten Überstunden sowie eine Zahlung für nicht genommene Urlaubstage, eine Rente und Lohnersatzleistungen. Die erhaltene Zahlung setzten die Steuerpflichtigen in der Anlage N unter der Kategorie „Entschädigungen/Arbeitslohn für mehrere Jahre“ an.

Das Finanzamt berücksichtigte die Überstundenvergütung mit dem Regelsteuersatz. Hiergegen wandten sich die Steuerpflichtigen und machten geltend, dass der ermäßigte Steuersatz gem. § 34 Abs. 1 EStG zur Anwendung komme. Nach einem erfolglosen Einspruchsverfahren gab das angerufene FG der Klage der Steuerpflichtigen statt und ließ die Revision zum BFH zu.

Tarifbegünstigung von Arbeitslohn nach § 34 Abs. 1 EStG

Grundsätzlich gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge sowie Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Arbeitslohn sind dabei alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen; dabei ist unerheblich, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form.

Kein Arbeitslohn liegt allerdings vor, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen, wie Schadenersatzleistungen, gewährt wird.

Arbeitslohn, der für eine mehrjährige Tätigkeit gezahlt wird, kann jedoch nach § 34 Abs. 1 ermäßigt besteuert werden. Voraussetzung ist, dass sich die Tätigkeit über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst, so dass die Entlohnung für sich betrachtet Entgelt für eine mehrjährige Tätigkeit darstellt.

Beispielsweise können Honorarnachzahlungen einer Kassenärztlichen Vereinigung für mehrere Jahre oder Lohnnachzahlungen für vorangegangene Veranlagungszeiträume eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit sein.

Dabei können auch bloße Nachzahlungen verdienter Vergütungen zu außerordentlichen Einkünften führen, wenn der Nachzahlungszeitraum sich auf zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und länger als zwölf Monate gedauert hat. Eine solche Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit liegt bei lediglich im Vorjahr verdienten Vergütungen dagegen nicht vor.

Darüber hinaus müssen wirtschaftlich vernünftige Gründe für die zusammengeballte Entlohnung vorliegen. Ersteres Merkmal der wirtschaftlich vernünftigen Gründe dient der Verhütung von Missbräuchen, so dass für eine nur willkürliche, wirtschaftlich nicht gerechtfertigte Zusammenballung allein aus steuerlichen Gründen die Anwendung der Tarifbegünstigung auf mehrjährigen Arbeitslohn ausscheidet. Ferner müssen die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zusammengeballt zugeflossen sein.

Praxishinweis

Im Jahr 2002 hatte das FG Hamburg noch anders entschieden. Es hielt Vergütungen für in mehreren Jahren geleistete Überstunden für nicht tarifbegünstigt, da lediglich Vergütungsbestandteile nachgezahlt worden seien und keine Tätigkeit entlohnt werde, die als einheitliches Ganzes in mehrere Veranlagungszeiträume falle. Das FG Münster hat für einen bislang noch nicht höchstrichterlich entschiedenen Fall die Revision zum BFH zugelassen.

Betroffene Steuerpflichtige sollten das weitere Verfahren beobachten und unter Hinweis auf das Urteil des FG Münster, respektive bei Anhängigkeit eines Verfahrens beim BFH unter dem jeweiligen Aktenzeichen, Ruhen des Verfahrens gem. § 363 Abs. 2 AO beantragen.

FG Münster, Urt. v. 23.05.2019 - 3 K 1007/18 E

Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper