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Umsatzsteuer -

BFH fragt EuGH: Fahrschulunterricht umsatzsteuerfrei?

Greift für Fahrschulunterricht nach der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) eine Befreiung von der Umsatzsteuer? Der BFH hat dem EuGH diese Fragen zur Entscheidung vorgelegt. Sollten die EuGH-Richter Fahrschulunterricht unter den Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts fassen, könnten sich damit grundsätzliche Änderungen bei der Umsatzbesteuerung von Fahrschulen ergeben.

Mit Beschluss vom 16.03.2017 hat der Bundesfinanzhof (BFH) dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einen Fall zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dabei gilt es insbesondere zu klären, ob der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts auch den Fahrschulunterricht erfasst.

Im Streitfall betrieb die Steuerpflichtige eine Fahrschule in der Rechtsform einer GmbH und unterrichtete Kunden zum Erwerb der Führerscheinklassen B und C1, d.h. für Fahrzeuge mit weniger als 7.500 kg. In den von ihr ausgestellten Rechnungen wies die GmbH keine Umsatzsteuer gesondert aus. In der von ihr abgegebenen Umsatzsteuererklärung deklarierte die GmbH zunächst die dafür steuerpflichtigen Umsätze, beantragte dann aber im Einspruchsverfahren, die Umsatzsteuer auf 0 € herabzusetzen.

Nachdem der Einspruch ohne Erfolg blieb, wies das zuständige Finanzgericht die anschließende Klage ab und bestätigte die Sichtweise des Finanzamts. Im Revisionsverfahren vor dem BFH nun rügt die GmbH die Verletzung europäischen Rechts. Der BFH bejahte den Unterrichtscharakter von Fahrschulleistungen, befand jedoch die Auslegung der europäischen Richtlinie für zweifelhaft und legte dem EuGH den Fall zur Vorabentscheidung vor.

Die vom BFH an den EuGH gestellten Fragen

Der BFH hat dem EuGH gleich mehrere Fragen zur Auslegung des Art. 132 der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) vorgelegt. Er möchte insbesondere geklärt wissen:

  • Umfasst der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts den Fahrschulunterricht zum Erwerb der Führerscheinklassen B und C1?
  • Falls diese Frage zu bejahen ist: Ist die Zielsetzung aus den gesetzlichen Regelungen über die Fahrlehrerprüfung und die Erteilung der Fahrlehr- und Fahrschulerlaubnis vergleichbar mit der Zielsetzung i.S.d. Richtlinie?
  • Setzt der Begriff des Privatlehrers i.S.d. MwStSystRL voraus, dass der Steuerpflichtige ein Einzelunternehmer ist oder kann er als solcher auch im Rahmen einer anderen Gesellschaftsform auftreten?
  • Welche Anforderungen sind an das Merkmal „Privatlehrer“ zu stellen?

BFH: Fahrschulunterricht steuerpflichtig nach deutschem Recht

Grundsätzlich sind unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen dann steuerfrei, wenn sie entweder als Ersatzschulen staatlich genehmigt bzw. nach Landesrecht erlaubt sind oder wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.

Eine solche Genehmigung lag jedoch im Streitfall nicht vor. Ebenfalls kam eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG nicht in Betracht, da die GmbH keine Hochschule bzw. private Schule oder andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtung ist. Somit liegt laut BFH keine Steuerbefreiung nach deutschem Recht vor.

Steuerbefreiung nach europäischem Recht möglich

Nach Auffassung des BFH könnte die Tätigkeit jedoch nach europäischem Recht steuerbefreit sein, da nämlich für den BFH jegliche Aus- und Weiterbildungen dem Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts genügen, solange sie nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben. Da ein Führerschein auch für berufliche Zwecke genutzt wird bzw. genutzt werden kann, liegt keine ausschließlich private Nutzung vor.

Darüber hinaus stellt sich für den BFH die Frage, ob die Zielsetzung der gesetzlichen Regelungen über die Fahrlehrerprüfung und die Erteilung der Fahrlehr- und Fahrschulerlaubnis vergleichbar ist mit der Zielsetzung der Richtlinie – ob also ein Gemeinwohlinteresse an der Ausbildung von Fahrschülern zu verantwortungsvollen und umweltbewussten Verkehrsteilnehmern besteht.

Ferner möchte der BFH geklärt haben, ob das Merkmal „Privatlehrer“ das Vorliegen einer natürlichen Person voraussetzt oder ob auch eine andere Gesellschaftsform möglich ist. Zu guter Letzt soll der EuGH klarstellen, ob eine befreite „private“ Unterrichtsleistung bereits dann vorliegt, wenn der Lehrer für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt und zwischen dem Inhalt und der Qualifikation des Lehrers ein Zusammenhang besteht.

Praxishinweis

Der BFH stellt dem EuGH eine Vielzahl an Fragen. Aus den Formulierungen des BFH lässt sich jedoch entnehmen, dass der BFH ernsthafte Zweifel daran hat, dass Fahrschulunterricht eine vergleichbare steuerbefreite Tätigkeit i.S.d. Art. 132 der MwStSystRL und eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit darstellt. Fahrschulen sollten auf jeden Fall in allen offenen Fällen Einspruch einlegen und insoweit das Ruhen des Verfahrens gem. § 363 Abs. 2 AO beantragen.

Im Übrigen reiht sich die Vorlage des BFH in eine Vielzahl von bereits entschiedenen Fällen zu Unterrichtsleistungen ein. Kampfsportkurse können unter die Steuerbefreiung fallen, da die Unterrichtsleistung auch an Schulen erbracht werden kann. Gleiches gilt für privaten Musik-und Sprachunterricht. Steuerpflichtige sollten auch bei anderen Unterrichtsleistungen daran denken, dass sie sich auf die MwStSystRL als EU-Richtlinie unmittelbar berufen können.

BFH, Beschl. v. 16.03.2017 - V R 38/16

Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper