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Umsatzsteuer -

Kleinunternehmerregelung: Widerruf eines Verzichts möglich?

Wie lange wirkt ein Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG? Und wie kann der Verzicht widerrufen werden? Der BFH hat klargestellt: Der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung wirkt auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume, bis er widerrufen wird. Das Überschreiten der Umsatzgrenze ist kein Widerruf des Verzichts und erledigt die Verzichtserklärung nicht in sonstiger Weise.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner aktuellen Entscheidung vom 23.09.2020 (XI R 34/19) dazu Stellung genommen, ob der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung nachträglich widerrufen werden kann.

Sachverhalt des Besprechungsfalls

Der Kläger A führt Fliesen-, Estrich-, Parkett- und sonstige Bodenlegearbeiten, den Einbau von genormten Baufertigteilen, Akustik- und Trockenbau, Entrümpelungsarbeiten sowie Güterbeförderung mit einem Kfz (bis 3,5 t) durch.

Im Gründungsjahr verzichtete A auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung. In den Folgejahren gab er Umsatzsteuerjahreserklärungen ab, in denen er die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften berechnete. In zwei Jahren führte er Bruttoumsätze oberhalb von 17.500 € aus, während in den übrigen Jahren seine Bruttoumsätze unterhalb der Grenze von 17.500 € lagen.

Mit seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr wendete A erstmalig die Kleinunternehmerbesteuerung an und wies in den Rechnungen des Streitjahres unter Hinweis auf § 19 UStG keine Umsatzsteuer aus. Das Finanzamt (FA) lehnte dies ab. Der Einspruch blieb erfolglos, während die Klage Erfolg hatte. Der BFH folgte dem Finanzgericht.

Voraussetzung des Verzichts auf die Kleinunternehmerregelung

Der Unternehmer kann dem FA bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung erklären, dass er auf die Anwendung der Besteuerungsregelung gem. § 19 Abs. 1 UStG (sog. Kleinunternehmerregelung) verzichtet.

Dieser Verzicht bindet nach Eintritt der „Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung“ den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Er kann sie mit Wirkung vom Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen, wobei der Widerruf spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des geltenden Kalenderjahres zu erklären ist.

Form der Verzichtserklärung

Einleitend stellt der BFH fest, dass zu der Form der Verzichtserklärung sowie ihres Widerrufs keine gesetzlichen Bestimmungen bestehen.

Sowohl der Verzicht als auch dessen Widerruf sind einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen gegenüber dem FA; beide Erklärungen wirken rechtsgestaltend auf das Umsatzsteuerrechtsverhältnis und sind deshalb bedingungsfeindlich.

Sie können dem FA gegenüber auch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden. Die Erklärung des Widerrufs ist daher formlos möglich. Sonstige Regelungen, wodurch ein erklärter Verzicht unwirksam werden könnte, sieht das Gesetz nicht vor.

Mit der Abgabe einer Umsatzsteuererklärung, in welcher der Steuerpflichtige die Steuer nach den allgemeinen Grundsätzen berechnet, verzichtet er konkludent auf die Nichterhebung der Steuer gem. § 19 Abs. 1 UStG.

In gleicher Weise kann der Steuerpflichtige auch durch die Abgabe der Umsatzsteuererklärung konkludent den Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung widerrufen. Es gelten beim Widerruf die gleichen Regeln wie für die Erklärung des Verzichts.

Insbesondere ergibt sich für den BFH aus der Verwendung des Worts „mindestens“ in § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG sowie aus § 19 Abs. 2 Satz 3 UStG, dass der Verzicht nicht nach Ablauf von fünf Jahren unwirksam wird, sondern bis zu einem Widerruf fortwirkt.

Dieses Verständnis entspricht im Übrigen auch den anerkannten Rechtswirkungen anderer Willenserklärungen des Steuerpflichtigen mit Bezug zum Besteuerungsverfahren. So muss der Antrag auf Dauerfristverlängerung nicht jährlich wiederholt werden, da die Dauerfristverlängerung so lange als gewährt gilt, bis der Unternehmer seinen Antrag zurücknimmt oder das FA die Fristverlängerung widerruft.

Anwendung dieser Grundsätze auf den Besprechungsfall

Bei Anwendung dieser Grundsätze nimmt der BFH im Streitjahr einen wirksamen Widerruf des Verzichts auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung durch A an.

A hat im Gründungsjahr durch Verzicht auf die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung die fünfjährige Bindungsfrist in Gang gesetzt, welche vor Beginn des Streitjahres endete. Der Verzicht wirkte anschließend fort, so dass kein erneuter Verzicht notwendig war.

In den zwei darauffolgenden Jahren überschritt A mit seinen Umsätzen zzgl. der darauf entfallenden Umsatzsteuer zwar die Umsatzgrenze, so dass eine Regelbesteuerung in den Folgejahren ohnehin durchzuführen war. Jedoch führte dieser Übergang zur Regelbesteuerung weder zum konkludenten Widerruf der Verzichtserklärung noch zum Widerruf des erklärten Verzichts.

Das Überschreiten der Umsatzgrenze hat daher nicht eine automatische Beendigung des Verzichts auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung zur Folge. Vielmehr blieb dieser Verzicht auch in diesen Jahren wirksam; er entfaltete nur keine Wirkungen.

Auch im darauffolgenden Jahr war dieser Verzicht weiterhin wirksam, so dass die entsprechend abgegebene Umsatzsteuererklärung keine erneute Erklärung eines Verzichts auf die Kleinunternehmerregelung darstellte.

Diese war auch nicht erforderlich, weil der Verzicht aus der Unternehmensgründung weiterhin wirksam war. Mit der Einreichung der Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr hat A allerdings wirksam diesen Verzicht aus dem Gründungsjahr widerrufen.

In diesem Zusammenhang stellt der BFH klar, dass die fünfjährige Bindung an den Verzicht des Steuerpflichtigen auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung an seine erstmalige Steuererklärung, in der die allgemeinen Vorschriften angewandt wurden, anknüpft.

Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass nach Ablauf der Bindungsfrist von fünf Jahren der Steuerpflichtige konkludent mit der Abgabe der Steuererklärung unter Beachtung der Regelbesteuerung wiederum eine neue Bindungsfrist in Gang setzt. Eine solche Regelung enthält das UStG nicht. Vielmehr deutet das Wort „mindestens“ sowohl in § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG als auch § 19 Abs. 2 Satz 3 UStG auf eine Fortgeltung hin.

Nach dem Ende der Fünfjahresfrist seit dem erstmaligen Verzicht kann daher für jedes weitere Jahr von dem Verzicht gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG Gebrauch gemacht werden, ohne dass es einer erneuten Erklärung bedarf.

Es beginnt nicht jeweils eine neue Fünfjahresfrist. Der Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung wirkt fort, bis er ohne weiteres Bindungshemmnis vom Steuerpflichtigen widerrufen wird. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut der Regelung.

Praxishinweis

Der BFH hat eine für die Praxis wichtige Entscheidung bezüglich der Kleinunternehmerregelung getroffen: Der Verzicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung wirkt auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume, bis dieser vom Steuerpflichtigen widerrufen wird.

Das Überschreiten der Umsatzgrenze ist weder ein Widerruf des Verzichts noch ersetzt es die Verzichtserklärung in sonstiger Weise. Folglich wirkt eine einmal abgegebene Verzichtserklärung und damit die Anwendung der Regelbesteuerung grundsätzlich bis zu ihrem Widerruf.

BFH, Urt. v. 23.09.2020 - XI R 34/19

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht