Zurechnung von Einkünften bei betrügerischem Aktienhandel

Wem sind die Einkünfte aus einem Betrug mit wertlosen Aktien steuerlich zuzurechnen? Soweit eine Kapitalgesellschaft hieraus berechtigt und verpflichtet wird, müssen ihr nach dem BFH grundsätzlich auch die gewerblichen Einkünfte zugerechnet werden. Eine Verlagerung von der Kapitalgesellschaft auf den strafrechtlich verantwortlichen (Allein-)Gesellschafter kommt im Regelfall nicht in Betracht.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seiner Entscheidung vom 16.02.2022 (X R 3/19) dazu Stellung genommen, wann Einkünfte aus betrügerischen Handlungen eines Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft zuzurechnen sind, und wann ein Durchgriff auf den Gesellschafter möglich ist.

Sachverhalt im Besprechungsfall

Der Kläger K war als Broker in den USA tätig und gründete die G Inc., eine US-amerikanische Kapitalgesellschaft, deren (geschäftsführender) Vorstandsvorsitzender K war und die im Inland über ein Büro verfügte. 

G Inc. übernahm die Aufgabe, die Börsenzulassung einer Briefkastenfirma N im Freiverkehr an der Frankfurter Börse vorzubereiten und zu unterstützen. Daraufhin vertrieb K über G Inc. außerbörslich Aktien der N, die von Anfang an keinen Wert besaßen. 

Insgesamt zeichneten Kapitalanleger außerbörslich Aktien der N für einen Kaufpreis von knapp 2 Mio. €. Der wesentliche Teil dieses Betrags floss dem K zu. Später erfolgte der Börsengang der N. Nach anfänglichem Anstieg fiel der Kurs der Aktie. Später wurde der Handel ausgesetzt.

Gegen K wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet, weil die geschäftlichen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Verkauf der Aktien der N eine gewerbliche Tätigkeit des K darstellten und ihm Einkünfte i.H.v. rund 1,8 Mio. € zuzurechnen seien. 

K wurde wegen Betrugs zu einer Freiheitstrafe verurteilt. Aus steuerrechtlicher Sicht hatten das Finanzgericht Düsseldorf (FG) und in zweiter Instanz der BFH zu bewerten, ob die Einkünfte dem K oder der G Inc. zuzurechnen sind.

Entscheidung und Begründung

Die persönliche Zurechnung von Einkünften richtet sich danach, welche Person die Leistung bewirkt, durch die der Tatbestand der Einkünfteerzielung verwirklicht wird. 

Einkünfte sind steuerrechtlich nicht zwangsläufig derjenigen Person zuzurechnen, die im Außenverhältnis diejenigen Rechtsgeschäfte abschließt, an die die Besteuerung anknüpft. Entscheidend ist vielmehr, auf wessen Rechnung und Gefahr die Tatbestandsverwirklichung erfolgt. 

Speziell bei betrieblichen Einkunftsarten sind die Einkünfte dem Unternehmer zuzurechnen, d.h. demjenigen, nach dessen Willen und auf dessen Rechnung und Gefahr das Unternehmen in der Weise geführt wird, dass sich der Erfolg oder Misserfolg in seinem Vermögen unmittelbar niederschlägt.

Dies gilt auch für die Gewerbesteuer. Eine Kapitalgesellschaft ist zivil- und steuerrechtlich ein selbständiges Steuersubjekt, das die von ihr aus der Beteiligung erzielten Einkünfte unabhängig vom Gesellschafter zu versteuern hat (sog. Trennungsprinzip). 

Der Anteilseigner hat unmittelbar keinen Gewinn aus der Tätigkeit der Kapitalgesellschaft zu versteuern. 

Ein Durchgriff durch die Gesellschaft kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht, es sei denn, das Steuerrecht sieht ausdrückliche Ausnahmeregelungen vor, u.a. in den Fällen des Scheingeschäfts und des Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. 

Entsprechende Feststellungen hat das FG nach Auffassung des BFH nicht getroffen. Daher hob der BFH das Urteil auf und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung an das FG zurück.

Praxishinweis: Der BFH hat mit dieser Entscheidung seine Grundsätze zur Zurechnung von Einkünften zur Kapitalgesellschaft bzw. zu dem Gesellschafter folgendermaßen konkretisiert:

Wird eine Kapitalgesellschaft aus dem betrügerischen Handel mit wertlosen Aktien berechtigt und verpflichtet, so sind die daraus resultierenden gewerblichen Einkünfte grundsätzlich ihr selbst steuerrechtlich zuzurechnen.

Ein Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft ist grundsätzlich unzulässig und kommt nur unter den Voraussetzungen einer gesetzlichen Ausnahmevorschrift, insbesondere bei Vorliegen eines Scheingeschäfts (§ 41 AO) oder eines Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) bzw. der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung diesbezüglich herausgearbeiteten Fallgruppen in Betracht.

Eine hiervon abweichende Einkünftezurechnung an den strafrechtlich verantwortlichen (Allein-)Gesellschafter unter dem Gesichtspunkt der Dispositionsbefugnis im Innenverhältnis ist nicht möglich.

 

BFH, Urt. v. 16.02.2022 - X R 3/19

Erstellt von Axel Scholz, RA und StB, FA für Steuerrecht

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