Zinsschranke oder Zinshöhenschranke? - der Gesetzgeber will beides!

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Der Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness ("Wachstumschancengesetz", Bundesrats-Drucksache 433/23)) enthält wichtige Änderungen bei der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Zinsen. Einerseits sind Änderungen der Zinsschranke gem. § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG vorgesehen, die im Wesentlichen europarechtlich vorgegeben sind. Andererseits ist in dem Gesetzentwurf eine neue nationale Abzugsbeschränkung enthalten, die den Zinsabzug der Höhe nach beschränken soll, die sog. Zinshöhenschranke.

1. Änderungen Zinsschranke

Nach der in Deutschland bereits seit Jahren geltenden Zinsschranke sind die Nettozinsaufwendungen eines Betriebes (Zinsaufwendungen abzügl.Zinserträge) grundsätzlich nur bis zur Höhe von 30 % des um die Zinsen und Abschreibungen bereinigten maßgeblichen Gewinns ("verrechenbares EBITDA") abziehbar; nicht abziehbare Nettozinsaufwendungen werden in nachfolgende Wirtschaftsjahre vorgetragen (Zinsvortrag). Nicht genutztes EBITDA-Volumen wird in die folgenden fünf Wirtschaftsjahre vorgetragen (EBITDA-Vortrag). Die Zinsschranke kommt bislang nur bei konzernzugehörigen Betrieben zur Anwendung (sog. Stand-alone-Klausel), deren Netto¬zinsaufwendungen 3 Mio. € pro Wirtschaftsjahr übersteigen (Freigrenze). Zudem sieht die Regelung den sog. Eigenkapital-Escape (EK-Escape) für konzernzugehörige Betriebe vor. Danach kommt die Zinsschranke nicht zur Anwendung, wenn die Eigenkapitalquote des Betriebs am Ende des vorangegangenen Abschlussstichtages nicht niedriger als die des Konzerns ist (wobei ein unwesentliches Unterschreiten um bis zu 2 Prozentpunkte toleriert wird).

Neben den aufgrund der ATAD-Richtlinie der EU zwingend erforderlichen Änderungen werden nach dem Gesetzentwurf weitere Korrekturen hinsichtlich des Zinsvortrags und des EBITDA-Vortrags vorgenommen. Die Änderungen sind erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem Tag des Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestags beginnen und nicht vor dem 01.01.2024 enden (§ 52 Abs. 8b EStG -E).

Insbesondere folgende Änderungen sind vorgesehen:

  • Der Zinssaldo eines Betriebs, also die Differenz von Zinsaufwendungen und Zinserträgen soll zukünftig als "Nettozinsaufwendungen" definiert werden (§ 4h Abs.1 Satz 3 EStG -E). Klarstellend soll zudem geregelt werden, dass ein EBITDA-Vortrag nicht in Wirtschaftsjahren entsteht, in denen die Zinsaufwendungen die Zinserträge eines Betriebs nicht übersteigen.
  • Ausnahmen der Zinsschranke sollen nicht anwendbar sein, soweit Zinsaufwendungen in einem Wirtschaftsjahr durch einen Zinsvortrag erhöht wurden (§ 4h Abs. 1 Satz 7 EStG -E).
  • Die Stand-alone-Klausel wird an die Vorgaben der ATAD angepasst (§ 4h Absatz 2 Satz 1 Buchst. b EStG -E). Der Gesetzeswortlaut soll nicht mehr auf eine Konzernzugehörigkeit auf Basis von Konsolidierungsvorschriften abstellen, sondern der Steuerpflichtige soll zukünftig keiner Person i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG nahestehen dürfen, damit die Ausnahme Anwendung findet. Zudem darf der Steuerpflichtige keine Betriebsstätte in einem Staat haben, in dem sich nicht sein Wohnsitz, gewöhnlicher Aufenthalt, Sitz oder seine Geschäftsleitung befindet.
  • Der Begriff der Zinsaufwendungen soll an die ATAD angepasst und erweitert werden (§ 4h Absatz 3 Satz 2 EStG -E). Zinsaufwendungen im Sinne der Zinsschranke sollen zukünftig auch mit Vergütungen für Fremdkapital wirtschaftlich gleichwertige Aufwendungen und sonstige Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beschaffung von Fremdkapital darstellen. Gleichzeitig wird der Begriff der Zinserträge erweitert (Satz 3).
  • Nach dem neuen § 4h Absatz 3 Satz 4 EStG -E (bisher Satz 5) gehört ein Betrieb nur noch dann zu einem Konzern, wenn er nach dem zugrunde gelegten Rechnungslegungsstandard mit einem oder mehreren anderen Betrieben konsolidiert wird. Die bisherige Einbeziehung auch solcher Betriebe, die mit einem oder mehreren anderen Betrieben konsolidiert werden könnten, entspricht nicht dem ATAD-Mindeststandard und wird daher gestrichen. Für die Einbeziehung eines Betriebs in den für den EK-Escape maßgeblichen Konzernbegriff bereits dann, wenn seine Finanz- und Geschäftspolitik mit einem oder mehreren anderen Betrieben einheitlich bestimmt werden kann, gilt das gleiche (bisher Satz 6).
  • Zukünftig sollen EBITDA-Vorträge und Zinsvorträge nicht nur bei der Übertragung oder Aufgabe von Betrieben, sondern auch bei der Übertragung oder Aufgabe von Teilbetrieben untergehen (§ 4h Absatz 5 Satz 4 EStG -E).
  • Zinsaufwendungen für bestimmte langfristige öffentliche Infrastrukturprojekte sollen unter bestimmten Voraussetzungen nicht unter die Zinsschranke fallen (§ 4h Absatz 6 EStG -E). Die Möglichkeit einer solchen Ausnahme ist auch in der ATAD-Richtlinie vorgesehen.

Darüber hinaus sind Gestaltungen bekannt geworden, bei denen gezielt mehrere Tochterkapitalgesellschaften gegründet wurden, um die Freigrenze für jede dieser Tochtergesellschaften als eigenständigen Betrieb im Sinne der Zinsschranke und damit mehrfach in Anspruch zu nehmen. Diese Gestaltungen sollen durch die Einführung einer Anti-Fragmentierungsregelung (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchs.a und b EStG -E) verhindert werden. Infolge der wichtigen Neuregelung werden gleichartige Betriebe, die unter einer einheitlichen Leitung stehen, zusammengefasst, sodass die Freigrenze nur einmal genutzt werden kann und auf diese Betriebe entsprechend dem Verhältnis der Nettozinsaufwendungen aufzuteilen ist.

Tipp: Gestrichen worden sind im Regierungsentwurf die noch in der alten Fassung vorgesehenen Verbesserungen: Insbesondere sollte die Konzernbezogenheit der Zinsschranke eigentlich aufgegeben werden. Als Ausgleich für die von der ATAD vorgegebene Verschärfung der Zinsschranke sollte zudem die Freigrenze in einen Freibetrag in Höhe von 3 Mio.€ umgewandelt werden.

 

2. Zinshöhenschranke

Mit einer neuen Vorschrift in 4l EStG soll ab 2024 der Betriebsausgabenabzug für Zinsen zusätzlich beschränkt werden. Die Einführung der Zinshöhenschranke ist ein Vorhaben der Ampelkoalition, das nach dem Koalitionsvertrag der Vermeidung ungewünschter Steuergestaltungen dienen soll.

Die wesentlichen Regelungen enthält 4l Abs. 1 EStG -E: Zinsaufwendungen sind danach grundsätzlich nicht abziehbar, soweit diese auf einem über dem Höchstsatz liegenden Zinssatz beruhen. Höchstsatz ist der um zwei Prozentpunkte erhöhte Basiszinssatz nach § 247 BGB (aktuell 3,12 % + 2 % = 5,12 %). Sofern der Steuerpflichtige nachweisen kann, dass sowohl der Gläubiger als auch die oberste Muttergesellschaft (unter sonst gleichen Bedingungen) sich nur zu einem darüber liegenden Zinssatz refinanzieren können, gilt dieser als Höchstsatz. Daneben sollen die den Höchstsatz übersteigenden Zinsen weiterhin abzugsfähig sein, wenn der Gläubiger im Sitzstaat einer wesentlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht und mit diesem Staat ein Informationsaustausch stattfindet. Die Zinshöhenschranke soll nur auf Zinsaufwendungen aufgrund einer Geschäftsbeziehung zwischen nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG Anwendung finden.

Da der Höchstsatz aufgrund der halbjährigen Anpassung des Basiszinssatzes gem. § 247 BGB dynamisch ist, soll der Steuerpflichtige bei einer Reduktion des Basiszinssatzes von der Zinshöhenschranke betroffene Finanzierungsbeziehungen anpassen. Dafür wird jedoch den Steuerpflichtigen eine gewisse Reaktionszeit gewährt. Gem. § 4l Abs. 2 EStG -E findet die Zinshöhenschranke bei einer Anpassung des Basiszinssatzes erst nach Ablauf eines Monats Anwendung.

Die Zinshöhenschranke soll erstmals für Zinsaufwendungen Anwendung finden, die nach dem 31.12.2023 entstehen (§ 52 Absatz 8e EStG -E).

Die Regelung ist eine Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH zu grenzüberschreitenden Darlehensbeziehungen unter verbundenen Unternehmen. Nach dieser wird zur Bestimmung des angemessenen Zinses allein auf die Finanzkraft der (inländischen) Schuldnerin abgestellt, so dass sich Gestaltungsspielräume unter Einbeziehung niedrig besteuerter ausländischer, verbundener Gesellschaften ergeben. Zwecks Vereinbarkeit mit dem Europarecht soll die Abzugsbeschränkung jedoch auch für rein inländische Sachverhalte gelten.

Tipp: In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf hat der Bundesrat gefordert, auf die Einführung der Zinshöhenschranke zu verzichten und stattdessen eine weitergehende Übernahme der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien zu Finanzierungsbeziehungen vorgeschlagen. Mit den 2021 vorgenommenen Gesetzesänderungen im Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz und im ATAD-Umsetzungsgesetz sei zwar eine Anpassung der Korrekturnorm für Verrechnungspreisvereinbarungen zwischen international verbundenen Unternehmen auf der Basis der internationalen Entwicklungen, insbesondere des BEPS-Projekts der OECD und den darauf beruhenden OECD-Verrechnungspreisleitlinien erfolgt.

 

Nicht geregelt seien allerdings weiterhin die Bereiche der Finanztransaktionen, die ihre praktische Umsetzung im Kapitel 10 der OECD-Verrechnungspreisleitlinien vom Februar 2020 gefunden haben. Dabei gehe es insbesondere um den für Bereich der Verrechnungspreisgestaltung und -prüfung. Zur Lösung werden Regelungen in § 1 Absatz 3d AStG -E zu Finanzierungsbeziehungen und in § 1 Abs.3e AStG -E zu Finanzierungsdienstleistungen vorgeschlagen (Bundesrats-Drucksache 433/23 (Beschluss). Es bleibt abzuwarten, ob die Bundesregierung diese Vorschläge aufgreift.

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