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Keine Bagatellgrenze bei Abfärberegelung?

Wann werden nicht gewerbliche Einkünfte nach der Abfärbetheorie in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umqualifiziert? Das FG Baden-Württemberg hat entschieden, dass die Abfärberegelung bei Einkünften aus Beteiligungen an einer gewerblichen Gesellschaft ohne Bagatellgrenze greift. Bei Beteiligungen können demnach auch äußerst geringe gewerbliche Einnahmen zu einer Umqualifizierung von Einkünften führen.

Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 22.04.2016 entschieden, dass die Abfärberegelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Alternative 2 EStG bei Einkünften aus einer Beteiligung einer gewerblich tätigen Gesellschaft im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ohne eine Bagatellgrenze zur Anwendung gelangt. Nach Ansicht des FG Baden-Württemberg werden somit alle nicht gewerblichen Einkünfte einer Gesellschaft umqualifiziert - unabhängig von der Höhe der Einkünfte aus der Beteiligung an einer gewerblich tätigen Gesellschaft.

Im entschiedenen Fall hatte eine vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft ursprünglich lediglich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen erzielt und beteiligte sich ab dem Jahr 2008 zu 7 % bzw. 2,52 % an einem Flugzeugleasingfonds. Die Einkünfte dieses Fonds wurden für die KG im Rahmen der sog. „Abfärberegelung“ nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 als Beteiligte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gesondert und einheitlich festgestellt. Dies führte zu einer Umqualifikation der übrigen Einkünfte der KG als solche aus Gewerbebetrieb.

Ab dem Jahr 2011 befand sich der Fonds in der Liquidationsphase. Da der Fonds seit dieser Zeit lediglich Bagatellverluste erzielte, ging die Kommanditgesellschaft davon aus, dass kein Gewerbebetrieb mehr vorlag, und hielt die Anwendung der Abfärberegelung für unverhältnismäßig. Das FG Baden-Württemberg bestätigte jedoch die Auffassung des Finanzamts und hielt die Klage für unbegründet.

Gesonderte und einheitliche Feststellung ist bindend

Im konkreten Fall wurden im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen die Einkünfte der Fondsgesellschaft als Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt. Die Feststellung war als Grundlagenbescheid nach § 182 Abs. 1 Satz 1 bindend für die Feststellung der Einkünfte der Klägerin. Etwaige Einwendungen wie beispielsweise gegen die Qualifikation als Einkünfte aus Gewerbetrieb hätten somit bereits im Verfahren gegen den Grundlagenbescheid geltend gemacht werden müssen.

Keine Ausnahme der Abfärbewirkung des § 15 Abs. 3 Nr. 1

Das Finanzgericht betonte, dass grundsätzlich sowohl für den Fall einer Mitausübung einer gewerblichen Tätigkeit durch die Gesellschaft (Alternative 1) als auch für den Fall der Beteiligung an einer gewerblich tätigen Gesellschaft (Alternative 2) keine Ausnahme von der Anwendung der Abfärberegelung vorgesehen ist. Die Finanzverwaltung und die gefestigte Rechtsprechung des BFH gehen jedoch bei äußerst geringen Umsätzen im Rahmen der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit von 3 % der Gesamtnettoumsatzerlöse der Gesellschaft von einer untergeordneten Bedeutung der gewerblichen Tätigkeit aus und qualifizieren diese Umsätze der Gesellschaft nicht um.

Keine Bagatellgrenze bei Einkünften aus einer gewerblichen Beteiligung

Das FG Baden-Württemberg hält eine Übertragung dieser Bagatellgrenze für Einkünfte aus gewerblichen Beteiligungen für nicht erforderlich. Eine solche Ungleichbehandlung lasse sich insbesondere aus einem höheren Verwaltungsaufwand und dem Verhältnis von Grundlagen zu Folgebescheid rechtfertigen. Dabei führt das Finanzgericht abschließend aus, dass die Abfärberegelung gerade durch die gesellschaftsrechtliche Gründung einer personenidentischen Schwestergesellschaft, die die Beteiligung halte, durch das sogenannte „Ausgliederungsmodell“ vermieden werden könne.

Praxishinweis

Das FG Baden-Württemberg verneint zwar eine Bagatellgrenze für die Abfärbung von Einkünften aus gewerblichen Beteiligungen. Es gibt jedoch auch Hinweise dazu, wie sich eine Umqualifizierung vermeiden lässt.

Auf der ersten Ebene, also bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus der Beteiligung, sollte sich der Steuerpflichtige u.U. bereits gegen eine Qualifizierung der Einkünfte als solche aus Gewerbetrieb wehren. Bei der Feststellung der Einkünfte ist die Qualifikation als Einkünfte aus Gewerbebetrieb für Folgebescheide bindend. Darüber hinaus sollten Steuerpflichtige bereits vor der Beteiligung an einer gewerblich tätigen Gesellschaft überlegen, eine Infizierung durch die Gründung einer personenidentischen Schwestergesellschaft zu umgehen.

Das FG Baden-Württemberg geht in seiner Urteilsbegründung darauf ein, dass andere Ansichten zur Übertragung einer Bagatellgrenze bestehen und dieser Fall noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde. Daher wurde die Revision zugelassen.

FG Baden-Württemberg, Urt. v. 22.04.2016 - 13 K 3651/13

Quelle: Dipl.-Volkswirt Volker Küpper