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Wann gelten Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung?

Der BFH hat seine Rechtsprechung zur Frage, wann die Kosten eines Gerichtsprozesses als außergewöhnliche Belastung (agB) anerkannt werden, erneut geändert. Aufwendungen für einen Zivilprozess, mit dem Schmerzensgeld nach einem ärztlichen Behandlungsfehler geltend gemacht wird, sind danach nicht abzugsfähig. Bei einem nur teilweisen Abzug sind die Streitwerte der Klageanträge entscheidend.

Der BFH hat mit Urteil vom 17.12.2015 Stellung zur Geltendmachung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung genommen. Hinzu kommen noch zwei weitere aktuelle Urteile jeweils vom 19.11.2015 und vom 20.01.2016, die nicht zur Veröffentlichung vorgesehen sind.

Die Rechtsprechung des BFH zu Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung

Mit seiner Entscheidung vom 12.05.2011 hatte der BFH seine langjährige, restriktive Rechtsprechungslinie hinsichtlich der Geltendmachung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung aufgegeben. Nach den Grundsätzen dieses Urteils konnten Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten hat und nicht mutwillig erschien. Mit Urteil vom 18.06.2015 – VI R 17/14 kehrte der BFH dann zu seiner Rechtsauffassung vor dem Urteil vom 12.05.2011 zurück.

Hiernach sind die Kosten eines Zivilprozesses nur noch ausnahmsweise dann abzugsfähig, wenn ein Rechtsstreit einen für den Steuerpflichtigen existentiell wichtigen Bereich oder den Kernbereich menschlichen Lebens berührt. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber ab dem Jahr 2013 den maßgeblichen § 33 EStG im Rahmen des Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetzes erweitert. Hier wurde ebenfalls der Abzug von Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen, wenn weder die Existenzgrundlage noch lebensnotwendige Bedürfnisse in dem Prozess verteidigt wurden.

Keine außergewöhnliche Belastung bei immateriellen Schäden

Im aktuellen Urteil vom 17.12.2015 ging es um die Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung zur Geltendmachung von Schmerzensgeld aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers. Die Ehefrau des Klägers war an Krebs erkrankt, woran sie verstarb. Nach ihrem Ableben verklagte der Steuerpflichtige den behandelnden Arzt wegen eines Kunstfehlers auf Schmerzensgeld. Die Prozesskosten wurden jedoch vom Finanzamt nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Das angerufene Finanzgericht Düsseldorf entschied mit Urteil vom 23.09.2013 zugunsten des Klägers, wobei sich das Urteil noch auf die Rechtsprechungsgrundsätze nach dem BFH-Urteil vom 12.05.2011 gestützt hat.

Der BFH sah in der Geltendmachung von Schmerzensgeld keine Berührung des Kernbereichs menschlichen Lebens – diese Ansprüche sind zwar von erheblicher wirtschaftlicher, nicht aber von existentieller Bedeutung.

Materieller Schadenersatz kann existentiell sein

Nach den Ausführungen des BFH kann jedoch die Geltendmachung eines materiellen Schadenersatzes den existentiellen Bereich berühren, und somit sind entsprechende Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend zu machen. Im Rahmen der geltend gemachten Ansprüche ist dann der abziehbare Teil der Kosten auf Basis der Streitwerte der einzelnen Klageanträge zu ermitteln (BFH, Urt. v. 27.08.2008). Im vorliegenden Fall war dies jedoch für den Kläger unbeachtlich, da insbesondere aufgrund der Opfergrenze gem. § 33 Abs. 3 EStG i.H.v. 4 % des Gesamtbetrags der Einkünfte die anteiligen Kosten für die Geltendmachung der materiellen Schäden nicht abzugsfähig gewesen wären.

Weitere Urteile zu Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung

Im Revisionsurteil des BFH vom 20.01.2015 war das Finanzgericht bei seiner Urteilsfindung noch von den Kriterien des BFH-Urteils vom 12.05.2011 ausgegangen. Daher hat der BFH die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen.

In einem weiteren BFH-Urteil vom 19.11.2015 hatte der Kläger bei der Gestaltung des zugrundeliegenden Vertrags, der zum Streitgegenstand eines Prozesses wurde, auf Sicherungsmöglichkeiten verzichtet. Dieses Selbstverschulden stand laut BFH einer Geltendmachung der Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen entgegen. Auch die Baumängel, um die es im Prozess ging, sah der BFH im Ergebnis nicht als Begründung für eine existentiell bedrohliche Lage an.

Praxishinweis

Die Rückkehr des BFH zu seiner vorhergehenden Rechtsprechung führt derzeit dazu, dass dem BFH vermehrt Finanzgerichtsentscheidungen vorgelegt werden, die mit Blick auf die Grundsätze des Urteils vom 12.05.2011 getroffen wurden. Der Grundsatz, dass Kosten eines Zivilprozesses keine außergewöhnlichen Belastungen sind, ist jedoch keine starre Regel. Die Vielfalt der prozessualen Gestaltungen erfordert eine Berücksichtigung des jeweiligen Streitgegenstands und der Ursachen des Streits.

Insoweit können die Kriterien der früheren BFH-Rechtsprechung bei der Beurteilung von Fällen nach der neuen Gesetzeslage ab 2013 herangezogen werden. Hier dürften sich Gesetzesaussage und die derzeit (wieder) vertretene Rechtsprechungslinie weitestgehend im Gleichlauf befinden. Sollte die Existenzgrundlage oder sollten lebensnotwendige Bedürfnisse der Grund für den Prozess gewesen sein, stehen die Chancen gut, dass die Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.

BFH, Urt. v. 17.12.2015 - VI R 7/14
BFH, Urt. v. 19.11.2015 - VI R 38/14, n.v.
BFH, Urt. v. 20.01.2016 - VI R 40/13, n.v.
BFH, Urt. v. 12.05.2011 - VI R 42/10, BStBl 2011 II 1015
BFH, Urt. v. 18.06.2015 - VI R 17/14
BFH, Urt. v. 27.08.2008 - III R 50/06

Quelle: StB, Diplom-Wirtschaftsjurist Thorsten Wagemann