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Außergewöhnliche Belastungen: Vorauszahlung bei Arztkosten

Wann sind Vorauszahlungen bei einer Zahnbehandlung als außergewöhnliche Belastungen absetzbar? Mit dieser Frage hat sich jetzt das FG München näher beschäftigt. Demnach kann eine Vorauszahlung der gesamten Kosten einer längeren Zahnbehandlung einen Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO) darstellen, wenn keine hinreichenden außersteuerrechtlichen Gründe hierfür erkennbar sind.

Zum Sachverhalt

Ein Steuerpflichtiger machte im Jahre 2009 vorausbezahlte Kosten einer Zahnbehandlung in Höhe von 45.000 € in seiner Einkommensteuererklärung  geltend. Die Aufwendungen hatte er aufgrund einer Festpreisvereinbarung und Vorauszahlungsrechnungen seines Zahnarztes im Jahre 2009 geleistet.

Das Finanzamt lehnte den Abzug als außergewöhnliche Belastung wegen Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO ab. Lediglich für tatsächlich durchgeführte krankheitsbedingte Aufwendungen ließ es den Abzug zu.

Der Steuerpflichtige legte unter Verweis auf das Abflussprinzip nach § 11 Abs. 2 EStG Einspruch gegen den Steuerbescheid 2009 ein und wehrte sich gegen die Abgrenzung von Kosten nach dem Entstehungsprinzip. Auch der  Einspruch wurde zurückgewiesen. Daraufhin erhob der Steuerpflichtige Klage und beantragte für 2009 weiterhin den Abzug von 45.000 € Krankheitskostenvorauszahlungen. Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen.

Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten

Der Senat sah in der Geltendmachung dieser Krankheitskostenvorauszahlung einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Krankheitskosten werden nach ständiger Rechtsprechung des BFH ohne Rücksicht auf Art und Ursache der Erkrankung als zwangläufig i.S.v. § 33 EStG ohne weitere Prüfung anerkannt. Aufwendungen für Zahnprothesen und Zahnimplantate zählen zu den Krankheitskosten. Damit sind sie als außergewöhnliche Belastung grundsätzlich im Jahr der Verausgabung abzugsfähig.

Jedoch kann im Jahr des Zahlungsabflusses nach der Rechtsprechung des BFH der Steuerabzug dann nicht vorgenommen werden, wenn Kosten ohne wirtschaftlich vernünftige - außersteuerliche - Gründe vorausgezahlt werden. In einem solchen Vorauszahlungsfall liegt ein Missbrauch nach § 42 Abs. 2 AO vor, weil diese konkrete Durchführung - im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung - zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt.

Zudem konnte der Steuerpflichtige keine wirtschaftlich vernünftigen außersteuerlichen Gründe für die Vorauszahlung der gesamten Behandlungskosten anführen. Zwei Jahre später war die Behandlung  immer noch nicht abgeschlossen. Noch nicht einmal die kostenintensiven prothetischen Maßnahmen waren im März 2011 erbracht.

Wie ist die Rechtslage bei einer Festpreisvereinbarung?

Nach den Erläuterungen des Senats können generell in einer Festpreisvereinbarung hinreichend wirtschaftlich vernünftige Gründe gegeben sein. Diese liegen dann vor, wenn sich das genaue Ausmaß der Behandlung bei Abschluss der Vereinbarung noch nicht mit hinreichender Sicherheit absehen lässt.

Diese Ausnahmevoraussetzung liegt im Streitfall aber nicht vor, da die Festpreisvereinbarung nicht datiert ist und kein Hinweis auf einen Festpreis aus den „Vorauszahlungsrechnungen“ von 2009 hervorgeht. Im Gegenteil ist dort nur von „Abschlagszahlungen für Chirurgie“ und „Vorauszahlungen für Zahnersatz“ die Rede.

Auch ist der vom Kläger angeführte „Festpreis mit Vertrauens-Garantie“ rechtlich keine Festpreisvereinbarung, denn der genannte Preis kann aufgrund des „Kleingedruckten im Behandlungsvertrag“ erhöht werden, weil sich die genannte Berechnung  nach dem derzeitigen Befund richtet. Ein anderer Befund könnte also die Berechnungsgrundlage wieder ändern.

Steuerliche Gestaltungsgründe maßgebend

Laut Senat wollte der  Steuerpflichtige mit seiner Vorgehensweise im Streitjahr einen maximalen Steuervorteil erzielen, was von ihm auch eingeräumt wurde. In 2009 erhielt er eine Abfindung in Höhe von 250.000 €, wodurch eine hohe Steuerprogression bestand. Eine Steuergestaltung (Vorauszahlungen von Krankheitskosten), die allein der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftlich beachtliche außersteuerliche Gründe nicht gerechtfertigt werden kann, ist nach ständiger Rechtsprechung unangemessen und missbräuchlich.

Praxishinweis

Steuerpflichtige sollten im Hinblick auf besondere „Steueroptimierungen“ stets daran denken, dass unangemessen erscheinende Gestaltungen, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führen, vom Finanzamt immer unter dem Blickwinkel des § 42 AO (Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten) geprüft werden.

Das gilt aber dann nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind. Diese außersteuerlichen Gründe sollten immer auch vom Finanzamt nachvollziehbar und nicht bar aller Lebenserfahrung sein.

FG München, Urt. v. 12.05.2014 - 7 K 3486/11

Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt Horst Schirrmann