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Umsatzsteuer -

Umkehr der Steuerschuld: Korrektur einer rechtswidrigen Besteuerung

Welche Folgen hat es, wenn ein Bauträger die bezogene Leistung besteuert, weil er rechtsirrig glaubt, als Leistungsempfänger Steuerschuldner zu sein? Der BFH hat entschieden, dass das Entfallen der rechtswidrigen Besteuerung uneingeschränkt geltend gemacht werden kann. Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung für das Reverse-Charge-Verfahren in der Baubranche, da der BFH damit dem BMF widerspricht.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 27.09.2018 entschieden, dass ein Bauträger, der rechtsirrig davon ausgeht, als Leistungsempfänger Steuerschuldner für von ihm bezogene Bauleistungen zu sein, das Entfallen einer solchen rechtswidrigen Besteuerung ohne Einschränkung geltend machen kann. Mit diesem Urteil widerspricht der BFH dabei explizit einer Verwaltungsanweisung des Bundesministeriums der Finanzen.

Im aktuellen Fall errichtete ein Bauträger Gebäude und veräußerte diese überwiegend an Dritte. Die Umsätze daraus waren gem. § 4 Nr. 9 UStG steuerbefreit. In geringem Umfang wurden die errichteten Gebäude steuerfrei vermietet.

Für die Errichtung der Gebäude bezog das Unternehmen Bauleistungen im Inland, ging übereinstimmend mit den leistenden Unternehmen davon aus, dass man als Leistungsempfänger Steuerschuldner sei, und erhielt Nettorechnungen. In den jeweiligen Steuererklärungen wurde die Steuer entsprechend nach § 13b UStG deklariert.

Das Finanzamt (FA) erließ daraufhin Umsatzsteuerbescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung (VdN). Nachdem das FA den VdN aufgehoben hatte, legte das Unternehmen Einspruch ein und brachte vor, nicht Steuerschuldner zu sein. Nach erfolglosem Einspruch und teilweise erfolgreicher Klage vor dem Finanzgericht München bestätigte auch der in Revision angerufene BFH die Sichtweise des Bauträgers.

Reverse-Charge-Verfahren bei Bauleistungen

Grundsätzlich ist der Unternehmer, der eine Leistung erbringt, Schuldner der Umsatzsteuer. Ausnahmsweise wird nach § 13b UStG der Leistungsempfänger Schuldner der Umsatzsteuer. Der Leistungsempfänger ist dann anstelle des leistenden Unternehmers verpflichtet, die Umsatzsteuer an das FA abzuführen.

Dabei darf der leistende Unternehmer beim Wechsel der Steuerschuldnerschaft in seiner Rechnung keine Umsatzsteuer ausweisen. Dieses Reverse-Charge-Verfahren findet u.a. bei Bauleistungen Anwendungen. Von einem bauleistenden Unternehmer ist immer dann auszugehen, wenn er nachhaltig Bauleistungen erbringt, d.h., wenn er zumindest 10 % seines gesamten Umsatzes als Bauleistungen erbringt.

Rechtswidrige Anwendungen des Reverse-Charge-Verfahrens

Ist der Bauträger aufgrund einer rechtsirrigen Annahme davon ausgegangen, als Leistungsempfänger Steuerschuldner zu sein, so kann dieser das Entfallen der rechtswidrigen Besteuerung nach den verfahrensrechtlichen Vorschriften geltend machen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er einen gegen ihn gerichteten Nachforderungsanspruch des leistenden Unternehmers erfüllt oder ob die Möglichkeit einer Aufrechnung besteht.

BFH widerspricht der Verwaltungsauffassung

Der Anspruch auf Änderung einer rechtswidrigen Steuerfestsetzung hängt nicht von einer bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit des FA ab, denn Festsetzungs- und Erhebungsverfahren sind voneinander zu trennen.

Zur Verhinderung von Steuerausfällen hatte die Finanzverwaltung bislang von Leistungsempfängern beantragte Umsatzsteuererstattungen nur gewährt, soweit die Leistungsempfänger die nachträgliche Zahlung der fraglichen Umsatzsteuer an den leistenden Unternehmer nachweisen konnten oder wenn mit abgetretenen (zivilrechtlichen) Forderungen aufgerechnet werden konnte. Darüber hinaus wurden Umsatzsteuererstattungen abgelehnt.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BFH betrifft nahezu die gesamte Bauträgerbranche, die in der Vergangenheit Wohnungen ohne Vorsteuerabzug errichtet und umsatzsteuerfrei verkauft hat. Die Finanzverwaltung ist hier davon ausgegangen, dass diese Bauträger Steuerschuldner für die von ihnen bezogenen Bauleistungen seien. Der BFH hat nun klargestellt, dass der Anspruch auf Änderung der rechtswidrigen Steuerfestsetzung nicht von einer für das Finanzamt bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit abhängt. Betroffene Steuerpflichtige sollten die Rechtsprechung des BFH in allen noch offenen Fällen berücksichtigen.

BFH, Urt. v. 27.09.2018 - V R 49/17

Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper