Neue Rechtsprechung zur Absetzung bei Bebauung eines Ehegattengrundstücks

Neue Rechtsprechung zu AfA: Bebaut ein Unternehmer ein betrieblich genutztes Grundstück, das ihm zusammen mit seinem Ehegatten gehört, sind Wertsteigerungen der Grundstückshälfte, die dem Ehegatten gehörende Grundstückshälfte nicht einkommensteuerpflichtig.

 

Tenor des BFH-Urteils

  1. Errichtet der Unternehmer-Ehegatte mit eigenen Mitteln ein Gebäude auf einem auch dem Nichtunternehmer-Ehegatten gehörenden Grundstück, wird der Nichtunternehmer-Ehegatte – sofern keine abweichenden Vereinbarungen zwischen den Eheleuten getroffen werden – sowohl zivilrechtlicher als auch wirtschaftlicher Eigentümer des auf seinen Miteigentumsanteil entfallenden Gebäudeteils. Dieser Gebäudeteil gehört zu seinem Privatvermögen.
  2.  

  3. Die vom Unternehmer-Ehegatten für die typisierte Verteilung seines eigenen Aufwands gebildete Bilanzposition kann nicht Sitz stiller Reserven sein.
    Daraus folgt zum einen, dass dem Unternehmer-Ehegatten Wertsteigerungen, die bei dem im Privatvermögen des Nichtunternehmer-Ehegatten befindlichen Gebäudeteil eingetreten sind, ertragsteuerrechtlich nicht zugerechnet werden können.
  4.  

  5. Auf der anderen Seite kann der Unternehmer-Ehegatte in dieser Bilanzposition nicht dadurch stille Reserven bilden, dass er hierauf ertragsteuerrechtliche Subventionsvorschriften anwendet, die der Gesetzgeber nur für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, nicht aber für Wirtschaftsgüter des Privatvermögens vorgesehen hat (Fortführung BFH, Urt. v. 19.12.2012 – IV R 29/09, BFHE 240, 83, BStBl II 2013, 387).
  6.  

  7. Übertragen in derartigen Fällen sowohl der Unternehmer-Ehegatte den Betrieb als auch beide Eheleute ihre Miteigentumsanteile an dem Grundstück samt Gebäude unentgeltlich auf einen Dritten, kann dieser den Miteigentumsanteil des Nichtunternehmer-Ehegatten zum Teilwert in seinen Betrieb einlegen und von diesem Wert AfA vornehmen.

Der vorliegende Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Fall hatte der Vater des Klägers schon in den 1960er Jahren mehrere Betriebsgebäude auf Grundstücken errichtet, die zur Hälfte auch der Mutter des Klägers gehörten. Er nahm AfA auf seine Baukosten vor.

Im Jahr 1993 übertrug der Vater den Betrieb unentgeltlich auf den gemeinsamen Sohn (den Kläger). Gleichzeitig übertrugen der Vater und die Mutter die betrieblich genutzten Grundstücke ebenfalls unentgeltlich auf den Kläger.

Soweit es um die Übertragung von Wirtschaftsgütern ging, die dem Vater gehörten, muss der Kläger die Buchwerte aus den Bilanzen des Vaters fortführen (heute § 6 Abs. 3 EStG).

Umstritten: Behandlung von geschenkten Gebäudeteilen

Umstritten war hingegen die Behandlung der Gebäudeteile, die zivilrechtlich der Mutter gehörten. Der Kläger sah in der Schenkung dieser Gebäudeteile eine Einlage in seinen Betrieb.

Diese Einlage bewertete er mit dem aktuellen Teilwert der Gebäudeteile. Da der Teilwert erheblich höher war als der Restbuchwert des Bilanzpostens, der in den Bilanzen des Vaters verblieben war, eröffnete dies dem Kläger die Möglichkeit zur Vornahme erneuter hoher AfA-Beträge auf die von seinem Vater in der Vergangenheit schon nahezu abgeschriebenen Gebäudeteile.
 

BFH bestätigt: Doppelte Abschreibung ist möglich

Diese rechtliche Beurteilung hat der BFH nunmehr bestätigt. Dies hat zur Folge, dass in derartigen Fällen im Ergebnis eine doppelte Abschreibung möglich ist, obwohl die Baukosten nur einmal anfallen.

Allerdings hat der BFH im Gegenzug klargestellt, dass für den Bilanzposten, der den eigenen Bauaufwand des Unternehmers für die Gebäudeteile des anderen Ehegatten verkörpert, keine Steuersubventionen in Anspruch genommen werden können, die vom Gesetzgeber nur für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens gewährt werden. Dies wurde in der Praxis bisher anders gehandhabt, wodurch die Buchwerte dieser Bilanzposition zusätzlich gemindert werden konnten.


Hinweis aus der Redaktion

In der vorliegenden Entscheidung stellt der BFH Grundsätze auf, die von der ertragsteuerrechtlichen Beurteilung von Aufwendungen für die Errichtung betrieblich genutzter Gebäude(teile) auf Grundstücken, die dem Betriebsinhaber nicht alleine gehören, insbesondere zu den bei Beendigung der betrieblichen Nutzung zu ziehenden Rechtsfolgen abweichen. Die Finanzverwaltung nahm hinsichtlich dieses Bilanzpostens eine weitest gehende Gleichstellung mit Gebäuden vor und gewährte den Steuerpflichtigen daher sowohl die Gebäude-AfA nach § 7 Abs. 4, 5 EStG als auch die für Gebäude geltenden erhöhten Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie die Möglichkeit der Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG und der Inanspruchnahme von Investitionszulagen (BMF-Schreiben v. 03.05.1985, BStBl I 1985, 188).


Der Große Senat (BFH, Beschl., BStBl II 1995, 281) hatte entschieden, dass der Unternehmer-Ehegatte seinen im betrieblichen Interesse getragenen eigenen Aufwand auf das fremde Wirtschaftsgut zur Wahrung des objektiven Nettoprinzips im Wege der AfA als Betriebsausgabe abziehen kann. Dabei seien die für Gebäude geltenden AfA-Vorschriften maßgebend. Auch erhöhte Absetzungen könnten in Anspruch genommen werden. Zur Begründung hat der Große Senat ausgeführt, wenn die Nutzungsbefugnis „wie ein materielles Wirtschaftsgut“ behandelt werde, müssten sich auch die Absetzungen daran orientieren. Damit wurde zugelassen, dass in der für das „Wie-Wirtschaftsgut“ vorgesehenen Bilanzposition erhebliche stille Reserven gebildet werden konnten. Zu den Rechtsfragen, die sich bei Beendigung der Nutzungsbefugnis stellen, hat sich der Große Senat in dieser Entscheidung nicht geäußert.

In der vorliegenden Entscheidung hält der BFH es nicht mehr für zulässig, durch steuerliche Gestaltungsmaßnahmen in erheblichem Umfang stille Reserven in der Bilanzposition „Eigenaufwand auf ein fremdes Wirtschaftsgut“ zu bilden.

Die Bilanzposition „Eigenaufwand auf ein fremdes Wirtschaftsgut“ ist danach nur ein Aufwandsverteilungsposten. Dies hat auch zur Folge, dass bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses der Unternehmer keine stillen Reserven zu versteuern hat.

Der BFH verkennt nicht, dass sich aus dem Wandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Übergangsprobleme in Fällen ergeben, in denen die Steuerpflichtigen – im Einklang mit der seit Jahrzehnten bestehenden und in veröffentlichten Verwaltungsanweisungen niedergelegten Praxis der Finanzverwaltung – in der Vergangenheit in der für den eigenen Aufwand auf fremde Wirtschaftsgüter gebildeten Bilanzposition stille Reserven gebildet haben, sei es durch Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG, durch Inanspruchnahme solcher Sonderabschreibungen oder erhöhten Absetzungen, die der Gesetzgeber ausdrücklich auf Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens beschränkt hat, oder durch Inanspruchnahme der in § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG vorgesehenen besonderen AfA-Sätze für Gebäude des Betriebsvermögens.

Praxis-Auswirkungen

Aufgrund der Neuorientierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung würden sich diese stillen Reserven bei Beendigung der betrieblichen Nutzung des zum Privatvermögen des Nichtunternehmer-Ehegatten gehörenden Wirtschaftsguts steuerneutral verflüchtigen.

Ein solches Ergebnis wäre mit der Konzeption des Gesetzgebers, die genannten Vergünstigungen nur zu gewähren, wenn die dadurch gebildeten stillen Reserven steuerverstrickt bleiben, nur schwerlich vereinbar. Dem Gesetzgeber steht es nach Ansicht des BFH daher frei, für diese Fälle ggf. eine geeignete Übergangsregelung zu treffen.

Es bleibt zunächst abzuwarten, welche (Übergangs-)Regelungen die Verwaltung aus der neuen Rechtsprechung entwickelt. Wir werden Sie dazu weiter auf dem Laufenden halten.

BFH, Urteil vom 09.03.2016 – X R 46/14

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