BMF äußert sich zur Abgrenzung einer Berichtigung von einer Selbstanzeige - Hier die Infos praxisgerecht aufbereitet

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Das BMF hat nach langer Diskussion über die Abgrenzung einer Berichtigung nach § 153 AO von einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO das finale Schreiben zur Berichtigung von Steuererklärungen herausgegeben.

Hierzu wird der Anwendungserlass zur Abgabenordnung ergänzt und erstmals mit detaillierten Ausführungen zu dieser Thematik versehen. Vorausgegangen waren längere Abstimmungen mit Interessenvertretern der Verbände und der Wirtschaft. Zudem nimmt das BMF erstmalig detailliert Stellung zur Abgrenzung der Anzeige- und Berichtigungspflicht und der strafbefreienden Selbstanzeige.

Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 AO

Nach § 153 Abs. 1 AO besteht für den Steuerpflichtigen grundsätzlich eine unverzügliche Pflicht zur Berichtigung, wenn er nachträglich erkennt, dass eine bereits eingereichte Steuererklärung objektiv unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch bereits zu einer Steuerverkürzung gekommen ist oder kommen kann.

Die Anzeigepflicht besteht nach § 153 Abs. 2 AO auch dann, wenn die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung, Steuerermäßigung oder sonstige Steuervergünstigung nachträglich ganz oder teilweise wegfallen.

Das BMF weist außerdem darauf hin, dass im Fall von bereits angelaufenen Ermittlungen der Behörden in Straf- und Bußgeldsachen die Abgabe einer berichtigten Steuererklärung nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden darf, da der Steuerpflichtige sich insoweit nicht selbst belasten muss.

Abgrenzung zwischen Berichtigung und Selbstanzeige

Dass das BMF sich nun eingehend zur Abgrenzung zwischen der Berichtigung nach § 153 AO und der strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO äußert, ist im Kontext der Verschärfungen der Regelungen zur strafbefreienden Selbstanzeige ab dem 01.01.2015 im Rahmen des "Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung" vom 19.12.2014 (BGBl I 2014, 2415) zu sehen.

Die Verschärfungen bezogen sich auf längere Verjährungsfristen und auch auf erhöhte Anforderungen hinsichtlich des Umfangs der Selbstanzeige.

Die Berichtigung nach § 153 AO und die Selbstanzeige unterscheiden sich schon von ihren jeweiligen Folgen her: Die Berichtigung einer Erklärung hat lediglich die Nachversteuerung der fehlerhaften oder unterlassenen Ansätze und möglicherweise Nachzahlungszinsen zur Folge. Bei der Selbstanzeige geht es jedoch um die Erlangung von Straffreiheit.

Hierfür ist eine Berichtigung von fehlerhaften oder unterlassenen Ansätzen lediglich eine der Voraussetzungen.

Gemeinsam ist sowohl Berichtigung als auch Selbstanzeige, dass die Steuererklärung zum Zeitpunkt ihrer Abgabe objektiv unrichtig war. Objektiv unrichtig ist die Erklärung dann, wenn sie entgegen §§ 90 Abs. 1 Satz 2, 150 Abs. 2 Satz 1 AO nicht alle steuerlich erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegt.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung liegt keine Steuerhinterziehung vor, wenn der Steuerpflichtige erst im Nachhinein die Fehlerhaftigkeit der abgegebenen Erklärung erkennt und unverzüglich eine Berichtigung vornimmt. Dies gilt jedoch nur dann, wenn es in Bezug auf den Fehler sowohl an Vorsatz als auch an Leichtfertigkeit des Steuerpflichtigen fehlt.

Vorsätzliches und leichtfertiges Verhalten

Das BMF weist darauf hin, dass es nach der gültigen BFH-Rechtsprechung verschiedene Arten des Vorsatzes gibt. So liegt ein bedingter Vorsatz bereits dann vor, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält

Hier ist nicht erforderlich, dass die Tatbestandsverwirklichung angestrebt oder für sicher gehalten wird. Der mögliche Taterfolg einer Steuerverkürzung wird hierbei billigend in Kauf genommen.

Dem Steuerpflichtigen A ist unklar, ob er zur Offenlegung eines Auslandssachverhalts in Bezug auf eine ausländische Tochtergesellschaft verpflichtet ist. Der Berater wies ihn darauf hin, dass möglicherweise ein Fall der Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7, 8 AStG vorliegt.

Die Fallkonstellation ist aber so speziell, dass weder der Berater noch der Steuerpflichtige richtig durchblicken. Zudem hat das Management der ausländischen Tochtergesellschaft diese in den letzten Jahren im Chaos versinken lassen, so dass man auch nicht an Unterlagen herankommt. Es wird entschieden, den Sachverhalt "ruhen zu lassen" und in der Steuererklärung nicht weiter zu thematisieren.

Im genannten Fall könnte ein bedingter Vorsatz gegeben sein, soweit die Normen der Hinzurechnungsbesteuerung tatsächlich anwendbar sind. Zumindest hätte der Steuerpflichtige auf einen möglichen Zweifelsfall hinweisen müssen.

Hat der Steuerberater die entsprechende Steuererklärung ohne weiteren Hinweis auf den Sachverhalt erstellt, könnte sich auch noch die Frage einer Beihilfe oder Mittäterschaft seinerseits ergeben.

Leichtfertig handelt ein Steuerpflichtiger dann, wenn er in einem besonders groben Maße gegen seine Sorgfaltspflichten verstößt. Die Leichtfertigkeit gilt hierbei als eine besondere Form der Fahrlässigkeit. Denkbar wären hier etwa Fälle, in denen der Steuerpflichtige bekannte Mängel in seinem betrieblichen Rechnungswesen nicht behebt oder keine ausreichenden Kontrollen durchführt.

Werden deshalb z.B. Einnahmen nicht gebucht, kann es zu einer Steuerverkürzung kommen.

Betriebliches Kontrollsystem als Rettungsanker?

Wie dargestellt, kann ein Steuerpflichtiger nur dann wirklich sicher sein, dass eine Berichtigung nach § 153 AO keine weiteren Problematiken im Sinne einer (ggf. auch leichtfertigen) Steuerverkürzung nach sich zieht, wenn weder eine vorsätzliche noch eine leichtfertige Verantwortung für das Versäumnis vorliegt.

Nur dann, wenn ein Fehler vorliegt, der unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls weder auf einer vorsätzlichen noch leichtfertigen Handlung (auch durch Unterlassen) beruht, liegt keine Steuerstraftat oder leichtfertige Steuerverkürzung vor.

Demnach ist es also durchaus denkbar, dass Berichtigungen nach § 153 AO eventuell weitere Ermittlungen der Steuerfahndung auslösen können. Deckt diese dann noch weitere Versäumnisse auf, so kann der Weg zur strafbefreienden Selbstanzeige versperrt sein.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung lässt sich der Vorwurf eines bedingten Vorsatzes (und ggf. auch der Leichtfertigkeit) dadurch entkräften, dass ein funktionierendes internes Kontrollsystem für die steuerlichen Pflichten nachgewiesen wird.

Praxistipp: Wie ein solches innerbetriebliches Kontrollsystem im Einzelfall auszusehen hat, darüber schweigt das BMF. Grundsätzlich ist es wichtig alle relevanten Vorgänge als abgegrenzte Prozesse zu definieren, die dann wiederum kontrolliert und überwacht werden. Besondere Bedeutung kommt hierbei den Unterlagen zu, die letztlich zur Bearbeitung an den Steuerberater herausgegeben werden. Hier sollte z.B. durch Checklisten sichergestellt werden, dass diese vollständig sind und alle relevanten Sachverhalte aufgeführt wurden. Hinsichtlich der klassischen Felder des § 153 AO wie z.B. der Abgabe von geänderten Steuererklärungen für die Folgejahre sollte sichergestellt werden, dass entsprechende Prozesse möglichst zeitnah angestoßen werden. Steuerliche Zweifelsfälle sollten zumindest in einem Anschreiben neben den Steuererklärungen gegenüber dem Finanzamt thematisiert werden.

Für den Steuerberater bietet sich die Möglichkeit, aktiv an der Gestaltung eines solchen Kontrollsystems mitzuarbeiten und dem Mandanten mögliche Schwächen aufzuzeigen.

Umfang der Anzeige- und Berichtigungspflicht

Das BMF stellt klar, dass sich die Anzeige- und Berichtigungspflichten nicht nur auf Steuererklärungen, sondern auch auf alle sonstigen Anträge und Erklärungen des Steuerpflichtigen beziehen. Es besteht aber keine Verpflichtung, unaufgefordert Angaben zur Erhöhung festgesetzter Vorauszahlungen zu machen, sollten sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen erst nach einem Antrag auf Herabsetzung von Vorauszahlungen geändert haben.

Waren die Angaben, die dem Finanzamt bei der Festsetzung der Vorauszahlungen gemacht wurden, jedoch unrichtig oder unvollständig, muss berichtigt werden. Auch hier können sich Risiken ergeben, wenn z.B. nicht alle Informationen in die Beantwortung der Anfrage des Finanzamts einbezogen wurden.

Zeitpunkt der Berichtigung

Die Berichtigung muss grundsätzlich unverzüglich, demnach also ohne schuldhaftes Zögern erfolgen. Sie ist bei der örtlich und sachlich zuständigen Finanzbehörde zu einzureichen. Wird für die Aufbereitung von Unterlagen noch Zeit benötigt, so wird empfohlen, dies mit der Finanzbehörde abzustimmen.

Auch wenn eine Steuerhinterziehung vorliegt, besteht grundsätzlich eine Berichtigungspflicht nach § 153 AO. Allerdings gilt hier der Grundsatz, dass der Steuerpflichtige sich nicht selbst belasten muss. Spätestens nach erfolgter Selbstanzeige sind jedoch entsprechende Steuererklärungen, für welche die Anzeige Auswirkungen hat, zu ändern. Mit Ablauf der Festsetzungsfrist nach §§ 169 ff. AO endet die Anzeige- und Berichtigungspflicht.

Fazit

Bei einer Berichtigung nach § 153 AO muss immer auch die wesentlich weitreichendere Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige in Betracht gezogen werden. Die Selbstanzeige ist hierbei wesentlich aufwendiger und muss für ihre Wirksamkeit ggf. auch weiter zurückliegende Veranlagungszeiträume umfassen. Eine Berichtigung nach § 153 AO kann in vielen Fällen die Behörden veranlassen, den Fall näher zu prüfen. Die Grenzen zwischen Vorsatz, bedingtem Vorsatz und Leichtfertigkeit sind hier viel zu fließend, als dass mit Sicherheit weitere Ermittlungen der Finanzbehörden verneint werden könnten. Sind erst Ermittlungen angelaufen, entfalten diese Sperrwirkung für eine Selbstanzeige.

Quelle: BMF -Schreiben v. 23.05.2016 - IV A 3 - S 0324/15/10001