Häufiger Fehler bei Schenkungen: Übersehen der Genussverzichtsrechtsprechung des BGH

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Für Erbfälle seit dem 01.01.2010 gilt bei der Ermittlung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs das sogenannte Abschmelzungsmodell des § 2325 Abs. 3 BGB: Schenkungen innerhalb des ersten Jahres vor dem Erbfall werden mit dem vollen Wert, solche innerhalb jedes weiteren Jahres vor dem Erbfall mit jeweils 1/10 des Werts weniger berücksichtigt.

Sind zehn Jahre seit der Leistung des geschenkten Gegenstands verstrichen, bleibt die Schenkung unberücksichtigt.

Beispiel: Der Erblasser verschenkt eine Immobilie im Werte von 100.000 €an eines seiner Kinder. Verstirbt er innerhalb eines Jahres ab der Schenkung, wird für den Pflichtteilsergänzungsanspruch der volle Wert in Ansatz gebracht, verstirbt er im zweiten Jahr, so kommen „nur“ noch 90.000 €, im dritten Jahr 80.000 €, im vierten Jahr 70.000 € usw. in Ansatz. Überlebt der Erblasser die Schenkung um mehr als zehn Jahre, so bleibt diese – wie schon nach alter Rechtslage – vollkommen außen vor.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch errechnet sich aus der Differenz von Gesamtpflichtteil (berechnet nach dem fiktiven Nachlass) und dem ordentlichen Pflichtteil (beim enterbten Pflichtteilsberechtigten) oder einem hinterlassenen Erbteil (beim pflichtteilsberechtigten Erben).

Anders ausgedrückt: Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch kommt immer dann in Betracht, wenn der ordentliche Pflichtteil nach dem realen Nachlass hinter dem Gesamtpflichtteil nach dem Wert des fiktiven Nachlasses zurückbleibt oder wenn das einem pflichtteilsberechtigten Erben oder Vermächtnisnehmer Hinterlassene im Wert geringer ist als der zusammengerechnete Wert von ordentlichem Pflichtteil und Ergänzungspflichtteil.

Rechtsprechung des BGH

Immer wieder wird übersehen, dass nach Ansicht des BGH (BGH, Urt. v. 27.04.1994 – IV ZR 132/93, BGHZ 125, 395)  eine den Fristbeginn auslösende „Leistung“ i.S.d. § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB nur dann vorliegen kann, „wenn der Erblasser nicht nur seine Rechtsstellung als Eigentümer endgültig aufgibt, sondern auch darauf verzichtet, den verschenkten Gegenstand – sei es aufgrund vorbehaltener dinglicher Rechte oder durch Vereinbarung schuldrechtlicher Ansprüche – im Wesentlichen weiterhin zu nutzen“.

Nießbrauch

Beim Vorbehaltsnießbrauch gibt der Erblasser den „Genuss“ des verschenkten Gegenstands aber gerade nicht auf. Eine „Leistung“ gem. § 2325 Abs. 3 Satz 1 BGB des verschenkten Gegenstands liegt daher trotz Umschreibung im Grundbuch nicht vor.

Dasselbe gilt auch bei einem Wohnungsrecht, wenn dem Eigentümer keine eigenständige Nutzungsmöglichkeit verbleibt. In der Literatur ist die Sichtweise des BGH zwar umstritten, mit einer Änderung der diesbezüglichen Rechtsprechung kann aber wohl nicht gerechnet werden.

Wohnungsrecht

Ob auch der Vorbehalt eines Wohnungsrechts das Anlaufen der Abschmelzungsfrist hindert, war lange Zeit umstritten. Fraglich war, wann ein Verzicht der Nutzung „im Wesentlichen“ vorlag. Der BGH hat 2016 ( BGH, Urt. v. 29.06.2016 – IV ZR 474/15, BGHZ 211, 38.) erstmals zu dieser Frage Stellung genommen und sie für den Regelfall verneint: „Ein vorbehaltenes Wohnungsrecht steht einer ‚Leistung‘ i.S.d. § 2325 Abs. 3 BGB regelmäßig nicht entgegen“, so dass die Abschmelzungsfrist mit dem Vollzug der Schenkung zu laufen beginnt.

Gleichwohl hat der BGH in seinem Entscheidungsleitsatz betont, dass in Ausnahmefällen der Fristlauf sehr wohl gehindert sein könnte. Eine eindeutige Klarheit hat das Urteil des BGH nicht gebracht; es wurden aber einige Einzelfallkriterien herausgearbeitet, die für die Gestaltungspraxis relevant sind: Dient eine Immobilienschenkung gegen Wohnungsrechtsvorbehalt auch dem Zweck der Pflichtteilsvermeidung, sollte bei der Vertragsgestaltung darauf geachtet werden, dass sich das Wohnungsrecht nur auf Teile der Räumlichkeiten oder einzelne von mehreren Wohnungen erstreckt und die Nutzung Dritten nicht überlassen werden darf.

Das bedeutet gleichzeitig, dass in dem Fall, dass die Schenkung auch der Pflichtteilsreduzierung dienen soll, die Vereinbarung eines Wohnungsrechts bei Einfamilienhäusern oder Eigentumswohnungen von vornherein ausscheidet.

Schenkungen an den Ehegatten

Eine Ausnahme von den soeben dargestellten Grundsätzen enthält das Gesetz in § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB. Bei Schenkungen an den Ehegatten beginnt die Zehnjahresfrist nicht vor Auflösung der Ehe zu laufen. Wird die Ehe erst durch den Tod des einen Ehegatten aufgelöst, sind also alle Schenkungen ergänzungspflichtig, und zwar unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts des rechtlichen Leistungserfolgs beim beschenkten Ehegatten. Dieser kann also auch schon mehrere Jahrzehnte zurückliegen. Die Regelung des § 2325 Abs. 3 Satz 3 BGB ist verfassungsgemäß und verstößt weder gegen Art. 6 Abs. 1 noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG.1

Kerstin Löbe

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