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Steuererstattung: Verwaltungsgrundsätze bei § 37 Abs. 2 AO

Das BMF hat mit Schreiben vom 14.01.2015 die Verwaltungsgrundsätze bei einkommensteuerrechtlichen Erstattungsansprüchen gem. § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) neu festgelegt. Dabei geht es um Zahlungen, die ohne rechtlichen Grund geleistet wurden, oder bei denen dieser später weggefallen ist. Das Ministerium reagiert mit den aktuellen Vorgaben auch auf Gesetzesänderungen und die Rechtsprechung.

Aufgrund von umfangreichen Rechtsprechungsentwicklungen und Gesetzesänderungen der letzten Jahre (z.B. Reduzierung der Veranlagungsarten bei Eheleuten ab VZ 2013 - § 218 Abs. 3 AO) war eine entsprechende Verwaltungsanweisung überfällig, deshalb hat der BMF - wohl unter dem unmittelbaren Eindruck des Insolvenzrückerstattungsurteils des BFH vom 12.11.2013 und dem BFH-Beschluss v. 18.04.2013 - diesen Rechtsbereich aufgegriffen und stark systematisierend dargestellt. Das BMF-Schreiben vom 31.01.2013 wird dadurch aufgehoben.

Hauptanwendungsbereich

Im Bereich der Einkommensteuer können sich Erstattungsansprüche ergeben

  • infolge der Anrechnung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen,
  • infolge der Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen (z.B. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer),
  • bei Aufhebung oder Durchführung von Änderungs- bzw. Berichtigungsverfahrensveranlagungen.

Direkt oder entsprechend der Anwendung gilt die auch bei

  • Lebenspartnern und Lebenspartnerschaften,
  • getrennten Veranlagungen nach § 26a EStG,
  • Annexsteuern (z.B. Kirchensteuer, Solidaritätsabgabe).

Erstattungsberechtigung bei zusammenveranlagten Ehegatten und Wirkung der Erstattung

Die Auszahlung des Überschusses der Vorauszahlung wirkt nach § 36 Abs. 4 S. 2 EStG auch für und gegen den anderen Ehegatten. Das FA erspart sich dadurch Nachforschungen zur Erstattungsberechtigung der Ehegatten, denn die Eheleute haben sich durch ihre Unterschriften gegenseitig zur Erstattungsentgegennahme bevollmächtigt.

Ausnahmen von dieser gegenseitigen Berechtigungsvermutung gibt es nur dann, wenn das FA nach Aktenlage erkennen musste, dass ein Ehegatte mit dieser Regelung nicht einverstanden war. Die Widerlegung ist dann gegeben, wenn aus den Akten erkennbar ist, dass die Eheleute inzwischen geschieden sind oder getrennt leben.

Auch darf das FA von der allgemeinen Vermutung abweichen,

  • wenn es mit Abgabenrückständen eines der Ehegatten aufrechnen will oder
  • wenn Erstattungsansprüche eines der Ehegatten abgetreten, gepfändet oder verpfändet worden sind.

Tilgungsbestimmung bei Vorauszahlungen

Wenn bei Zahlungen durch einen Ehegatten keine besonderen Tilgungsbestimmungen (bzw. Anhaltspunkte dafür) vorliegen, darf das FA davon ausgehen, dass die gemeinsame Steuerschuld beglichen werden soll.

Art der Tilgungsbestimmungen

Die Tilgungsbestimmung kann ausdrücklich erfolgen bzw. aus den Umständen des Einzelfalls ersichtlich sein (z.B. eigener Name im Feld „Verwendungszweck“ einer Überweisung). Eine spätere/nachträgliche „Interpretation“ findet keine Berücksichtigung.

Insoweit bringt das BMF-Schreiben gegenüber der Verwaltungsanweisung vom 31.01.2013 nichts Neues. Neu ist jedoch die Anweisung, dass eine von einem Ehegatten im Vollstreckungsweg beigetriebene Steuerforderung nicht auf Schulden des anderen Ehegatten angerechnet werden kann. Die durch Zwangsvollstreckung beigetriebenen Steuerforderungen sind nur zugunsten des Vollstreckungsschuldners anzurechnen. Bei späteren Zahlungsanweisungen (Erstattung an den anderen Ehegatten oder an Dritte) wird das FA durch weisungsgemäße Auszahlung gegenüber dem eigentlichen Steuererstattungsgläubiger frei.

Behandlung/Bedeutung von Einkommensteuer-Vorauszahlungen

ESt-Vorauszahlung werden - unabhängig davon, welcher Ehegatte sie zahlt oder von wessen Konto sie abgebucht werden - auf die für den lfd. VZ voraussichtlich geschuldete Einkommensteuer entrichtet. Ohne Tilgungsbestimmung kann das FA davon ausgehen, dass er die gemeinsame  zu erwartende Steuerschuld tilgen will und dass die ESt-Vorauszahlung insoweit endgültig beim FA verbleiben soll und die Steuerzahlungen für die auf beide Ehegatten später anfallenden Steuerschulden bestimmt sind.

Aufteilung eines Einkommensteuer-Erstattungsanspruchs bei Ehegatten

Übersteigen die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge die geleisteten Vorauszahlungen und die sonstigen Zahlungen der Ehegatten letztlich die festgesetzte Jahressteuerschuld der Ehegatten - gleichgültig, ob  Zusammenveranlagung oder Einzelveranlagung -, hat die Aufteilung des Erstattungsanspruchs stufenweise wie folgt zu erfolgen:

  1. Ermittlung für einen Ehegatten der bei ihm anzurechnenden Steuerabzugsbeträge sowie der mit individueller Tilgungsbestimmung geleisteten Voraus- und sonstigen Zahlungen.
  2. Ermittlung aller übrigen Zahlungen, die beiden Ehegatten gemeinsam zuzurechnen sind.
  3. Die so ermittelten  Zahlungen sind dem jeweiligen Ehegatten gemäß angegebener Schemata an Hand der materiellen Erstattungsberechtigung zuzuordnen.
  4. Steuerabzugsbeträge werden dem Ehegatten zugerechnet, von dessen Einnahmen die Abzugsteuern (z.B. Lohnsteuer) einbehalten wurden.
  5. Soweit ein Ehegatte bei Zahlung eine besondere Tilgung bestimmt hat, ist nur er insoweit erstattungsberechtigt.
  6. Die Vorauszahlungen ohne Tilgungsbestimmung sind - zunächst - auf die festgesetzten Steuern beider Ehegatten anzurechnen. Ein nach Anrechnung der „gemeinsamen“ Vorauszahlungen verbleibender Überschuss ist nach Köpfen an die Ehegatten auszuzahlen. Wenn aber der Vorauszahlungsbescheid nur an einen Ehegatten erlassen wurde, erfolgt die Erstattung nur an diesen.
  7. Wenn nun die anzurechnenden Vorausleistungen die Jahresschuld übersteigen, ist nach den vorgenannten Ziffern zu verfahren, jedoch macht es dabei einen Unterschied, ob es sich um eine Zusammenveranlagung oder um eine Einzelveranlagung nach § 26a EStG handelt.  
  8. Mit zahlreichen Anwendungsbeispielen erläutert das BMF die einzelnen Zwischenschritte.  

Mit vielen Beispielen wird danach auf den „Nachzahlungsüberhang“ bei Einzelveranlagungen eingegangen.

Die Zeitfolge der Zahlungen findet keine Berücksichtigung

Bei der Zuordnung und Aufteilung von Zahlungen auf die Steuerschuld ist der jeweilige Zahlungszeitpunkt unbeachtlich. Alle bis zum Abrechnungsstichtag geleisteten Zahlungen sind nach den vorgenannten Grundsätzen aufzuteilen:

  • Vorauszahlungen,
  • Abschlagszahlungen,
  • sonstige Zahlungen (z.B. aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen).

Abschließend geht das BMF-Schreiben auf den erst durch eine Gesetzesänderung des § 218 Abs. 3 AO (Gesetz vom 22.12.2014, BGBl. 2014 I 2417) ermögliche Änderung von Anrechnungsverfügungen oder Abrechnungsbescheiden ein.

Praxishinweis

Der Steuerzahler in kritischen Ehesituationen sollte sich deshalb bei Leistung von Einkommensteuervorauszahlungen stets bewusst sein, dass er sich nur durch klare Tilgungsbestimmungen (auf dem Überweisungsträger oder in einem entsprechenden Schreiben an das FA) vor unliebsamen Überraschungen bei künftigen Erstattungen bzw. Nachzahlungen schützen kann. Die Tilgungsbestimmung sollte auf jeden Fall spätestens mit der Zahlung beim FA eingehen.

BMF-Schreiben v. 14.01.2015 - IV A 3 - S - 0160/11/10001

BMF-Schreiben v. 31.01.2013 - IV A 3 - S - 0160/11/10001 BStBl 2013 I 70
BFH, Urt. v. 12.11.2013 - VIII R 15/13
BFH, Urt. v. 18.04.2014 - VII B 66/12

Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt (FH) Horst Schirrmann