Einkommensteuer -

Entsendung ins Ausland: Was gilt als erste Tätigkeitsstätte?

Wo liegt die erste Tätigkeitsstätte bei grenzüberschreitender Arbeitnehmerentsendung? Wann sind Zuschüsse des Arbeitgebers steuerfrei? Und wann liegt eine doppelte Haushaltsführung vor? Nach dem BFH hängt dies davon ab, ob ein eigenständiger Arbeitsvertrag des aufnehmenden Unternehmens für die Entsendungsdauer eine Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer ortsfesten betriebliche Einrichtung vornimmt. 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 17.12.2020 (VI R 21/18) entschieden, dass für einen entsendeten Arbeitnehmer die ortsfeste Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte gilt, der er nach dem eigenständigen Arbeitsvertrag mit dem aufnehmenden Unternehmen für die Dauer der Entsendung zugeordnet ist.

Sachlage im Streitfall

Der Kläger war als leitender Mitarbeiter eines Konzerns in Deutschland angestellt. Im Rahmen dieser Funktion schloss er einen Entsendevertrag mit einem in den USA ansässigen verbundenen Unternehmen. Der ausländische Arbeitgeber gewährte dem Kläger Zuschüsse zur Miete und für Heimfahrten. 

Nach Meinung des Arbeitnehmers waren diese Zuschüsse steuerfrei gem. § 3 Nr. 16 EStG, da sie nicht die aufgrund einer doppelten Haushaltsführung entstandenen Mehraufwendungen für Reisekosten, Umzugskosten oder Verpflegung überstiegen.

Das Finanzamt (FA) setzte die Zuschüsse jedoch im Rahmen des Progressionsvorbehalts gem. § 32b EStG an, da sich die erste Tätigkeitsstätte des Klägers in den USA befunden habe und sich somit auch der Lebensmittelpunkt in die USA verlagert hätte. 

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies auch das Finanzgericht die von dem Arbeitnehmer erhobene Klage zurück. Der BFH wies die Revision des Klägers ebenfalls als unbegründet zurück.

Erste Tätigkeitsstätte nach dem neuen Reisekostenrecht

Gemäß § 3 Nr. 16 EStG sind Zuschüsse des Arbeitgebers insoweit steuerfrei, wie sie die tatsächlich entstandenen Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG nicht übersteigen. Der BFH hatte somit zu prüfen, ob aufgrund der Entsendung eine doppelte Haushaltsführung entstanden ist. 

Dies hat der BFH verneint, da der Kläger der Betriebsstätte des aufnehmenden Unternehmens in den USA zugeordnet und in den dortigen Betrieb vollständig eingegliedert war. Zudem trug das aufnehmende Unternehmen auch das Gehalt des Arbeitnehmers.

Da er somit dauerhaft einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung zugeordnet war, stellte diese für den Kläger die erste Tätigkeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 4 Satz 1 EStG dar. Der Kläger war somit durch die Entsendung nicht auswärts tätig. Eine doppelte Haushaltsführung lag daher nicht vor. 

Die Zuschüsse des Arbeitgebers waren demnach nicht steuerfrei i.S.d. § 3 Nr. 16 EStG, sondern im Rahmen des Progressionsvorbehalts gem. § 32b EStG zu berücksichtigen.

Praxishinweis

Das FA ist zu Recht davon ausgegangen, dass nach dem neuen Reisekostenrecht eine erste Tätigkeitsstätte entsteht, wenn der Arbeitnehmer einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung dauerhaft aufgrund eines eigenständigen Arbeitsvertrags zugeordnet ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zuordnung befristet oder unbefristet gilt.

Schließt der Arbeitnehmer jedoch keinen eigenständigen Arbeitsvertrag mit dem aufnehmenden Unternehmen, so wird er dieser Tätigkeitsstätte nur dann zugeordnet, wenn die Entsendung für einen unbefristeten Zeitraum oder für einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten erfolgt (BMF, Schreiben v. 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz. 24).

BFH, Urt. v. 17.12.2020 - VI R 21/18

Quelle: Christian Kappelmann, Steuerberater, M.A. und Diplom-Finanzwirt (FH)