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EuGH: Erbschaftsteuer-Freibeträge europarechtswidrig

Der EuGH hat ein Urteil zu den Freibeträgen im Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) gefällt. Demnach verstoßen die unterschiedlichen Freibeträge bei beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Der Gerichtshof beanstandet damit die steuerliche Behandlung bei der Übertragung von Inlandsvermögen in Abhängigkeit von einem inländischen Wohnsitz der Beteiligten.

Zur Ausgangslage

Nach dem deutschen ErbStG ist die Übertragung inländischen Vermögens steuerpflichtig. Das ErbStG gewährt dabei Freibeträge, die jedoch davon abhängen, ob einer der Beteiligten (Erblasser oder Erbe bzw. Schenker oder Beschenkter) im Inland ansässig ist. Bei einer unbeschränkten Steuerpflicht werden in Abhängigkeit vom Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Beteiligten Freibeträge von 20.000 bis 500.000 € gewährt (§ 16 Abs. 1 ErbStG). Bei  beschränkter Steuerpflicht kann  lediglich ein Freibetrag von 2.000 €  in Anspruch genommen werden.


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Weil die Bundesrepublik auf die Kritik der Kommission hin die Regelungen nur unzureichend änderte, erhob die Kommission eine Vertragsverletzungsklage beim EuGH.

EuGH: ErbStG beschränkt den freien Kapitalverkehr

Der  EuGH verweist auf zwei früher getroffene Entscheidungen, in denen das Gericht bereits zum deutschen ErbStG Stellung genommen hatte: Die deutschen Regelungen führten zu einer höheren Besteuerung einer Erbschaft/Schenkung von Grundstücken zwischen Gebietsfremden als eine vergleichbare Erbschaft/Schenkung, bei der zumindest einer der Beteiligten zum Besteuerungszeitpunkt im Inland ansässig war. Daraus folge eine einseitige Wertminderung des Nachlasses oder der Schenkung bei beschränkter Steuerpflicht, mithin eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, die grundsätzlich verboten ist.

Für diese Beeinträchtigung gibt es keine Rechtfertigung

Der EuGH kann eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung nicht erkennen. Eine solche könnte sich aber daraus ergeben, dass es Unterschiede zwischen der Erbschaft/Schenkung unter Gebietsfremden und solchen Vorgängen mit mindestens einem im Inland Ansässigen gibt oder die Kohärenz der deutschen Steuervorschriften eine solche Ungleichbehandlung erfordert.

Relevante Unterschiede bestehen für den EuGH bei inländischem Grundbesitz nicht. Bezüglich der Höhe der Schenkungs- oder Erbschaftssteuer, die für ein in Deutschland belegenes Grundstück anfällt, existiert kein objektiver Unterschied, der als Rechtfertigung dafür dienen könnte, die beteiligten Personen, von denen keine in Deutschland ansässig ist, und die Personen, von denen jedenfalls eine im Inland ansässig ist, nicht gleichzubehandeln.

Denn nach Ansicht des EuGH wird die Höhe der deutschen Erbschafts- oder Schenkungssteuer für eine in Deutschland belegene Immobilie nach dem ErbStG in Abhängigkeit vom Wert der Immobilie und dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Schenker oder Erblasser und dem Erwerber ermittelt. Keines der beiden vom deutschen Gesetzgeber gewählten Kriterien steht mit dem Wohnort der beteiligten Personen in einem Zusammenhang.

Ebenso wenig kann die bestehende Ungleichbehandlung im deutschen ErbStG damit gerechtfertigt werden, dass die derzeitigen Regelungen die Kohärenz der deutschen Steuersystematik wahren würden.

Mangels Rechtfertigung der Ungleichbehandlung liegt ein Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 63 AEUV vor, weil Rechtsvorschriften erlassen und beibehalten worden sind, die zu der beanstandeten Ungleichbehandlung führen.

Praxishinweis

Die Steuerpflichtigen und ihre steuerlichen Berater sollten in Erbfällen und bei Schenkungen, bei denen auch inländisches Vermögen - insbesondere Immobilien - übertragen werden, ihre Vorgehensweise überprüfen: Bei beschränkter Steuerpflicht mit Vermögen im Inland sollte unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH der Ansatz der für die unbeschränkte Steuerpflicht gemäß § 16 Abs. 1 ErbStG geltenden Freibeträge beantragt und ggf. dieser Ansatz auch gerichtlich verfolgt werden.

Bei unbeschränkter Steuerpflicht sollte darüber nachgedacht werden, möglichst schnell eine Veranlagung zu erreichen, da aufgrund des Urteils eine Gesetzesänderung erforderlich wird und bestenfalls für die beschränkte Steuerpflicht die identischen Freibeträge wie für die unbeschränkte Steuerpflicht eingeführt werden. Denkbar ist aber auch, dass der Gesetzgeber eine Neuregelung schafft, die zu ungünstigeren Freibeträgen auch für die unbeschränkt Steuerpflichtigen führen könnte. Zudem besteht noch Unklarheit über die Entscheidung des BVerfG, die wohl kaum zu einer Verbesserung führen dürfte.

EuGH, Urt. v. 04.09.2014 - C-211/13
EuGH Urt. v. 22.04.2010 - C-510/08
EuGH Urt. v. 17.10.2013 - C- 181 / 12

Quelle: StB und Fachanwalt für Steuerrecht Axel Scholz