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Schenkungsteuer: Änderung des Steuerbescheids für den Vorerwerb

Unter welchen Voraussetzungen können Steuerbescheide bei mehreren Schenkungen innerhalb des Zehnjahreszeitraums geändert werden? Der BFH hat hierbei die Folgen von Vor- und Nacherwerben näher bestimmt. Demnach ist die erstmalige oder geänderte Steuerfestsetzung für den Vorerwerb kein „rückwirkendes Ereignis“, welches die Änderung der Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb ermöglicht.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob die bloße Änderung des Schenkungsteuerbescheids für einen Vorerwerb zur Korrektur des Schenkungsteuerbescheids für den folgenden Erwerb berechtigt.

Eine Tochter erhielt im Mai und August 2002 umfangreiche Schenkungen von ihrem Vater. Nach mehreren Änderungen wurde die Schenkungsteuer für den Erwerb im Mai 2002 im Dezember 2010 festgesetzt und für endgültig erklärt. Für den Erwerb im August 2002 wurde der Bescheid ebenfalls mehrfach geändert, u.a. im September 2009 und dann unter Hinweis auf § 175 AO im Juni 2013. Gegen den letzten Bescheid legte die Tochter Einspruch ein, der erfolglos blieb, während die anschließende Klage Erfolg hatte. Die vom Finanzamt (FA) daraufhin eingelegte Revision wies der BFH nun zurück.

Mögliche Rechtsgrundlage für die Änderung

Die erneute Änderung im Juni 2013 bedarf einer Korrekturnorm. Das FA hat dafür § 175 Abs. 1 AO angegeben. Dieser setzt entweder eine Änderung eines Grundlagenbescheids, der zur Korrektur des Schenkungsteuerbescheids berechtigt, oder ein rückwirkendes Ereignis voraus.

Grundlagen- und Folgebescheid

Eine Änderung des Bescheids vom September 2009 im Jahr 2013 kann nach Ansicht des BFH nicht darauf gestützt werden, dass dieser ein Folgebescheid für den Schenkungsteuerbescheid des Vorerwerbs sei. Denn der Steuerbescheid, der für den Vorerwerb ergangen ist, entfaltet für die Steuerfestsetzung beim nachfolgenden Erwerb keine Bindungswirkung im Sinn eines Grundlagenbescheids.

Rückwirkendes Ereignis

Ebenfalls verneint der BFH ein rückwirkendes Ereignis, das zur vorgenommenen Änderung berechtigen würde. Denn der Erlass oder die Änderung eines Schenkungsteuerbescheids für einen früheren Erwerb stellt hinsichtlich der Besteuerung eines späteren Erwerbs kein rückwirkendes Ereignis dar. Die Steuerfestsetzung beim nachfolgenden Erwerb stellt einen Besteuerungsvorgang dar, der unabhängig und eigenständig von der Steuerfestsetzung beim Vorerwerb zu betrachten ist.

Eine Änderung aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses setzt voraus, dass das Ereignis nachträglich eingetreten und bekanntgeworden ist. Die Änderung muss sich steuerrechtlich derart auswirken, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist, während lediglich eine andere rechtliche Beurteilung des unverändert bleibenden Sachverhalts für eine Änderung nicht ausreicht.

Ob einer nachträglichen Änderung des Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also ob sich bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für die Vergangenheit ändern oder vollständig entfallen, bestimmt sich nach den Normen des materiellen Steuerrechts und nicht nach § 175 AO.

Zwar können auch der Erlass oder die Änderung eines Verwaltungsakts ein rückwirkendes Ereignis darstellen, welches die Änderung eines anderen Bescheids zulässt. Dabei muss sich aufgrund des (geänderten) Bescheids ein neuer Sachverhalt materiell derart auswirken, dass für die Steuerfestsetzung in dem anderen Bescheid neue Rechtsfolgen eintreten. Diese Voraussetzungen sieht der BFH aber beim Erlass oder der Änderung eines Steuerbescheids für einen früheren Erwerb im Hinblick auf die Besteuerung des späteren Erwerbs als nicht erfüllt an.

§ 14 Abs. 1 ErbStG als Änderungsvorschrift

Auch eine Korrektur, die auf § 14 Abs. 1 ErbStG gestützt wird, scheidet aus, denn diese Vorschrift ist keine eigenständige Änderungsvorschrift. Der BFH begründet dies damit, dass die Steuerfestsetzung für den früheren Erwerb für die Besteuerung des späteren Erwerbs keine materiell-rechtliche Bedeutung hat. § 14 Abs. 1 ErbStG enthält eine besondere Regelung für die Berechnung der Steuer, die für den letzten Erwerb innerhalb eines Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist.

Die Besteuerungen erfolgen unabhängig voneinander. Aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe sind die Vorerwerbe, die in die Zusammenrechnung einzubeziehen sind, dem letzten Erwerb stets mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzuzurechnen, auch wenn bei dem früheren Erwerb unzutreffende Werte berücksichtigt worden sind.

Der richtige Wertansatz für die Vorerwerbe kann jedoch bei der Besteuerung des letzten Erwerbs nur berücksichtigt werden, wenn der Erlass oder die Änderung des Bescheids für den letzten Erwerb verfahrensrechtlich möglich ist. Die Änderung der Steuerfestsetzung für den Vorerwerb ändert, ohne dass ein rückwirkendes Ereignis vorliegt, für sich allein nicht den Wertansatz, der der Besteuerung des nachfolgenden Erwerbs zugrunde zu legen ist.

§ 14 Abs. 2 ErbStG als Änderungsvorschrift

Ebenso wenig kann dem BFH zufolge eine Änderung auf § 14 Abs. 2 ErbStG gestützt werden. Denn diese Vorschrift ist ebenfalls keine Änderungsvorschrift, sondern nach dem klaren Wortlaut eine Regelung zur Bestimmung der Festsetzungsfrist für den späteren Erwerb. Daher ist auch in diesem Zusammenhang bei der Steuerfestsetzung für diesen Erwerb eigenständig zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den erstmaligen Erlass oder die Änderung eines Steuerbescheids für den späteren Erwerb erfüllt sind. Der Steuerfestsetzung für den früheren Erwerb kommt insoweit ebenfalls keine materiell-rechtliche Bedeutung zu.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BFH überzeugt, weil sie sehr systematisch und dadurch nachvollziehbar begründet ist. Jeder Steuerberater sollte bei Mandanten, die innerhalb des Zehnjahreszeitraums mehrere Erwerbe angenommen haben, bei einer Änderung des Steuerbescheids für einen Vorerwerb also künftig prüfen, ob dafür eine Korrekturnorm zur Verfügung steht. Aufgrund der Entscheidung des BFH ist nun geklärt, dass für eine Korrektur des Schenkungsteuerbescheids für den folgenden Erwerb jedenfalls die bloße Änderung des Schenkungsteuerbescheids für den Vorerwerb, ohne dass eine materielle Korrekturnorm anwendbar ist, nicht ausreicht.

BFH, Urt. v. 12.07.2017 - II R 45/15

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht