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Körperschaftsteuer -

Ausländische Betriebsstätten: Können Verluste verrechnet werden?

Sind Verluste von Betriebsstätten, die im EU-Ausland liegen, mit inländischen Einkünften verrechenbar? Der BFH hat die geltende Regelung gebilligt, wonach auch für endgültige Verluste eine Verrechnung ausgeschlossen ist. Das Gericht folgte damit dem EuGH, der darin keinen Verstoß gegen die europäische Niederlassungsfreiheit sieht. Allerdings gilt dies nur für Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).

Mit Urteil vom 22.02.2023 (I R 35/22 (I R 32/18)) hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass der Ausschluss der Berücksichtigung von Verlusten einer in einem anderen Mitgliedsstaat belegenen Betriebsstätte auch im Hinblick auf endgültige Verluste nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit verstößt. 

Der BFH hatte den Sachverhalt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt, der seine bisher nicht eindeutige Rechtsprechung zu finalen Betriebsstättenverlusten in dieser Hinsicht nun konkretisiert und die Verrechnung von finalen Verlusten einer in der EU belegenen Betriebsstätte mit inländischen Einkünften versagt hat.

Sachlage im Streitfall

Die Klägerin ist eine in Deutschland ansässige AG, die eine Wertpapierhandelsbank betreibt. Der Unternehmensgegenstand umfasst die Bereiche Anlagevermittlung, Abschlussvermittlung, Finanzportfolioverwaltung und Eigenhandel. 

Die Klägerin eröffnete im Jahr 2004 eine Zweigniederlassung in Großbritannien und übte dort eine Tätigkeit in den Bereichen Aktienanalyse und Wertpapierhandel aus. In der Niederlassung wurden jedoch durchgehend Verluste erzielt, weswegen die Betriebsstätte drei Jahre nach der Eröffnung wieder geschlossen wurde.

Aufgrund der Schließung konnten die in Großbritannien erzielten Verluste nicht mehr vorgetragen und mit etwaigen Gewinnen verrechnet werden. Die Klägerin machte daher die Verluste in ihren in Deutschland eingereichten Steuererklärungen geltend. 

Das Finanzamt (FA) ließ die Verluste in den Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen jedoch unberücksichtigt. Die gegen die Steuerfestsetzung erhobene Klage hatte vor dem Finanzgericht (FG) Erfolg. Das FG setzte die Einkünfte der Klägerin entsprechend herab. 

Das FA legte gegen diese Entscheidung Revision ein. Der BFH sah die Revision schlussendlich als begründet an.

Verrechnung von finalen Betriebsstättenverlusten

Finale Betriebsstättenverluste entstehen, wenn ein Unternehmer eine ausländische Betriebsstätte schließt, in der zum Zeitpunkt der Schließung Verluste aufgelaufen sind. 

Diese Verluste können regelmäßig nach den von Deutschland geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nicht mit inländischen Gewinnen verrechnet werden. 

Liegt die Betriebsstätte in der EU, könnte dies jedoch einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gem. Art. 49 und Art. 54 AEUV darstellen, da so die freie Wahl des Orts der Eröffnung der Betriebsstätte beeinflusst werden könnte.

Die Rechtsprechung des EuGH zu finalen Betriebsstättenverlusten war in der Vergangenheit nicht eindeutig (vgl. EuGH-Entscheidungen in Sachen Timac Agro v. 17.12.2015 - C-388/14 und Bevola/Trock v. 12.06.2018 - C-650/16). Daher legte der BFH im vorliegenden Fall dem EuGH die Klage nochmals zur Vorabentscheidung vor.

Entscheidung im Streitfall

Der EuGH urteilte in seiner Entscheidung vom 22.09.2022 dahingehend, dass die Nichtberücksichtigung der aus der britischen Betriebsstätte stammenden Verluste nicht gegen die Niederlassungsfreiheit verstößt. 

Die Nichtberücksichtigung sei darauf zurückzuführen, dass Deutschland in dem DBA auf seine Befugnis zur Besteuerung der Einkünfte aus der Betriebsstätte verzichtet hat. Daher seien in- und ausländische Betriebsstättenverluste in derartigen Fällen schon bereits dem Grunde nach nicht vergleichbar. 

Ein solcher Fall ist nach Ansicht des EuGH anders gelagert als bei der Versagung eines Verlustabzugs lediglich aufgrund von nationalen Regelungen, die unilateral keine Betriebsstättenverluste zulassen.

Praxishinweis

Der EuGH hat sich mit dieser Entscheidung seiner früheren Rechtsprechung angeschlossen und in DBA-Fällen den Abzug von finalen Betriebsstättenverlusten versagt. 

Damit behält er seine Praxis bei, den Staaten beim Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen und der Zuteilung von Besteuerungsrechten größtenteils freie Hand zu lassen. Erfolgt die Versagung jedoch nicht aufgrund eines DBA, sondern aufgrund von nationalen Vorschriften, liegt ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vor. 

Daher ist ein Abzug von finalen Betriebsstättenverlusten in diesen Fällen möglich. Steuerpflichtige sollten sich daher in diesen Fällen mit ihrem Steuerberater zusammensetzen und die Möglichkeit prüfen, ob nicht doch ein entsprechender Abzug vorgenommen werden kann.

BFH, Urt. v. 22.02.2023 - I R 35/22 (I R 32/18)

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