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Grunderwerbsteuer: Wann gilt § 39 AO?

Der BFH hat für mehr Klarheit bei der Auslegung des § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) gesorgt. Dabei haben die obersten Finanzrichter im Fall einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft festgestellt, dass § 39 Abgabenordnung (AO) ggf. auch beim sog. mittelbaren Erwerb bzw. bei einer mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestandes im Rahmen des GrEStG gelten kann.

Sachverhalt

Der Erwerber eines Anteils an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft erhielt unmittelbar eine Beteiligung von 94,4 % und gleichzeitig eine Kaufoption des Restanteils von 5,6 %, der zivilrechtlich beim Veräußerer verblieb. Der Kaufpreis des Restanteils war vereinbart und zudem trat der Veräußerer, die hierauf entfallenden künftigen Gewinnansprüche ab. Bei diesem Vorgehen ging der BFH von einem grunderwerbsteuerpflichtigen Gesellschafterwechsel aus.

Voraussetzungen der mittelbaren Änderung

Die mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG ist ausschließlich nach wirtschaftlichen Maßstäben zu beurteilen. Denn zivilrechtlich ist eine mittelbare Änderung eines Gesellschafterbestands nicht vorgesehen. Zudem wird bei einer solchen Änderung zivilrechtlich gerade kein Anteil an der Gesellschaft auf einen neuen Gesellschafter übertragen. Entweder richtet sich daher die Auslegung nach rein wirtschaftlichen Aspekten oder orientiert sich an Sinn und Zweck der Norm.

Die Berücksichtigung mittelbarer Anteile an Personengesellschaften soll die Umgehung der Besteuerung nach § 1 Abs. 2a GrEStG verhindern und setzt deshalb keinen dinglichen Übergang von Anteilen auf neue Gesellschafter voraus. Daher kann eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands auch erfolgen, wenn sich

  • entweder die Beteiligungsverhältnisse bei einer an der Personengesellschaft beteiligten Kapital- oder Personengesellschaft ändern
  • oder sich aus schuldrechtlichen Bindungen des an der Personengesellschaft unmittelbar beteiligten Gesellschafters Änderungen ergeben, durch die dessen Gesellschaftsanteil einem Dritten (Neugesellschafter) zuzurechnen ist.

Zurechnung nach den Grundsätzen des § 39 AO

Diese nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Zurechnung kann unter Beachtung grunderwerbsteuerrechtlicher Besonderheiten anhand der Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO erfolgen. Allerdings ist § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO im Grunderwerbsteuerrecht nur anwendbar, wenn und soweit es nicht auf die zivilrechtlichen, sondern auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten ankommt. Entsprechend den für § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO geltenden Grundsätzen kann ein Anteil am Gesellschaftsvermögen einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft abweichend von der zivilrechtlichen Zuordnung zum (Alt-)Gesellschafter aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen auch einem Dritten (fiktiver Neugesellschafter) zuzurechnen sein. Diese schuldrechtlichen Vereinbarungen sind nicht auf bestimmte Vertragstypen beschränkt.

Erfordernis für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums

Bei dem  Verkauf einer Gesellschaftsbeteiligung reichen für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums der Käuferseite weder der Abschluss eines Kaufvertrages noch die wirtschaftlich vergleichbare Vereinbarung einer Kaufoption oder einer „Doppeloption" aus. Wirtschaftliches Eigentum ist dann anzunehmen, wenn der Käufer des Anteils

  • aufgrund eines (bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und
  • die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie
  • das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.

Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall. Bei dieser Einzelfallentscheidung kann eine von der zivilrechtlichen Inhaberstellung abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts auch erfolgen, wenn die dafür regelmäßig zu stellenden Anforderungen nicht in vollem Umfang gegeben sind.

Nach diesen Grundsätzen nimmt der BFH hinsichtlich des zivilrechtlich noch nicht übertragenen Anteils von 5,6 % eine mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands an. Denn mit dem Optionsrecht erhält die Vertragspartei eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des verbliebenen Anteils gerichtete Rechtsposition, die gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann.

Da zugleich die Konditionen der Anteilsübertragung festgelegt wurden, bestand weder das Risiko einer Wertminderung noch die Chance einer Wertsteigerung. Schließlich sind auch die mit dem Restanteil verbundenen wesentlichen Rechte, nämlich das Gewinnstammrecht, übertragen worden.

Praxishinweis

Der BFH hat mit dieser Entscheidung klargestellt, dass § 39 AO in begrenztem Umfang auch beim mittelbaren Erwerb im GrEStG gilt und welche Voraussetzungen für einen wirtschaftlichen Erwerb von Beteiligungen erforderlich sind. Die Praxis wird bei der Vereinbarung von Kaufoptionen und gleichzeitiger Abtretung der Gewinnansprüche von einer Grunderwerbsteuerpflicht ausgehen müssen. Diese Klarstellung ist zu begrüßen.

BFH, Urt. v. 09.07.2014 - II R 49/12

Quelle: StB und Fachanwalt für Steuerrecht Axel Scholz