Steuerberatung -

Reichweite des Vorläufigkeitsvermerks

Ist eine Steuer "im Hinblick auf anhängige Verfassungsbeschwerden bzw. andere gerichtliche Verfahren" vorläufig festgesetzt, so bezieht sich der Vorläufigkeitsvermerk nur auf solche Verfahren, die bereits im Zeitpunkt der Festsetzung beim EuGH, beim BVerfG, beim BFH oder bei einem anderen obersten Bundesgericht anhängig sind.

Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO kann die Steuer vorläufig festgesetzt werden, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für ihre Entstehung eingetreten sind. Diese Regelung ist nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO auch anzuwenden, "wenn die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, dem Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht ist".

Für die Rechweite des Vorläufigkeitsvermerks ist dabei der Zeitpunkt der Steuerfestsetzung entscheidend. Wie der BFH mit Urteil vom 26.02.2004, XI R 50/03 (BFH/NV 2004, 1064) bereits entschieden hat, reicht die erst nach dem Wirksamwerden des mit dem Vorläufigkeitsvermerk verbundenen Steuerverwaltungsakts begründete gerichtliche Anhängigkeit der Rechtsfrage nicht aus, um deren Einbeziehung in den für vorläufig erklärten Teil der Steuerfestsetzung herbeizuführen.

Daran hält der BFH auch weiterhin fest. Die an der v. g. Entscheidung geübte Kritik aus dem Schrifttum (Paus, DStZ 2005, 487, 488; Bartmann, Steuer-Warte 2005, 250; Ende, DStR 2006, 878, 881) überzeuge schon mit Blick auf den klaren Wortlaut des Vorläufigkeitsvermerks nicht. Sie lasse zudem außer Acht, dass die teilweise vorläufige Steuerfestsetzung nach ihrem erkennbaren Sinn und Zweck nur insoweit offen bleiben solle, als die Vereinbarkeit der ihr zugrunde liegenden Rechtsnormen mit höherrangigem Recht bereits Gegenstand anderweitiger gerichtlicher Überprüfung sei.

Im Übrigen solle eine Steuerfestsetzung bestandskräftig werden, wenn nicht der Steuerpflichtige selbst durch Einlegung eines Einspruchs die seines Erachtens erforderliche Klärung ermögliche. Der Vorläufigkeitsvermerk biete daher keine Handhabe dafür, zu einem späteren Zeitpunkt die eingetretene Bestandskraft im Übrigen aufgrund eines zwischenzeitlich von dritter Seite anhängig gemachten Verfahrens partiell wieder zu durchbrechen.

Urteil im Volltext

Quelle: BFH - Urteil vom 31.05.06