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Stipendien: Wann greift die Steuerbefreiung?

Wann sind Stipendien gemäß § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei? Der BFH hat näher bestimmt, in welcher Höhe ein Stipendiumsbetrag noch „erforderlich“ ist, um den jeweiligen Lebensunterhalt des Stipendiaten zu bestreiten. Demnach sind - neben dem Lebensalter, der konkreten sozialen Situation und der akademischen Vorbildung des Begünstigten - auch dessen Einkünfte vor dem Stipendium zu berücksichtigen.

Der BFH nimmt zur Steuerfreiheit eines Stipendiums nach § 3 Nr. 44 S. 3 EStG Stellung und berücksichtigt dabei die sachliche und persönliche Angemessenheit. Eine wissenschaftliche Mitarbeiterin an einer Universität erhielt im Jahr 2009 2.700 € von einer gemeinnützigen Stiftung des bürgerlichen Rechts als Stipendium. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin hatte während der Dauer des Stipendiums Sonderurlaub ohne Fortzahlung der Bezüge in nahezu gleicher Höhe genommen. Sie beantragte für die betroffenen Jahre Steuerfreiheit des Stipendiums nach § 3 Nr. 44 S. 3 Buchst. a EStG.

Das Finanzamt versteuerte jedoch im Jahr 2009 diese Einnahmen, lediglich um Werbungskosten vermindert, in voller Höhe. Einspruch und Klage vor dem Finanzgericht blieben erfolglos, weil die zugeflossenen Mittel nach Auffassung des Finanzamts und des Finanzgerichts weder zur Erfüllung der Forschungsaufgabe noch zum Bestreiten des Lebensunterhalts erforderlich gewesen seien.

Der BFH hat der Revision der wissenschaftlichen Mitarbeiterin stattgegeben und das Finanzamt zur Herabsetzung der Einkommensteuerschuld verpflichtet.

Zu Unrecht ist das Finanzgericht davon ausgegangen, dass ein Stipendium bereits dann nicht steuerfrei nach § 3 Nr. 44 EStG ist, wenn es nahezu der Höhe der vor der Aufnahme der geförderten Tätigkeit bezogenen Einnahmen aus wissenschaftlicher Tätigkeit entspricht.

Voraussetzungen für die Steuerfreiheit

Das Stipendium darf den für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder für die Bestreitung des Lebensunterhalts und die Deckung des Ausbildungsbedarfs erforderlichen Betrag nicht übersteigen (§ 3 Nr. 44 S. 3 Buchst. a EStG). Zudem darf der Empfänger im Zusammenhang mit dem Stipendium nicht zu einer bestimmten wissenschaftlichen oder künstlerischen Gegenleistung oder zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit verpflichtet sein (§ 3 Nr. 44 S. 3 Buchst. b EStG).

Somit verbleibt fallbezogen lediglich ein Streitpunkt: Die Frage, ob der konkrete Stipendiumsbetrag den für die Bestreitung des Lebensunterhalts erforderlichen Betrag übersteigt.

Die Erforderlichkeit ist dann gegeben, wenn

  • die Vergabe des Stipendiums nach den Richtlinien für die Vergabe von Stipendien i.S.d. § 3 Nr. 44 S. 1 und 2 EStG erfolgt und
  • die Höhe des Stipendiums nicht den für die Erfüllung der Forschungsaufgabe sowie für die Bestreitung des Lebensunterhalts für den Empfänger erforderlichen Betrag überschreitet und
  • deren Stipendiat sich nicht zu einer bestimmten Gegenleistung verpflichtet.

Bezüglich der Höhe des erforderlichen Lebensunterhalts wurde in früherer Rechtsprechung des BFH bisher 35.000 $ (für 2001) jährlich bzw. 22.900 DM (für 1995) als Begrenzungen benannt. Der Senat orientiert sich heute an der allgemeinen Verkehrsauffassung und nicht an den Leistungen nach dem BAföG.

Was soll ein Stipendium ermöglichen?

Folgende sachlichen Bereiche sollte ein Stipendium abdecken:

  • Menschenwürdiges Leben in einem sozialen Umfeld,
  • unentbehrliche Aufwendungen für Wohnung, Verpflegung, Kleidung, Ausbildung, Gesundheit, angemessene Freizeitgestaltung,
  • andere notwendige Ausgaben der vorgenannten Art.

Welche persönlichen Verhältnisse sind mit zu berücksichtigen?

Zu berücksichtigen sind:

  • das Alter des Stipendiaten,
  • die akademische Vorbildung,
  • die nach der Verkehrsauffassung erforderlichen typischen Lebenshaltungskosten,
  • die konkrete soziale Situation des Stipendiaten sowie
  • vor der Inanspruchnahme des Stipendiums erhaltene Bezüge als gewichtiges Indiz.

Praxishinweis

Ein Stipendiat sollte bei der Berechnung der Stipendiumshöhe sein Mitspracherecht auch in der Weise ausüben, dass er die „Bezüge“ aus Stipendien auf seine bisherigen steuerpflichtigen Einnahmen als Höchstbetrag begrenzt.

BFH, Urt. v. 24.02.2015 - VIII R 43/12
BFH, Urt. v. 15.09.2010 - X R 33/08, BStBl 2011 II 637

Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt (FH) Horst Schirrmann