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Umsatzsteuer: BMF ändert Vorgaben beim Forderungserwerb

Stellt der Erwerb sog. zahlungsgestörter Forderungen umsatzsteuerrechtlich eine „unternehmerische Tätigkeit“ dar? Das BMF hat jetzt hierzu die Verwaltungspraxis an die Rechtsprechung angepasst und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) geändert. Dabei geht es um den Erwerb von Forderungen, deren Kaufpreis erheblich von ihrem eigentlichen Nennwert abweicht („Non-Performing-Loans“ - NPL).

Der EuGH und der BFH haben in den Jahren 2011–2013 zu der Frage geurteilt, ob der Erwerb von zahlungsgestörten Forderungen umsatzsteuerlich als unternehmerische Tätigkeit zu behandeln ist und ob damit ein Vorsteuerabzug zulässig ist. Nun hat das BMF die Grundsätze dieser Urteile übernommen und den UStAE entsprechend geändert.

Definition der erfassten Non-Performing-Loans – NPL

Die Neuregelung gilt für die Übertragung zahlungsgestörter Forderungen, bei denen neben der Übernahme des Ausfallrisikos grundsätzlich ein Kaufpreis vereinbart wird, der (erheblich) vom eigentlichen Nennwert der Forderung abweicht (sog. Non-Performing-Loans – NPL). Im Gegensatz zu der Übertragung werthaltiger Forderungen bzw. der Übertragung ohne Übernahme des Ausfallrisikos durch den Erwerber besteht bei diesen Forderungen der wirtschaftliche Gehalt bei der Übertragung notleidender und damit zahlungsgestörter Forderungen gerade in der Übernahme des wirtschaftlichen Risikos durch den Erwerber und nicht in der Einziehung der Forderungen.

Nach Ansicht des BMF entspricht bei NPL generell bei Übernahme des Ausfallrisikos durch den Erwerber der vereinbarte Kaufpreis dem tatsächlichen wirtschaftlichen Wert dieser Forderungen.

Eine Forderung, die aus Rückzahlungs- und Zinsanspruch besteht, wird vom BMF als insgesamt zahlungsgestört eingestuft, wenn

  • sie trotz Fälligkeit ganz oder zu einem nicht nur geringfügigen Teil seit mehr als 90 Tagen nicht ausgeglichen wurde oder
  • eine Kündigung erfolgt ist oder
  • die Voraussetzungen für eine Kündigung vorliegen.

Die Neuregelungen gelten daher nicht für den Erwerb von werthaltigen Forderungen, bei denen primär der Forderungsverkäufer von der Einziehung der Forderung entlastet werden soll.

Umsatzsteuerliche Einordnung des Forderungserwerbers

Sofern der vereinbarte Kaufpreis dem tatsächlichen Wert der Forderung entspricht (und damit niedriger als der Nennwert ist), stellt die Differenz zwischen Nennwert und Kaufpreis der Forderung keine Vergütung für eine Dienstleistung dar, die unmittelbar vom Käufer erbracht worden ist. Der Forderungserwerber übt daher keine wirtschaftliche Tätigkeit aus. Auch wenn der Erwerber den Verkäufer von der weiteren Verwaltung und Vollstreckung der Forderung entlastet oder für die Beteiligten der Forderungseinzug bei der Bemessung des Abschlags auf den Kaufpreis oder durch Vereinbarung einer gesonderten Vergütung eine nicht nur untergeordnete Bedeutung hat, besteht keine wirtschaftliche Tätigkeit des Erwerbers.

Berechtigung zum Vorsteuerabzug beim Forderungserwerber

Sowohl der Einzug von Forderungen als auch der eigentliche Erwerb erfolgt nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit. Der Forderungserwerber ist aus diesem Grund nicht zum Vorsteuerabzug aus den Eingangsrechnungen für den Forderungserwerb und den Forderungseinzug berechtigt. Werden gleichzeitig zahlungsgestörte und nicht zahlungsgestörte Forderungen übertragen, ist das Gesamtentgelt für den Vorsteuerabzug entsprechend aufzuteilen.

Beurteilung des Forderungsverkäufers

Bei Übernahme des Ausfallrisikos erbringt der Verkäufer mit der Veräußerung und Abtretung einer zahlungsgestörten Forderung eine steuerfreie Leistung. Soweit die übertragene Forderung auf einen zurückliegenden Stichtag zurückbezogen wird und der Forderungsverkäufer noch die Forderung verwaltet, stellt dies eine unselbständige Nebenleistung zum steuerfreien Forderungsverkauf dar, die das rechtliche Schicksal der Hauptleistung teilt – also ebenso steuerfrei verbleibt.

Anwendungsregelung

Diese Grundsätze sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Allerdings wird es nicht beanstandet, wenn die Beteiligten Forderungsübertragungen, die vor dem 01.07.2016 ausgeführt werden, einvernehmlich nach den bisherigen Grundsätzen behandeln und von einem umsatzsteuerpflichtigen Vorgang ausgehen. Gleiches gilt auch für Übertragungen, die aufgrund eines vor diesem Stichtag abgeschlossenen Kaufvertrags über den regelmäßigen Erwerb zahlungsgestörter Forderungen erfolgen und vor dem 01.01.2019 ausgeführt werden.

Praxishinweis

Mit dieser Änderung des UStAE übernimmt das BMF nun nach fast vier Jahren die Grundsätze der Rechtsprechung. Waren die Steuerpflichtigen bisher gezwungen, sich auf die anderslautende Rechtsprechung und damit unmittelbar auf das EU-Recht zu berufen – nach deren Rechtsprechung die Auffassung der Finanzverwaltung EU-rechtswidrig war –, besteht nun eine höhere Rechtssicherheit. Zu begrüßen ist zudem, dass das BMF eine großzügige Übergangsregelung vorgesehen hat, wenn alle Beteiligten die bisherigen Regelungen anwenden wollen. Alle Unternehmer, die Forderungen erwerben oder Forderungen übertragen, sollten diese Neuregelungen kennen und nutzen.

BMF, Schreiben v. 02.12.2015 - III C 2 - S-7100/08/10010

EuGH, Urt. v. 27.10.2011 - C-93/10
BFH, Urt. v. 26.01.2012 - V R 18/08
BFH, Urt. v. 04.07.2013 - V R 8/10

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz