AÜG § 1: Gestaltungsspielraum für die Tarifvertrags- und Betriebsparteien

Nach § 1 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 1 Abs. 1b Satz 1 und 3 AÜG n.F. kann die zulässige Überlassungshöchstdauer von 18 aufeinanderfolgenden Monaten für tarifgebundene Entleiher in einem Tarifvertrag verkürzt oder verlängert werden.

Das setzt jedoch einen durch die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche geschlossenen Tarifvertrag voraus. Ein Tarifvertrag, der zwischen den Tarifvertragsparteien der Verleiherbranche geschlossen ist, eröffnet keine Verlängerungsmöglichkeit.

Diese Regelung soll sicherstellen, „das Instrument der Arbeitnehmerüberlassung auch weiterhin flexibel und bedarfsgerecht einsetzen zu können“.[1]

Keine einheitliche Höchstfrist in § 1 AÜG

Der Gesetzentwurf setzt keine einheitliche Höchstfrist für von § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG abweichende tarifvertragliche Regelungen.

Die in § 1 Abs. 1b Satz 6 AÜG bestimmte Höchstfrist von 24 Monaten[2] gilt nur den Sonderfall der mangelnden Tarifbindung des Entleihers.

Diese Situation liegt vor, wenn auch in Betrieben eines nicht tarifgebundenen Entleihers von der in § 1 Abs. 1b Satz 5 AÜG für vergleichbare tarifgebundene Entleiher eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll, die in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG bestimmte Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten in einer Betriebsvereinbarung zu verlängern.

Hier soll bewusst vom Gesetzgeber ein Anreiz für eine stärkere Tarifbindung gesetzt werden.[3] Das entspricht dem Geist des Koalitionsvertrags. Dieses Regelungskonzept entspricht der Zielrichtung der EU-Leiharbeitsrichtlinie. Es wird ein hohes Maß an Flexibilität ermöglicht.

Soweit in der Entwurfsbegründung jedoch ausgeführt wird: „Durch den Tarifvertrag bzw. die auf Grund eines Tarifvertrags getroffene Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung muss eine zeitlich bestimmte Überlassungshöchstdauer sichergestellt sein.“[4], ist das zu weitgehend.

Im Fall einer sachgrundbezogenen Arbeitnehmerüberlassung bedarf es nicht zwingend einer starren zeitlichen Höchstgrenze. Das zeigt die Ausgestaltung des Befristungsrechts.

Die Zweckbefristung von Arbeitsverträgen lässt nach § 3 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nämlich die flexible zeitliche Dauer der Befristung zu. Die Übernahme dieser Gestaltungsmöglichkeit ist auch mit der Kernfunktion der Leiharbeit vereinbar, den nicht dauerhaften, sondern nur vorübergehenden Bedarf zu decken.

Praktisch bedeutsam ist dies insbesondere in Vertretungsfällen der Elternzeit, die bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes reichen und in den in § 16 Abs. 3 BEEG bestimmten Fällen vorzeitig beendet werden kann.

Für diesen Fall hat der Gesetzgeber in § 21 Abs. 3 BEEG sowohl die kalendermäßige Befristung als ausdrücklich auch die Zweckbefristung des Arbeitsvertrags zugelassen.

Es macht wenig Sinn, der Arbeitnehmerüberlassung, die ebenso wie die Befristung von Arbeitsverträgen der Überbrückung des Personalengpasses dient, diese Gestaltungsmöglichkeit zu verwehren.

Mehr Gestaltungsmöglichkeiten für Tarifvertragsparteien der Entleiherbranchen

Das Gesetz räumt damit den Tarifvertragsparteien der Entleiherbranchen mehr Gestaltungsmöglichkeiten ein. Sie können abweichend von der gesetzlichen Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten andere Grenzwerte festlegen. Eine Deckelung dieser Befugnis ist nicht vorgesehen.

Die Tarifvertragsparteien der Entleiherbranche können folglich auch eine 24 Monate übersteigende Überlassungshöchstdauer, wie z.B. 36 Monate festlegen. Das ist nicht unangemessen lang; denn die Elternzeit durch Leiharbeitnehmer als Vertretungskräfte zu überbrücken, gehört zur Kernfunktion der Arbeitnehmerüberlassung.

Mit der unbegrenzten Verlängerungsmöglichkeit der Höchstüberlassungsdauer in Betriebe der Einsatzbranche ist eine von der Automobilindustrie gewünschte Regelung durchgesetzt worden.

Diese hat eine möglichst lange Überlassungsdauer verlangt, die nicht an den Arbeitskräftebedarf (Arbeitsplatzbezug) gekoppelt ist, sondern nur auf die einzelne Überlassung (Arbeitnehmerbezug) abstellt.

Angesichts der Tarifpartnerschaft von IG Metall und Metallarbeitgeberverbänden ist in dieser Branche mit einer Ausschöpfung der Verlängerungsmöglichkeiten zu rechnen.

In anderen Branchen sieht es anders aus. Deshalb haben die Arbeitgeberverbände der Zeitunternehmen eine Öffnung auch für Tarifverträge der Verleiherbranche verlangt. Sie sind jedoch mit ihrem Wunsch nicht durchgedrungen.


[1]    RegE AÜGÄndG, Begründung zu § 1 Abs. 1a und 1b AÜG-E, BT-Drucks. 18/9232, S. 20.

[2]    Im RegE AÜGÄndG, Begründung zu § 1 Abs. 1a und 1b AÜG-E, BT-Drucks. 18/9232, S. 21, als „Obergrenze“ bezeichnet.

[3]    RegE AÜGÄndG, Begründung zu § 1 Abs. 1a und 1b AÜG-E, BT-Drucks. 18/9232, S. 21.

[4]    RegE AÜGÄndG, Begründung zu § 1 Abs. 1a und 1b AÜG-E, BT-Drucks. 18/9232, S. 21.

 

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