Rentenbesteuerung verfassungswidrig? BFH klärt künftige Regeln

Der BFH hält die Rentenbesteuerung derzeit zwar noch für verfassungskonform - für künftige Rentenjahrgänge ist das demnach aber nicht mehr gewährleistet. Nach der vom BFH aufgestellten Berechnungsmethode gilt: Beträge, die bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abziehbar oder steuerfrei sind (etwa der Grundfreibetrag), dürfen insoweit bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in zwei Urteilen vom 19.05.2021 (X R 20/19 und X R 33/19) entschieden, dass zwar die derzeitige Rentenbesteuerung verfassungskonform ist, es jedoch für zukünftige Rentenjahrgänge zu einer Doppelbesteuerung kommt.

Das liegt daran, dass teilweise Rentenauszahlungen besteuert werden, die aus Beiträgen stammen, welche aus bereits versteuertem Einkommen geleistet worden sind.

Sachlage im Streitfall

Die Kläger waren ein Zahnarzt und ein Steuerberater, welche freiwillige Mitglieder in der gesetzlichen Rentenversicherung waren. Die Beiträge an die Rentenversicherung konnten im Einzahlungszeitraum nur teilweise als Sonderausgaben geltend gemacht werden.

Bei der Auszahlung wurden 46 % bzw. 48 % der Rente entsprechend der Übergangsregelung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG steuerfrei behandelt und zu 54 % bzw. 52 % versteuert.

Nach Berechnungen der Kläger konnten diese jedoch einen höheren Anteil der ursprünglichen Rentenbeiträge als die 46 % bzw. 48 % steuerlich nicht geltend machen. Sie legten dazu eigene Berechnungen vor.

Das Finanzgericht wies jedoch die eingelegten Klagen ab. Der BFH sah die Revisionen ebenfalls als unbegründet an und wies die Klage ab.

Verfassungswidrige Doppelbesteuerung

Die Rentenbesteuerung wurde ab dem Jahr 2005 grundlegend geändert. Hintergrund war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches die Besteuerung von Pensionen und Renten bemängelte. Bis zum Jahr 2004 wurde nur der Ertragsanteil einer Rente besteuert. Hingegen unterlagen Beamtenpensionen der vollen Besteuerung.

Daher reagierte der Gesetzgeber und führte zunächst eine Übergangsregelung ein, nach welcher die Rentenversicherungsbeiträge ab dem 01.01.2005 teilweise steuerlich geltend gemacht werden können, jedoch die Auszahlungen teilweise versteuert werden müssen.

Der steuerfreie Anteil der Renten erhöht sich bis zu einem Renteneintritt im Jahr 2040, ab dem sämtliche Rentenauszahlungen versteuert werden. Die Rentenbeiträge können ab dem Jahr 2025 vollständig steuerlich geltend gemacht werden.

Die Kläger machten geltend, dass sie ihre eingezahlten Beiträge zu einem geringeren Teil von der Steuer abziehen konnten, als sie später ihre Renten versteuern mussten.

Der BFH entwarf zur Bestimmung der Ungleichbehandlung eine Berechnungsmethode, in welche die durchschnittliche Lebenserwartung, aber auch die zukünftige Besteuerung einer Hinterbliebenenrente miteinzubeziehen sind.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist jedoch nicht die Inflation bei der Berechnung zu berücksichtigen. Nach dieser Berechnungsmethode stellte der BFH keine Ungleichbehandlung in den Streitfällen fest.

Der BFH stellte jedoch klar, dass eine derartige Ungleichbehandlung voraussichtlich für zukünftige Rentnerjahrgänge entstehen wird, und setzte den Gesetzgeber so unter Zugzwang, die Rentenbesteuerung anzupassen. Insbesondere wirke sich diese Ungleichbehandlung auf Alleinstehende sowie auf Männer – aufgrund der geringeren Lebenserwartung – aus.

Praxishinweis: Obwohl die Kläger im Streitfall nicht Recht bekamen, hat der BFH die zukünftige Besteuerung von Renten für verfassungswidrig erklärt. Nach seiner Berechnungsmethode sind entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung nicht der Grundfreibetrag, Werbungskostenpauschbeträge und der Sonderausgabenpauschbetrag zu berücksichtigen, da diese nicht spezifisch für die Rentenbesteuerung gelten.

Es bleibt abzuwarten, wie der Gesetzgeber auf die Urteile reagiert. Der erste Vorschlag, die volle Abziehbarkeit der Beiträge, welche bisher erst ab dem Jahr 2025 gegeben ist, vorzuziehen, scheint nur bedingt zielführend. Für eine Beseitigung der Ungleichbehandlung insbesondere für Jahrgänge, die bereits länger in die Rentenversicherung einzahlen und erst nach dem Jahr 2040 in Rente gehen, sorgt dies jedoch nicht.

Steuerpflichtige und Steuerberater sollten diese Entwicklung im Blick behalten und insbesondere bei Renteneintritt den Besteuerungsanteil und die ursprünglichen steuerfreien Beiträge vergleichen.

BFH, Urt. v. 19.05.2021 - X R 20/19
BFH, Urt. v. 19.05.2021 - X R 33/19

Christian Kappelmann, Steuerberater, M.A. und Diplom-Finanzwirt (FH)

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