Betriebsprüfung (Teil 1): Handlungsmöglichkeiten, bevor der Prüfer erscheint

Seit einiger Zeit scheinen Betriebsprüfer eine härtere Gangart einzulegen. Sie sind angehalten, bereits zu früheren Zeitpunkten in der Betriebsprüfung möglicherweise strafrechtlich relevante Sachverhalte wegen Steuerverkürzung oder -hinterziehung der Buß- und Strafsachenstelle vorzulegen.

Naturgemäß ändert sich deswegen nicht nur die Stimmung bei der Betriebsprüfung. Nach der Einleitung eines Strafverfahrens ändern sich auch die Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen. Mitwirkungspflichten im Steuerrecht stehen dann im Widerspruch zu dem strafrechtlichen Grundsatz, sich nicht selbst belasten zu müssen.

Steuerberater sind nun gefordert, Ihren Mandanten zur Seite zu stehen. Hier können bereits vor Erscheinen des Prüfers die entscheidenden Weichen gestellt werden.

Ausgangslage (vor Beginn der Betriebsprüfung)

Der Betriebsprüfer kündigt an, dass in Kürze eine Betriebsprüfung beginnen soll. Einige Zeit später erhalten Sie ein Schreiben mit der Prüfungsanordnung und Wochen darauf soll die Betriebsprüfung stattfinden. Zur Vorbereitung werden die GDPdU / GoBD-Daten und diverse Belege wie Verträge, Rechnungen oder Lieferscheine angefordert.

Die Daten und Belege sind grundsätzlich bereitzustellen, denn der Steuerpflichtige ist zur umfassenden Mitwirkung nach §§ 90, 93 AO verpflichtet. Die Erfüllung der Mitwirkungspflichten kann nach § 328 AO mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden.

Zwar sind Steuerpflichtige umfassend zur Mitwirkung verpflichtet, diese Mitwirkungspflicht gilt jedoch nicht unbegrenzt. Das FG Münster hat Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Herausgabeverlangens der Finanzbehörden von vollständigen Due-Diligence-Berichten geäußert (FG Münster, Beschl. v. 14.08.2014 - 6 V 1932/14 AO).

Solche Due-Diligence-Berichte könnten als Urkunde besonderer Art gelten, da sie in der Regel rechtliche oder wirtschaftliche Würdigungen enthalten, aber keine Tatsachen. Ein solches Herausgabeverlangen könnte unangemessen sein, denn eine Mitwirkung des Steuerpflichtigen kann nur verlangt werden, soweit sie zur Feststellung des steuererheblichen Sachverhalts notwendig, verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar ist (vgl. BFH, Urt. v. 28.10.2009 - VIII R 78/05, BStBl II 2010, 455).

Tipp: Bei Dokumenten, bei denen es sich nicht um gewöhnliche Buchhaltungsunterlagen handelt, sollten Sie stets prüfen, inwieweit die angeforderten Dokumente steuerlich relevante Tatsachen enthalten und ob die Herausgabe angemessen ist (vgl. FG Münster, Beschl. v. 14.08.2014 - 6 V 1932/14 AO). Bestehen Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der angefragten Unterlagen, sollten Sie stets neben der Einlegung eines Einspruchs auch einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung prüfen, denn ein Einspruch hat keine aufschiebende Wirkung. Die Unterlagen, die einmal in die Betriebsprüfungsakte Eingang gefunden haben, werden in der Regel auch Berücksichtigung finden.

Berichtigungserklärung oder Selbstanzeige

Wird bei der Aufbereitung der Unterlagen für die Betriebsprüfung festgestellt, dass einige buchhalterische oder steuerliche Fehler aufgetreten sind, müssen die Handlungsmöglichkeiten abgewogen werden.

Wenn der Steuerpflichtige nachträglich (und vor Ablauf der Festsetzungsfrist) erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, muss er dies grundsätzlich nach § 153 Abs. 1 Nr. 1 AO unverzüglich anzeigen und eine Berichtigung vornehmen.

Scheidet die Berichtigungserklärung nach § 153 AO aus, weil der Steuerpflichtige beispielweise nicht unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (in der Regel zwei Wochen, abhängig von der Komplexität des Einzelfalls), seine Berichtigungsabsicht angezeigt hat, besteht die Möglichkeit, eine Selbstanzeige nach § 371 AO abzugeben.

Im Unterschied zur Berichtigungserklärung wird hier bereits durch die Bezeichnung als Selbstanzeige die Vermutung einer Straftat durch den Anzeigenden selbst aufgestellt. Eine wirksame Selbstanzeige führt dazu, dass der Anzeigende wegen einer Steuerhinterziehung nicht mehr bestraft wird.

Eine Selbstanzeige kann formlos gegenüber dem örtlich zuständigen Finanzamt, z.B. per Fax, erfolgen. Um Straffreiheit zu erreichen, müssen jedoch hohe Anforderungen erfüllt werden.

Grundsätzlich muss eine Selbstanzeige alle nichtverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang, zumindest für die letzten zehn Kalenderjahre umfassen, wobei die genaue Berechnung der Mindestfrist umstritten ist (siehe dazu ausführlich Beyer, NWB 2015, 769).

Tipp: In der Praxis hat sich bewährt, ein Korrekturschreiben zwar nicht explizit als Selbstanzeige zu bezeichnen, deren Voraussetzungen aber im Zweifelsfall einzuhalten. Die Finanzverwaltung muss stets selbst prüfen, welche Art von Erklärung abgegeben wurde. Grundsätzlich sollte aber auch eine Berichtigungserklärung den hohen Anforderungen einer Selbstanzeige genügen. Sollte die Finanzverwaltung zu einer anderen Auffassung gelangen, können Sie somit die Straffreiheit wenigstens nach § 371 Abs. 1 AO erreichen.

Die wirksame Abgabe einer Selbstanzeige setzt jedoch voraus, dass noch kein Sperrgrund eingetreten ist. Ein solcher liegt nach § 371 Abs. 2 AO u.a. dann vor, wenn

  • eine Prüfungsanordnung bekanntgegeben worden ist - beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung,
  • ein Straf- oder Bußgeldverfahren bekanntgegeben worden ist,
  • ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit oder zu einer Umsatzsteuer-Nachschau erschienen ist.

Als steuerlicher Berater haben Sie bereits im Vorfeld der Prüfung die Möglichkeit, die richtigen Weichen zu stellen. Dazu müssen folgende Zeitpunkte differenziert werden:

1. Zwischen Ankündigung des Betriebsprüfers und Zugang der Prüfungsanordnung

Die Abgabe eine Selbstanzeige nach den zuvor dargestellten Grundsätzen ist spätestens durch das Erscheinen des Prüfers nicht mehr möglich. Sollten also bereits bei der Aufbereitung der Unterlagen Fehler auffallen, ist zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit einer Korrektur bzw. Selbstanzeige zu prüfen. Wichtig ist dabei stets, dass das Vollständigkeitsgebot eingehalten wird, d.h. pro Steuerart der gesamte Korrekturzeitraum abgedeckt wird. Sollten sich Sachverhalte so schnell nicht aufklären lassen, kann durch eine nachvollziehbare Schätzung unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags die Straffreiheit sichergestellt werden.

2. Zugang der Prüfungsanordnung

Auch wenn die Prüfungsanordnung bereits eingegangen ist, sollten Sie die Möglichkeit einer Selbstanzeige im Einzelfall prüfen. Nach umstrittener Meinung könnte auch zu diesem Zeitpunkt noch die Möglichkeit bestehen, eine strafbefreiende Selbstanzeige abzugeben, denn nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt die Prüfungsanordnung erst am dritten Tag nach Postversand als zugegangen. Haben Sie die Prüfungsanordnung früher erhalten, sollte im Einzelfall die Abgabe einer geschätzten Selbstanzeige in Erwägung gezogen werden (Wulf, Stbg 2013, 269; Joecks/Jäger/Rand, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., § 371 Rdnr. 208; a.A. Klein, AO, 14. Aufl., § 371 Rdnr. 113).

Tipp: Zwar ist nach Zugang der Prüfungsanordnung gem. § 371 Abs. 2 AO die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige für die betreffenden Jahre und Steuerarten gesperrt, es besteht jedoch weiterhin die Möglichkeit der Schadensbegrenzung. Für vor oder nach dem Prüfungszeitraum liegende Zeiträume kann in der Regel weiterhin eine strafbefreiende Selbstanzeige abgegeben werden. Eine Selbstanzeige für den Prüfungszeitraum wirkt sich jedoch meist strafmildernd aus.

Fazit

Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der Betriebsprüfungspraxis sollten Sie stets überprüfen, wie mit fehlerhaften Vorgängen in der Vergangenheit umzugehen ist. Wie Sie sehen, haben Sie bereits im Vorfeld einer Prüfung viele Möglichkeiten, dem Prüfer den Wind aus den Segeln zu nehmen. Dabei sollten Sie stets das Zepter des Handelns in der Hand halten und nicht warten, bis etwaige Sperrgründe die Möglichkeiten begrenzen.

In einem weiteren Beitrag beleuchten wir, welche Handlungsmöglichkeiten nach Erscheinen des Prüfers noch bestehen, denn auch hier haben Sie viele Stellschrauben, das steuerstrafrechtliche Risiko zu minimieren.

Volker Küpper, Steuerberater, Dipl.-Volkswirt