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Behindertengerechter Umbau: Wann gilt der Steuerabzug?

Stellen Kosten für den behindertengerechten Umbau einer Motoryacht außergewöhnliche Belastungen (agB) gemäß § 33 EStG dar? Der BFH hat in einer zuletzt veröffentlichten Entscheidung einen solchen Steuerabzug abgelehnt. Derartige Umbaukosten für eine Yacht seien keine zwangsläufigen Aufwendungen für einen existenznotwendigen Wohnbedarf, sondern lediglich freiwillige Konsumaufwendungen.

Ein Steuerpflichtiger erlitt im Jahre 1970 durch einen schweren Autounfall eine Querschnittslähmung (Grad der Behinderung: 100) und ist dadurch auf den Rollstuhl angewiesen. Im Jahr 2008 erwarb er eine Motoryacht, in die der Vorbesitzer bereits einen behindertengerechten Lift hatte einbauen lassen. Er ließ im Jahr 2011 für 37.000 € die Yacht auf einer Werft umbauen, um diese für ihn als Rollstuhlfahrer selbständig nutzbar zu gestalten. In seiner Einkommensteuererklärung 2011 beantragte er den Abzug dieser Umbaukosten als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG, was ihm versagt wurde. Ein Einspruch und die Klage vor dem Finanzgericht hatten keinen Erfolg, weshalb der Steuerpflichtige Revision eingelegt hat.

Revision wurde als unbegründet zurückgewiesen

Der Senat ist in Anlehnung an § 33 EStG der Auffassung, nur wenn dem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens-/Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstünden, können Aufwendungen, die die zumutbare Eigenbelastung überschreiten, steuerlich berücksichtigt werden. Diese Zwangsläufigkeit läge jedoch nur dann vor, wenn der Steuerpflichtige sich den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und diese den Umständen nach angemessen sind.

Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein als Bedingung

Der BFH sieht Aufwendungen als begünstigt i.S.d. § 33 EStG an, wenn diese die Mindestanforderungen für ein menschenwürdiges Dasein nicht überschreiten. Er ist der Meinung – unter Berufung auf eine in der Steuerrechtsliteratur vertretene Hauptrichtung –, die Regelungen der §§ 33 ff. EStG dienten lediglich der existentiellen Absicherung dieser Mindestanforderungen. Zu diesem abzusichernden Existenzbereich zählt der Senat:

  • den existentiellen Wohnbedarf,
  • die Beschaffung von existenznotwendigen Gegenständen,
  • den Austausch von gesundheitsgefährdenden Gegenständen des existenznotwendigen Bedarfs und
  • die Beseitigung der vom Existenzbereich ausgehenden Gesundheitsgefahren.

Die Aufwendungen für einen behindertengerechten Motoryachtumbau sieht der BFH nicht diesem Bereich zugehörig. Der Steuerpflichtige ist nicht aus

  • rechtlichen,
  • tatsächlichen oder
  • sittlichen Gründen

dazu verpflichtet, derartige Konsumaufwendungen wie den (krankheitsbedingten) Bootsumbau zu tragen.

Diese Mehraufwendungen sind nicht vornehmlich der Krankheit oder Behinderung innerhalb seines existentiellen Wohnumfelds geschuldet, vielmehr sind sie Ausdruck eines frei gewählten (überexistentiellen) Konsumverhaltens.

Selbstverständlich spiele es laut BFH keine Rolle, ob es sich um ein sozial gebilligtes Konsumverhalten handelt. Die Abzugsfähigkeit nach § 33 EStG ist nicht an ein soziales Werturteil gebunden. Lediglich die „überexistentiellen“ Aufwendungen seien als beliebige Einkommensverwendung nicht nach § 33 EStG begünstigt. Letztlich begründe diese vom menschlichen Willen beinflussbare Situation keine Zwangslage i.S.d. § 33 EStG.

Kritik am BFH

Das menschenwürdige Dasein kann aufgrund der Vielfalt der menschlichen Individuen nicht für alle Steuerzahler einheitlich festgelegt werden. Dieser Individualitätsgedanke hat aber bereits ausdrücklich in § 33 Abs. 1 EStG über die Zwischenschaltung der sogenannten „zumutbaren Eigenbelastung“ Eingang gefunden und sollte – neben den sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen – auch allein über den individuellen „Gesamtbetrag der Einkünfte“ beurteilt werden.

Praxishinweis

Bei derartigen krankheitsbedingten Aufwendungen sollte der existentielle Wohnbereich des Steuerpflichtigen mehr in den Vordergrund gestellt werden. Derartige Umbauten wären an einem Hausboot wahrscheinlich als abzugsfähig deklariert worden, da sie den existentiellen Wohnbedarf betreffen.

BFH, Beschl. v. 02.06.2015 - VI R 30/14

Quelle: Rechtsanwalt und Dipl.-Finanzwirt (FH) Horst Schirrmann