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Geschäftsveräußerung: Wann liegen steuerbare Umsätze vor?

Wann liegt gemäß § 1 Abs. 1a UStG eine umsatzsteuerfreie „Geschäftsveräußerung im Ganzen“ vor? Und wann kann ein Erwerber bei einer Geschäftsübernahme einen Vorsteuerabzug vornehmen? In einem vom BFH entschiedenen Fall hatte der Erwerber bei der Übernahme einer Gaststätte einzelnes Inventar vom Vorpächter gekauft, während der Betrieb und die sonstige Einrichtung Gegenstand eines Pachtvertrags war.

Bei Beteiligung mehrerer Leistungsbeziehungen als nur zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber besteht eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen nur dann, wenn das Unternehmen insgesamt oder selbstständige Unternehmensteile sich in lediglich einer Leistungsbeziehung gegenüberstehen.

Finanzamt lehnt Vorsteuerabzug ab

Eine GmbH pachtete zum 01.01.2006 von einer Schützenbruderschaft Räume und betrieb darin eine Gaststätte. Die Inneneinrichtung der Gaststätte war - außer der Kücheneinrichtung - mitverpachtet. Der vorherige Pächter verkaufte der GmbH gleichzeitig den Warenbestand, die Kücheneinrichtung, die Gartenbestuhlung und die bereits gebuchten Veranstaltungen zum Preis von 50.000 € zuzüglich 8.000 € Umsatzsteuer. Nach der Bezahlung des Kaufpreises machte die GmbH die 8.000 € in Ihrer Umsatzsteuerjahreserklärung 2006 als Vorsteuer geltend.

Nach einer Außenprüfung verwehrte das Finanzamt jedoch diesen Vorsteuerabzug und erließ einen geänderten Umsatzsteuerbescheid. Es begründete dies damit, dass es sich in Wirklichkeit um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen gehandelt hat, da sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen auf die GmbH übertragen wurden.

Das Finanzgericht folgte der Argumentation des Finanzamts und führte im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG nicht vorlägen, da es sich beim Verkauf von Kücheneinrichtung, Gartenbestuhlung und Warenbestand nicht um einen steuerpflichtigen Umsatz des Vorpächters gehandelt habe.

Laut BFH liegt keine Veräußerung im Ganzen vor

Der BFH gab der GmbH jedoch Recht. Bei der Übertragung zum 01.01.2006 hat es sich nicht um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gemäß § 1 Abs. 1a UStG gehandelt. Eine solche Geschäftsveräußerung liegt nur dann vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Dabei tritt der erwerbende Unternehmer an die Stelle der Veräußerers.

Der BFH bezieht sich in seiner Entscheidung auf Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG. Der EuGH legte diesen bereits dahingehend aus, dass die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbstständigen Unternehmensteilen nur dann begünstigt ist, wenn diese als selbstständige wirtschaftliche Tätigkeiten fortgeführt werden können. Dabei muss der Erwerber beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben.

Gesamtwürdigung ist entscheidend

Für die Fortführung ist nicht nur auf eine oder mehrere lose Bestandteile eines Unternehmens abzustellen, sondern auf eine Kombination von ihnen. In der Gesamtwürdigung ist es entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht. Dazu sind nicht die organisatorischen Verhältnisse beim Veräußerer maßgebend, sondern diejenigen beim Fortführer des Betriebs.

Finanzgericht bezog die Verpachtung der Räume zu Unrecht mit ein

Die GmbH hat vom Vorpächter die Kücheneinrichtung nebst Geschirr und Küchenartikeln übernommen. Dies ist jedoch kein selbstständiger abgespaltener Unternehmensteil, der es ermöglicht, die Gaststätte zu betreiben.

Der Abschluss des Pachtvertrags einschließlich des wesentlichen Inventars war notwendig, um die GmbH in die Lage zu versetzen, die Gaststätte zu betreiben. Diesen Pachtvertrag hat die GmbH jedoch nicht mit dem Vorpächter, sondern direkt mit der Schützenbruderschaft geschlossen. Der Verkauf der Kücheneinrichtung durch den Vorpächter kann dabei nicht mit dem Pachtverhältnis als einheitlicher Vorgang zusammengefasst werden.

Zwischenzeitlich hat der EuGH auch entschieden, dass bei mehreren Leistungsbeziehungen jede für sich betrachtet werden muss. Die Leistungsbeziehungen mit dem Vorpächter und diejenigen mit der Schützenbruderschaft können also nicht zusammengefasst werden. Es geht im vorliegenden Fall allein um die Würdigung, ob die von der Schützenbruderschaft erbrachte Leistung der Verpachtung in den Verkauf der Kücheneinrichtung mit einbezogen werden kann, was nicht der Fall ist.

Praxishinweis

Selbst wenn alle Beteiligten davon ausgingen, dass mit dem Verkauf der Kücheneinrichtung durch den Vorpächter an die GmbH die Unternehmensfortführung ermöglicht wird, sind die Leistungsbeziehungen im Einzelnen zu ermitteln. Die Geschäftsveräußerung im Ganzen ist eben doch mehr als ein „Zusammenkaufen von Unternehmensteilen von verschiedenen Anbietern“, sondern sie ist als einheitlicher Vorgang zwischen einem Veräußerer und einem Erwerber zu sehen.

BFH, Urt. v. 04.02.2015 - XI R 42/13

Quelle: RA und Dipl.-Finanzwirt (FH) Horst Schirrmann