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Umsatzsteuer: Geschäftsveräußerung an mehrere Erwerber

Bei einer Übertragung einzelner Unternehmensteile durch mehrere Veräußerer auf verschiedene Erwerber liegt grundsätzlich keine „Geschäftsveräußerung im Ganzen“ vor. Dies hat der BFH im Fall des Verkaufs vermieteter bzw. verpachteter Altenheime an eine Investorengruppe mit mehreren selbständigen Gesellschaften entschieden und damit eine Umsatzsteuerbefreiung in derartigen Fällen abgelehnt.

Der BFH hat in einer aktuellen Entscheidung zu der Frage Stellung genommen, ob die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne von § 1 Absatz 1a UStG auch dann erfüllt sind, wenn der Betrieb auf mehrere Erwerber und nicht nur auf einen Erwerber, der den Betrieb fortführt, übertragen wird.

Eine Mitunternehmerschaft vermietete verschiedene Altenheime mit Inventar an mehrere Betreibergesellschaften, die vollständig von der Mitunternehmerschaft gehalten wurden. Die Mitunternehmerschaft verkaufte alle Altenheime samt Inventar und ihre Anteile an den Betreibergesellschaften an eine schwedische Investorengruppe in einem einheitlichen Vertrag, bei dem auf Käuferseite mehrere Erwerber auftraten, die unterschiedliche Teile des gesamten Vermögens erworben hatten. So wurden zum Beispiel Inventar und Grundstücke an unterschiedliche Unternehmen der Investorengruppe verkauft. Die veräußernde Mitunternehmerschaft behandelte den Verkauf als nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen, während das Finanzamt von einem umsatzsteuerpflichtigen Vorgang ausging.

Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen

Einleitend geht der BFH auf die Voraussetzungen des § 1 Absatz 1a UStG ein. Danach unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Laut dieser gesetzlichen Regelung liegt eine Geschäftsveräußerung dann vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt dabei an die Stelle des Veräußerers.

Demnach müssen Geschäftsbetriebe oder selbständige Unternehmensteile übertragen werden, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Zudem muss der Erwerber beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit.

Der Begriff des Teilvermögens bezieht sich in diesem Zusammenhang nicht auf einen Bestandteil oder mehrere lose Bestandteile eines Unternehmens, sondern auf eine Kombination von ihnen, die zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ausreicht – auch wenn diese Tätigkeit nur ein Teil des größeren Unternehmens war, von dem die Bestandteile abgespalten wurden.

Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung daher entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht und ob die ausgeübten Tätigkeiten vor und nach der Übertragung übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln. Es kommt insoweit nicht darauf an, ob beim Veräußerer eine eigenständige betriebliche Organisation vorlag, sondern vielmehr darauf, ob ein Teilvermögen übertragen wird, das vom Erwerber als selbständiges Unternehmen fortgeführt werden kann. Die organisatorischen Verhältnisse beim Veräußerer sind damit unmaßgeblich.

Grundsätze der Geschäftsveräußerung bei mehreren Erwerbern

Der BFH folgt insoweit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Danach ist, obwohl die Regelungen in der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie die Formulierung „Übertragender“ bzw. „Erwerber“ nur im Singular verwenden, bei Anwendung dieser Bestimmung und Vorliegen mehrerer Leistungsbeziehungen „jeder Vorgang einzeln und selbständig zu beurteilen“. Daraus folgert der BFH, dass bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen im Rahmen der umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehung zwischen der Mitunternehmerschaft und jedem Erwerber diejenigen Leistungen unberücksichtigt bleiben müssen, die Gegenstand von weiteren und gegebenenfalls gesondert zu untersuchenden umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen zu anderen Unternehmern sind. Wirtschaftliche Gesichtspunkte sind bei dieser Beurteilung nicht maßgeblich.

Anwendung der Grundsätze im Streitfall

Weil durch die bloße Veräußerung des Inventars allein keine Fortführung des Unternehmens möglich war und die Erwerber durch diese Anschaffung allein nicht einen selbständigen Unternehmensteil erworben haben, der sie in die Lage versetzt hätte, das von der Mitunternehmerschaft vorher betriebene Vermietungs- und Verpachtungsunternehmen fortzusetzen, lag nach Ansicht des BFH keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. Eine solche Fortführung hätte vielmehr noch die Übertragungen der Gesellschaftsanteile und des Grundbesitzes an den identischen Erwerber erfordert. Diese Umsätze mussten aber bei der Prüfung der Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung im Ganzen hinsichtlich des Verkaufs des Inventars unberücksichtigt gelassen werden, weil es sich insoweit um umsatzsteuerrechtliche Leistungsbeziehungen zwischen anderen Vertragspartnern handelte.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BFH sorgt für Klarheit. Bei einer Geschäftsveräußerung im Ganzen kommt es also nicht auf den Verkauf des gesamten Unternehmens an, sondern darauf, ob der Erwerber mit den erworbenen Wirtschaftsgütern das fragliche Unternehmen fortführen kann. Dies dürfte in der Regel bei einer Veräußerung an mehrere Erwerber nicht der Fall sein, es sei denn, gesonderte Teilbetriebe werden einzeln verkauft. Bei einem Verkauf an mehrere Erwerber ist damit von einem grundsätzlich umsatzsteuerpflichtigen Vorgang auszugehen. Darauf werden sich sowohl Veräußerer als auch Erwerber und deren Berater einstellen müssen.

BFH, Urt. v. 04.02.2015 - XI R 14/14

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz