VRD © fotolia.de

Verfahrensrecht -

Initiative im Bundesrat: Werden die Steuerzinsen abgesenkt?

Die derzeitige Höhe der Steuerzinsen ist schon länger umstritten - in mehreren Gerichtsverfahren wird momentan die Rechtmäßigkeit der Zinshöhe überprüft. Jetzt ergreift auch die Politik die Initiative: Hessen hat im Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Absenkung der Erstattungs- und Nachzahlungszinsen beantragt. Die Pläne sehen eine Halbierung des Zinssatzes von bisher 6 % auf 3 % pro Jahr vor.

Mit einer Pressemitteilung vom 21.09.2018 sprach sich Hessens Finanzminister Dr. Thomas Schäfer erneut für eine Anpassung der steuerlichen Zinssätze an das aktuelle Zinsniveau aus. Dazu hat das Land Hessen einen Antrag zur Anpassung der Verzinsung nach AO und einen begleitenden Entschließungsantrag mit der Perspektive für einen künftig marktreagiblen Zinssatz im Bundesrat eingebracht. Auch das Bundesland Bayern setzt sich für ein marktübliches Zinsniveau ein.

Grundsatz: Wann müssen Zinsen gezahlt werden?

Grundsätzlich sind Steuern nur dann zu verzinsen, soweit dies gesetzlich angeordnet ist. Die Zinsberechnung richtet sich nach § 238 AO und beträgt für jeden vollen Monat 0,5 %, also 6 % p.a. Die Verzinsung kann durch unterschiedliche in der AO aufgeführte Ereignisse ausgelöst werden.

Nach § 233a AO sind Steuernachforderungen und Steuererstattungen grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, zu verzinsen. Beispielsweise werden nachzuzahlende oder zu erstattende Beträge der Einkommensteuer für das Jahr 2017 ab April 2019 verzinst.

Ferner fallen nach § 234 AO Stundungszinsen für die Dauer einer gewährten Stundung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis an. Ebenso sind nach § 235 AO hinterzogene Steuern, nach § 236 AO Erstattungsbeträge aus Prozessen und nach § 237 AO Beträge aufgrund einer Aussetzung der Vollziehung zu verzinsen.

Seit fast 60 Jahren unveränderte Zinsen

Nach den Ausführungen von Herrn Dr. Schäfer beträgt die Verzinsung seit dem Jahr 1961 konstant 0,5 % pro Monat. Diese Konstanz führt für Steuerpflichtige regelmäßig zu finanziellen Nachteilen, so dass sich bereits viele Steuerrechtler zu der Zinsthematik geäußert haben.

Auch vor den Gerichten ist die Zinshöhe ein Dauerthema. Im April 2018 hat der Bundesfinanzhof (BFH) erstmals eine für Zinszahler erfreuliche Entscheidung gefällt und die Vollziehung streitbefangener Zinsfestsetzungen bis auf weiteres ausgesetzt. Vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sind ebenfalls einige Klagen gegen Zinsfestsetzungen anhängig.

Gründe für eine Anpassung der Zinshöhe

Hessens Finanzminister stellt insbesondere in Frage, ob steuerliche Zinsen von 6 % p.a. im aktuellen Niedrigzinsumfeld noch angemessen sind. Er hat zudem den Eindruck, dass auch das BVerfG konkrete Gesetzesvorschläge zur Anpassung der Zinshöhe positiv aufnehmen würde. Sollte das BVerfG gegen die aktuelle Zinshöhe urteilen, könne dies zu einer Verpflichtung zur rückwirkenden Erstattung überhöhter Zinsen in Milliardenhöhe führen.

Aktuell anhängige Verfahren zur Zinshöhe

Der BFH hat mit Beschluss vom 25.04.2018 (IX B 21/18) Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinshöhe für Verzinsungszeiträume ab dem 01.04.2015 geäußert. Diese Auffassung hat das Bundesministerium der Finanzen in die Verwaltungspraxis einbezogen: Es gewährt auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung.

Darüber hinaus sind gleich mehrere Verfahren vor den Gerichten anhängig. Insbesondere liegen dem BVerfG zwei Verfassungsbeschwerden vor (Az. 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17), die die Verfassungsmäßigkeit des in § 238 AO geregelten Zinssatzes zum Gegenstand haben.

Praxishinweis

Die durch das Land Hessen eingereichten Anträge zur Anpassung der Verzinsung und zur Einführung eines marktreagiblen Zinssatzes für die Zukunft zeigen, dass jetzt auch endlich von politischer Seite konkret angedacht ist, den Finanzamtszinssatz an das aktuelle Marktzinsniveau anzupassen. Wann jedoch das Zinsniveau angepasst wird, ist zurzeit immer noch nicht absehbar. Steuerpflichtige sollten sich daher in allen offenen Fällen auf die oben angeführten anhängigen Verfahren berufen und im Einspruchsverfahren gem. § 363 Abs. 2 AO ein Ruhen des Verfahrens beantragen.

Gesetzesantrag des Landes Hessen v. 09.08.2018 zum Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Verzinsung nach der Abgabenordnung, BR-Drs. 396/18

Quelle: Steuerberater und Dipl.-Volkswirt Volker Küpper