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Verfahrensrecht -

Nachzahlungszinsen nach langem Erbverfahren

Der BFH hat einen Billigkeitserlass für Nachzahlungszinsen auf Einkünfte eines Erben abgelehnt, die nach einem langen Erbscheinverfahren erhoben worden waren. Demnach kann auch ein Grundlagenbescheid, der viele Jahre nach Ende des Veranlagungszeitraums erlassen oder geändert wird, eine Zinspflicht begründen. Auf eine fehlende Nutzungsmöglichkeit während des Erbscheinverfahrens kommt es nicht an. 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 09.04.2025 (X R 12/21) entschieden, dass die Zinsentstehung nicht dadurch gehindert oder reduziert wird, dass der Steuerpflichtige aufgrund der unklaren Erbrechtsituation nicht in der Lage war, die Besteuerungsgrundlagen früher zu ermitteln bzw. zu schätzen und eine Vorauszahlung auf die zu erwartenden Steuern zu leisten. 

Die Freistellung von der Zahlung der Steuer rechtfertigt im Hinblick auf den hierdurch typisierend anzunehmenden Liquiditäts- und Zinsvorteil hinsichtlich der Steuerschuld die Festsetzung von Nachzahlungszinsen.

Sachlage im Streitfall

Erblasser E hinterließ nach seinem Tod mehrere Testamente, deren Auslegung zu langjährigen Auseinandersetzungen über die Erbfolge führte. 

Im Mittelpunkt stand insbesondere die Frage, ob E bei Errichtung der jeweiligen letztwilligen Verfügungen testierfähig war. Erst nach mehreren Jahren wurde ein Erbschein ausgestellt, der u.a. den Kläger als Erben auswies.

In den an die Erbengemeinschaft gerichteten Feststellungsbescheiden für die Jahre 2012 bis 2017 wurden dem Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb, aus Vermietung und Verpachtung sowie Kapitaleinkünfte anteilig zugerechnet. 

In den geänderten Einkommensteuerbescheiden des Klägers wurden bei der Berücksichtigung der Einkünfte Nachzahlungszinsen gem. § 233a AO für die Jahre 2012 bis 2017 festgesetzt.

Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass sämtlicher Nachzahlungs- und Erstattungszinsen aus sachlichen Billigkeitsgründen. 

Die Anträge sowie die infolge der Ablehnung erhobene Klage blieben ohne Erfolg. Der BFH sah die Revision des Klägers als unbegründet an und wies diese daher zurück.

Erlass von Zinsen nach § 233a AO aus sachlichen Billigkeitsgründen

Ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen gem. § 227 AO ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur dann gerechtfertigt, wenn die Anwendung des gesetzlichen Tatbestands im konkreten Fall dem Zweck des Gesetzes widerspricht und dessen Wertungen zuwiderläuft. 

Dies setzt voraus, dass der Gesetzgeber bei Kenntnis des zu beurteilenden Sachverhalts eine abweichende Regelung getroffen hätte. Hingegen können Umstände, die der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen hat, keinen Billigkeitserlass rechtfertigen. 

Die Billigkeitsprüfung darf nicht die generelle Anwendbarkeit des Gesetzes unterlaufen, sich aber auch nicht lediglich in einer Kontrolle der rechtmäßigen Gesetzesanwendung erschöpfen.

Der Zweck von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO liegt darin, einen Ausgleich für Liquiditätsvorteile zu schaffen, die durch zeitlich unterschiedliche Steuerfestsetzungen entstehen. 

Die Regelung basiert auf der typisierenden Annahme eines Zinsvorteils bei späterer Steuerfestsetzung. Ob im Einzelfall tatsächlich ein Liquiditätsvorteil bestanden hat, ist dabei grundsätzlich unbeachtlich.

Anwendung der Grundsätze auf den Streitfall

Nach Auffassung des BFH rechtfertigt der verzögerte Erlass eines Grundlagenbescheids aufgrund einer langen Verfahrensdauer keinen Billigkeitserlass der entsprechenden Nachzahlungszinsen. 

Der Umstand, dass der Steuerpflichtige aufgrund der unklaren Erbrechtsituation nicht in der Lage war, die Besteuerungsgrundlagen früher zu ermitteln oder zu schätzen, um eine Steuervorauszahlung zu leisten und so eine Zinsentstehung zu verhindern oder jedenfalls zu reduzieren, begründet keine sachliche Unbilligkeit. 

Dabei ist es unerheblich, ob der Steuerpflichtige tatsächlich über die Nachlassgegenstände verfügen konnte. Allein der Liquiditäts- und Zinsvorteil rechtfertigt die Festsetzung von Nachzahlungszinsen.

Praxishinweis

Der BFH folgt seiner früheren Rechtsprechung und bejaht die Festsetzung der Nachzahlungszinsen unabhängig von dem Grund der verzögerten Steuerfestsetzung. Eine Zinsentstehung hätte daher im Streitfall lediglich durch eine freiwillige Steuervorauszahlung gestoppt werden können. 

In entsprechenden Fällen sollten daher Steuerberater ihre Mandanten kontaktieren, um zumindest die Möglichkeit zu erörtern, die Zinsentstehung zu stoppen.

BFH, Urt. v. 09.04.2025 - X R 12/21

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