Wann besteht bei Steuerzahlungen ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt? Der BFH hat entschieden, dass auch ein Dritter, der auf eine fremde Steuerschuld zahlt, eine Tilgungsbestimmung abgibt. Hat der Dritte diese nach zivilrechtlichen Regeln wirksam angefochten, gilt die Tilgungsbestimmung als von Anfang an nichtig. Daraus kann sich für den Dritten ein Erstattungsanspruch ergeben.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seiner Entscheidung vom 19.03.2025 (X R 20/23) die Grundsätze zur Tilgungsbestimmung im Steuerrecht weiter konkretisiert.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Die Klägerin K überwies von ihrem Privatkonto an das Finanzamt (FA) einen Geldbetrag und gab als Verwendungszweck bei der Überweisung die Steuernummer einer anderen Person, außerdem den Veranlagungszeitraum und die Steuerart an.
Da unter der genannten Steuernummer ein X geführt und bei diesem am Folgetag eine Nachzahlungsschuld in entsprechender Höhe fällig wurde, ordnete das FA die Zahlung dem X zu. Daraufhin beantragte K erfolglos die Erstattung des überwiesenen Betrags, da es sich bei der Überweisung um ein Versehen gehandelt habe.
Das FA lehnte die Erstattung ab. Rein vorsorglich erkläre K daraufhin die Anfechtung der Zahlung, zunächst wegen eines Irrtums. Später erklärte sie die Anfechtung aufgrund einer Drohung und machte geltend, sie habe die Zahlung nicht freiwillig geleistet, sondern sei von X erpresst bzw. rechtswidrig bedroht worden.
Das FA lehnte eine Erstattung gleichwohl ab, die dagegen erhobene Klage vor dem Finanzgericht (FG) blieb erfolglos. Der BFH sah die Revision hingegen als begründet an.
Begründung im Besprechungsfall
Nach Ansicht des BFH hat K als Dritte eine Zahlung auf die Steuerschuld des X geleistet. X ist daher als Steuerschuldner grundsätzlich Erstattungsberechtigter.
Hat ein Dritter eine Leistung bewirkt, dann ist nicht derjenige erstattungsberechtigt, auf dessen Kosten gezahlt wurde (also der Dritte), sondern derjenige, auf dessen Rechnung gezahlt wurde (also der Steuerschuldner).
Folglich hat K mit der streitigen Überweisung eine Leistung als „Dritte“ bewirkt und zwar auf Rechnung des X. Damit ist die Steuerschuld des X erloschen und grundsätzlich nur dieser zur Erstattung berechtigt, falls ein Rechtsgrund dafür gegeben ist.
Allerdings kann ein auf eine fremde Schuld leistender Dritter seine Tilgungsbestimmung im Fall einer widerrechtlichen Drohung anfechten mit der Folge, dass ihm selbst ein Erstattungsanspruch zusteht und er das Bestimmungsrecht erneut ausüben kann.
Weil das FG zu der Frage, ob K widerrechtlich durch eine Drohung des X zu der vorgenommenen Überweisung bestimmt wurde, keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, hob der BFH die Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit zur weiteren Verhandlung zurück.
K wird dann im zweiten Rechtsgang die Voraussetzungen für die behauptete Anfechtbarkeit der Tilgungsbestimmung beweisen müssen.
Praxishinweis
Der BFH hat seine bisherigen Grundsätze wie folgt konkretisiert: Eine Tilgungsbestimmung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs auszulegen ist und auf die die Vorschriften über die Anfechtung entsprechende Anwendung finden.
Auch ein Dritter, der auf eine fremde Steuerschuld leistet, gibt eine Tilgungsbestimmung ab. Wird die Tilgungsbestimmung wegen einer Drohung wirksam angefochten, so ist sie als von Anfang an nichtig anzusehen. Dem Dritten kann in diesem Fall ein Erstattungsanspruch zustehen.
BFH, Urt. v. 19.03.2025 - X R 20/23