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Verfahrensrecht -

Schätzung durchs Finanzamt: Wann ist ein Sicherheitszuschlag zulässig?

Wann darf das Finanzamt im Wege einer Schätzung einen Sicherheitszuschlag erheben? Das Finanzgericht Köln hat die Voraussetzungen näher erläutert. Demnach ist ein solcher (Un-)Sicherheitszuschlag gegenüber anderen Schätzungsmethoden nachrangig und grundsätzlich eine Einzelfallbetrachtung notwendig. Im Streitfall hatte das Finanzamt Mängel bei der Programmdokumentation eines Kassensystems moniert.

Das Finanzgericht Köln (FG) hat sich in einer aktuellen Entscheidung mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen ein Sicherheitszuschlag als Schätzungsmethode vom Finanzamt (FA) eingesetzt werden darf.

Bei einer Bäckerei (GmbH & Co. KG), die mehrere Filialbetriebe unterhielt, führte eine Betriebsprüfung zu Hinzuschätzungen. Das FA begründete dies u.a. damit, dass Kassensysteme eingesetzt wurden, für die die vollständigen Programmdokumentationen fehlten. Die im internen Betriebsvergleich ermittelten Warenaufschlagsätze lagen nach Ansicht des FA unter dem mittleren Aufschlagsatz. Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs waren nach Auffassung des FA wegen extremer Schwankungen auffällig.

Wegen der Vielzahl der Mängel nahm das FA einen (griffweisen) Unsicherheitszuschlag von 10 % der erklärten Nettobarbetriebseinnahmen vor. Trotz dieser Hinzuschätzungen lagen Rohgewinnaufschlagsätze vor, die sich im Rahmen der Richtsatzsammlung hielten. Die Bäckerei beantragte eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung, was vom FA abgelehnt wurde. Daraufhin legte die Bäckerei Rechtsmittel beim Finanzgericht ein.

Voraussetzungen der Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung

Das Gesetz gibt keine konkreten Voraussetzungen vor, wann eine Aussetzung ohne Sicherheitsleistung gewährt werden soll, sondern stellt dies ins Ermessen der Behörde. Maßstab ist dabei die mögliche Gefährdung des Steueranspruchs der Behörde für den Fall, dass der Steuerpflichtige in der Hauptsache unterliegt. Dies hat das FG lediglich summarisch zu prüfen.

Ein ausdrücklicher Ausschluss der Sicherheitsleistung bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids kommt dabei nur in Betracht, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit in der Hauptsache eine für den Steuerpflichtigen günstige Entscheidung zu erwarten ist.

Wahrscheinlichkeit des Obsiegens der Bäckerei in der Hauptsache

Bezüglich eines Teils der Hinzuschätzung geht das FG bei summarischer Prüfung von einem überwiegend wahrscheinlichen Obsiegen der Bäckerei aus. Zwar nimmt das FG insbesondere wegen der fehlenden vollständigen Dokumentation der Programmierung der Kassen ebenfalls eine nicht ordnungsgemäße Kassenbuchführung an, allerdings hält das FG das Maß der Hinzuschätzung durch das FA für unzutreffend.

Die Finanzbehörde darf nicht bewusst zu hoch schätzen. Um diese Vorgabe einzuhalten, müssen die Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe der Schätzungsmethode ermittelt werden, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit mit sich bringt, was jeweils eine Frage des Einzelfalls ist.

Wahl der zutreffenden Schätzungsmethode

Vor diesem Hintergrund hatte das FG erhebliche Bedenken an einem Sicherheitszuschlag von 10 %. Es steht bisher nicht fest, dass anderweitige Schätzungsmethoden nicht möglich sind oder keine realitätsgerechte Abbildung von Buchführungsmängeln darstellen. Auch wenn der Sicherheitszuschlag als zulässiges Schätzungsinstrument anzusehen sein sollte, sind die hierdurch errechneten Hinzuschätzungen einer Prüfung dahingehend zu unterziehen, ob sie schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sind.

Hierbei ist im Streitfall auffällig, dass die Bäckerei erhebliche Nettoeinnahmen erzielte, wodurch sich ein 10%iger Sicherheitszuschlag erheblich auswirkt. Derzeit ist neben der allgemeinen Angabe des FA noch nicht näher plausibilisiert, wie solche zusätzlichen Geldbeträge an die Bäckerei oder ihren Unternehmensinhaber geflossen sein können. Bei einer (im Schätzungswege angenommenen) Verkürzung von so erheblichen Beträgen liegen üblicherweise anderweitige Auffälligkeiten vor (z.B. nachweisbar nicht erfasste Wareneinkäufe).

Im Streitfall sind für das FG nach summarischer Prüfung jedoch keine so erheblichen Mängel erkennbar, dass dies einen Zuschlag von 10 % rechtfertigen würde. Das FG hält hier deshalb eine Verminderung der Nettohinzuschätzung auf 5 % allein für Zwecke des Ausschlusses der Sicherheitsleistung für sachgerechter.

Praxishinweis

Die Entscheidung des FG ist zwar zunächst nur im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangen, folgt aber der herrschenden Rechtsprechung des BFH: Ein Sicherheitszuschlag ist die letzte Möglichkeit für die Finanzverwaltung, bei einer nicht ordnungsgemäßen Buchhaltung die Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln. Zunächst müssen betriebsinterne Daten verwandt werden. Es ist zu begrüßen, dass auch die FG dem BFH auf dieser Linie folgen, um die ausufernden Schätzungen der FA, die für den Steuerpflichtigen zu existenzgefährdenden Folgen führen können, weiter einzudämmen.

FG Köln, Beschl. v. 06.06.2018 - 15 V 754/18

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht