Wann und wie darf das Finanzamt bei mangelhafter Kassenführung Einnahmen schätzen? Der BFH hat entschieden, dass im Rahmen des Ermessens genauere Schätzungsmethoden tendenziell vorzuziehen sind. Demnach ist der innere Betriebsvergleich im Vergleich zum äußeren Betriebsvergleich regelmäßig als die zuverlässigere Schätzungsmethode anzusehen. Zudem bedarf es einer nachvollziehbaren Begründung.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit seiner Entscheidung vom 29.07.2025 (X R 23-24/21) die Grundsätze zur Wahl der zutreffenden Schätzungsmethode erneut bestätigt.
Sachverhalt im Besprechungsfall
Bei K, der einen Gastronomiebetrieb führt, verwarf eine Betriebsprüfung die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung. Begründet wurde dies damit, dass in den Tagesabschlüssen der genutzten EDV-Kasse u.a. keine Stornobuchungen ausgewiesen wurden, obwohl das System diese zuließ.
Die Prüfer ermittelten das Betriebsergebnis daher anhand der amtlichen Richtsatzsammlung - unter Berücksichtigung der besonderen betrieblichen Gegebenheiten - neu.
Das Finanzgericht (FG) bestätigte die Schätzung im Ergebnis. Der BFH hob das Urteil jedoch auf.
Begründung im Besprechungsfall
Nach Ansicht des BFH besteht bereits dann eine Schätzungsbefugnis, wenn ein Kassensystem Stornierungen ermöglicht, ohne diese systembedingt in den Tagesabschlüssen bzw. in den Z-Bons auszuweisen.
Ein zusätzlicher Nachweis tatsächlicher Einnahmeverkürzungen ist in diesem Fall nicht erforderlich. Eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation oder eine anderweitige Heilung des Mangels ist ausgeschlossen.
Der BFH bestätigt zudem seinen Grundsatz, dass die Schätzungsmethode frei wählbar ist, solange das Ergebnis wirtschaftlich möglich und plausibel erscheint.
Unter mehreren Methoden ist diejenige zu wählen, die mit zumutbarem Aufwand das wahrscheinlichere Ergebnis erwarten lässt. Dabei ist grundsätzlich der innere Betriebsvergleich dem äußeren Betriebsvergleich vorzuziehen.
Eine Nachkalkulation - selbst wenn sie Unsicherheiten enthält - ist daher einer sogenannten Richtsatzschätzung vorzuziehen. Die Schätzung ist in jedem Fall zu begründen.
Hierbei kann für die griffweise Schätzung auch auf die Kennzahlen der Richtsatzsammlung zurückgegriffen werden.
Da die vorgenommene Schätzung diesen Anforderungen nicht genügte, verwies der BFH die Sache zurück. Insbesondere hätte zunächst ein innerer Betriebsvergleich, etwa in Form einer Ausbeutekalkulation, erfolgen müssen.
Ergänzend verweist der BFH auf sein Urteil vom 18.06.2025 (X R 19/21): Für einen äußeren Betriebsvergleich bestehen erhebliche Zweifel an der Eignung der Richtsatzsammlung in ihrer bisherigen Form als tragfähige Schätzungsgrundlage.
Praxishinweis
Im Ergebnis bestätigt der BFH seine bisherigen Grundsätze und bekräftigt zugleich seine Zweifel an der amtlichen Richtsatzsammlung, es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung darauf reagieren wird.
BFH, Urt. v. 29.07.2025 - X R 23-24/21