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Verfahrensrecht -

Schätzung von Einnahmen: Folgen bei mangelhafter Kassenführung

Wann darf das Finanzamt Einnahmen schätzen bzw. einen Sicherheitszuschlag erheben? Der BFH hat erläutert, welche Voraussetzungen eine Schätzung hat und welche Methode zulässig ist. Bei formalen Mängeln der Buchführung für ein PC-Kassensystem ist demnach eine Bargeldverkehrsrechnung im Grundsatz vorrangig zu einem Sicherheitszuschlag. Wichtig können bestimmte Unterlagen zum Kassensystem werden.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, wie sich formelle Mängel der Buchführung auf die Schätzungsbefugnis des Finanzamts (FA) auswirken.

Ein Friseur erfasste seine Einnahmen mit Hilfe eines PC-Kassensystems, dessen Software den in den Streitjahren geltenden GoBS und GDPdU entsprach. Das FA jedoch stufte die Kassenführung des Friseurs als nicht ordnungsgemäß ein: Die vom PC-Kassensystem erstellten Kassenberichte seien nicht fortlaufend nummeriert, außerdem sei nicht erkennbar, wann sie erzeugt wurden. Überdies seien die Protokolle über die Einrichtung und Programmierung des Kassensystems nicht vorhanden; die Kassensturzfähigkeit sei nicht gegeben.

Daher führte der Prüfer eine Erlösverprobung durch, die zu erheblichen Hinzuschätzungen führte. Obwohl der Friseur vortrug, dass die erforderlichen Programmierprotokolle im PC-Kassensystem gespeichert seien, begründete das Finanzgericht (FG) mit deren Fehlen einen erheblichen Mangel. Das FG hielt einen Sicherheitszuschlag damit für zulässig. Zudem stellte es fest, dass die Software des PC-Kassensystems nicht manipulationssicher sei. Dagegen legte der Friseur erfolgreich Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH ein.

Speicherung der Dokumentationsunterlagen im PC-Kassensystem

Zunächst stellte der BFH fest, dass die Programmiervorgänge eines Kassensystems nicht ausschließlich in Papierform dokumentiert werden müssen. Vielmehr lässt § 147 Abs. 2 AO ausdrücklich zu, dass insbesondere die in § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO genannten „sonstigen Organisationsunterlagen“, zu denen auch die Dokumentation der Kassenprogrammierung zählt, auf Datenträgern aufbewahrt werden können.

Da das FG die Schätzungsbefugnis in erster und entscheidender Linie darauf gestützt hat, dass der Friseur die erforderlichen Programmierprotokolle nicht vorgelegt habe, hätte es den Vortrag des Friseurs dazu überprüfen müssen. Womöglich wäre dann die wesentliche Grundlage für die vom FG angenommene Schätzungsbefugnis entfallen. Bereits aus diesem Grund hob der BFH die Entscheidung des FG auf und verwies den Rechtsstreit zurück ans FG zur weiteren Sachaufklärung.

Manipulationsmöglichkeit der Registrierkasse

Der BFH wies auf noch einen weiteren Punkt hin, den das FG dabei zu beachten hat: Bei Registrierkassen eher einfacherer Bauart tritt das Gewicht des Mangels, der in der Nichtaufbewahrung der Bedienungsanleitungen und Programmdokumentationen liegt, zurück, wenn der Steuerpflichtige für den konkreten Einzelfall darlegt, dass die von ihm verwendete Kasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet.

Denn bei Kassen, die im Allgemeinen nur sehr eingeschränkte Programmiermöglichkeiten bieten, hält es der BFH für möglich, dass ein Steuerpflichtiger den Nachweis führen kann, dass die vorhandene Programmiermöglichkeit keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet. Dies gilt aber nicht ohne weiteres für frei programmierbare PC-Kassensysteme. Vielmehr ist bisher ungeklärt, was für solche Kassensysteme gilt. Diese Frage dürfte von grundsätzlicher Bedeutung sein.

Außerdem bekräftigte der BFH, dass es beim Fehlen der erforderlichen Unterlagen zur Dokumentation der Kassenprogrammierung zwar nicht ausreicht, wenn der Steuerpflichtige lediglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt. Er hat aber die Möglichkeit, die Programmierung des von ihm verwendeten Kassensystems anhand geeigneter (Ersatz-)Unterlagen darzulegen.

Anzuwendende Schätzmethode

Schließlich nahm der BFH noch dazu Stellung, welche Schätzmethode vom FA anzuwenden ist in dem Fall, dass die Programmierunterlagen nicht vorliegen und darin ein formeller Mangel zu sehen ist: Er hält die vom FA vorgenommene Bargeldverkehrsrechnung für grundsätzlich geeigneter als einen Sicherheitszuschlag.

Denn die Bargeldverkehrsrechnung baut unmittelbar auf den individuellen Verhältnissen des Steuerpflichtigen auf. Dagegen stellt ein bloßer Sicherheitszuschlag als Unterfall einer griffweisen Schätzung diejenige Schätzmethode dar, die mit den größten Unsicherheiten behaftet ist und konkreter Tatsachengrundlagen vollständig oder nahezu vollständig entbehrt. Sie ist daher grundsätzlich nachrangig.

Praxishinweis

Der BFH konkretisiert seine Rechtsprechung zu den Schätzungsmethoden weiter: Formelle Mängel, wozu auch das Fehlen der Dokumentationsunterlagen zur Kassenprogrammierung zählt, berechtigen zwar nach wie vor zur Schätzung. Aber Finanzämter müssen zunächst eine Bargeldverkehrsrechnung anhand der individuellen Verhältnisse des Steuerpflichtigen vornehmen, bevor sie einen Sicherheitszuschlag anwenden können.

Finanzämter werden sich also künftig nicht mehr mit der oft geübten Vorgehensweise begnügen können, pauschal einen bestimmten Prozentsatz der erklärten Umsätze hinzuzuschätzen. Diese Hinweise zur Vorgehensweise bei Schätzungen sollte jeder Berater kennen, um bei Betriebsprüfungen auf Schätzungen der Behörden angemessen reagieren zu können.

BFH, Beschl. v. 23.02.2018 - X B 65/17

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht