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Erbschaftsteuerreform: Gesetzentwurf der Bundesregierung

Das Bundeskabinett hat sich auf einen Gesetzentwurf zur Reform des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) geeinigt. Die aktuellen Gesetzgebungspläne modifizieren dabei nochmals den bereits vorgestellten Referentenentwurf des Bundesfinanzministeriums. Insbesondere die geplanten „Verschonungs- und Lohnsummenregelungen“ dürften für Unternehmen und Erben besonders relevant sein.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Dezember 2014 die wesentlichen Regelungen im ErbStG zur Begünstigung von Betriebsvermögen zwar für verfassungswidrig, jedoch das Gesetz noch bis zum 30.06.2016 für anwendbar erklärt hatte, war Anfang Juni 2015 ein erster Referentenentwurf aus dem BMF bekanntgeworden. Nun – etwa einen Monat später – hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die grundlegenden Ideen des Referentenentwurfs aufnimmt, allerdings die Regelungen des Referentenentwurfs hinsichtlich der Begünstigung von kleineren und größeren Vermögen modifiziert.

Der Regierungsentwurf setzt ebenso wie der Referentenentwurf bei der Definition des begünstigten Vermögens und den Verschonungsregelungen an. Die Verschonungsregelungen werden dabei im Vergleich zum Referentenentwurf weiter differenziert.

Definition des begünstigten Vermögens

Nach der noch geltenden Rechtslage wird Betriebsvermögen verschont, wenn der darin enthaltene Verwaltungsvermögensanteil unter 50 % liegt. Da dies vom BVerfG als unverhältnismäßig angesehen wurde, soll nach dem Gesetzentwurf zukünftig nur das sogenannte begünstigte Vermögen verschont werden. Als begünstigt wird solches Vermögen definiert, das seinem Hauptzweck nach überwiegend einer gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit dient. Durch diese Neudefinition sollen nach Ansicht des Gesetzentwurfs auch missbräuchliche Gestaltungen, die nach der noch geltenden Gesetzesfassung möglich sind, verhindert werden.

Verschonungsregelungen

Der Gesetzentwurf behält die Wahlmöglichkeit des Erwerbers bei, das begünstigte Vermögen unter bestimmten Voraussetzungen zu 85 % oder vollständig steuerfrei zu stellen. Unverändert werden auch die Behaltensfristen von fünf bzw. sieben Jahren in Kombination mit der sogenannten Lohnsummenregelung übernommen: Für die Verschonung in Höhe von 85 % des begünstigten Vermögens muss der Erwerber den Betrieb mindestens fünf Jahre fortführen und nachweisen, dass die Lohnsumme innerhalb dieses Zeitraums nach dem Erwerb grundsätzlich insgesamt mindestens 400 % der Ausgangslohnsumme erreicht.

Für die vollständige Befreiung von der Erbschaftsteuer muss eine Behaltensfrist von sieben Jahren eingehalten werden. Die Lohnsumme, welche der Betrieb im Grundsatz innerhalb dieses Zeitraums erreicht, muss mindestens 700 % der Ausgangslohnsumme entsprechen.

Differenzierung bei der Lohnsummenregelung

Während bisher bei der Verschonung lediglich auf die starre Mindestzahl von zwanzig Angestellten für die Anwendung der Lohnsummenregelung abgestellt wurde und Betriebe mit weniger Angestellten generell von der Lohnsummenregelung ausgenommen waren, soll künftig abgestuft nach der Anzahl der Angestellten und dem Wert des übertragenen Vermögens unterschieden werden. Zunächst soll die Anforderung an die Lohnsummenregelung in Abhängigkeit von der Zahl der Beschäftigten zunehmen. Dabei werden kleine Betriebe begünstigt:

  • Für Unternehmen mit bis zu drei Beschäftigten entfällt die Prüfung der Lohnsummenregelung.
  • Unternehmen mit vier bis zehn Beschäftigten müssen bei einer Behaltensfrist von mindestens fünf Jahren eine Lohnsumme von 250 % der Ausgangslohnsumme bzw. bei einer Behaltensfrist von mindestens sieben Jahren eine Lohnsumme von mindestens 500 % erreichen.
  • Unternehmen mit elf bis 15 Beschäftigten müssen bei einer Behaltensfrist von mindestens fünf Jahren eine Lohnsumme von 300 % der Ausgangslohnsumme bzw. bei einer Behaltensfrist von mindestens sieben Jahren eine Lohnsumme von 565 % erreichen.
  • Bei Unternehmen mit mehr als 16 Beschäftigten gelten dann die oben genannten Grenzen von 400 % bzw. 700 %.

Differenzierung bei der Verschonung

Während nach der derzeitigen Rechtslage die Verschonungsregeln für die Übertragung von jeglichem Betriebsvermögen gelten, soll künftig in Umsetzung der Entscheidung des BVerfG geprüft werden, ob ein Bedarf für die Verschonung des Betriebsvermögens besteht. Dabei soll nach dem Wert des übertragenen Vermögens differenziert werden. Künftig soll eine sogenannte Prüfschwelle gelten. Wird diese Schwelle überschritten, ist eine Bedürfnisprüfung vorzunehmen.

Dabei wird die Prüfschwelle grundsätzlich bei einem Wert des begünstigten Vermögens von 26 Mio. € festgelegt. Dieser Wert verdoppelt sich auf 52 Mio. €, wenn bestimmte gesellschaftsvertragliche oder satzungsmäßige Beschränkungen, die für Familienunternehmen typisch sind, getroffen worden sind (wie z.B. Entnahmebeschränkungen oder eine Beschränkung der Übertragbarkeit der Anteile auf Mitgesellschafter und Familienangehörige). Der Referentenentwurf des BMF sah eine Prüfschwelle von 20 bzw. 40 Mio. € vor.

Beim Erwerb von begünstigtem Vermögen mit einem Wert oberhalb dieser Prüfschwelle ist vorgesehen, dass ein Wahlrecht zwischen einer Verschonungsbedarfsprüfung und einem besonderen Verschonungsabschlag besteht. Bei der Verschonungsbedarfsprüfung muss der Erwerber den Nachweis führen, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuerschuld zu begleichen – sei es aus bereits vorhandenem sonstigen nichtbetrieblichen Vermögen oder aus nichtbegünstigtem Vermögen, das zusammen mit der Erbschaft/Schenkung des Unternehmens erworben wird. Reicht dieses Vermögen nicht zum Ausgleich der Erbschaft- oder Schenkungsteuer aus, wird der Steueranteil erlassen, der das Vermögen überschreitet.

Statt der Verschonungsbedarfsprüfung kann künftig beim Erwerb begünstigten Vermögens oberhalb der Prüfschwelle ein Verschonungsabschmelzmodell gewählt werden. Dies führt zu einer Teilverschonung in Abhängigkeit vom Vermögenswert: Die Teilverschonung wird schrittweise geringer, je größer der Wert des übertragenen Vermögens ist. Ab Erreichen der Prüfschwelle sinkt die Begünstigung von 85 % bzw. 100 % kontinuierlich um jeweils 1 % für jede zusätzlichen 1,5 Mio. €, die der Wert des erworbenen Vermögens über der jeweiligen Prüfschwelle liegt. Beträgt der Wert des erworbenen Vermögens mehr als 116 Mio. € oder – bei in Familienunternehmen typischen Beschränkungen des Gesellschaftsvertrags/der Satzung – mehr als 142 Mio. €, gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag. Dieser beträgt bei einer Haltefrist von fünf Jahren 20 % und bei einer Haltefrist von sieben Jahren 35 %.

Praxishinweis

Positiv an dem Regierungsentwurf ist, dass dieser ebenso wie der Referentenentwurf keine Rückwirkung vorsieht. Die Neuregelungen sollen erst unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gelten. Bis dahin vorgenommene Übertragungen/Erbfälle werden also noch nach dem bisherigen Recht besteuert. Die verschiedenen Differenzierungen nach der Anzahl der Beschäftigten und dem Wert des übertragenen Vermögens sollen den Forderungen des BVerfG gerecht werden. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Wahl der einzelnen Abstufungen nicht möglicherweise etwas willkürlich ist und damit wiederum zu gewissen Ungleichbehandlungen führen wird. Dies mag noch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sein. Allerdings dürfte künftig die Entscheidung, ob Vermögen als Hauptzweck der begünstigten Tätigkeit dient, schwierig zu treffen sein. An dieser Stelle wird sich der Bundesfinanzhof – und möglicherweise auch wieder das BVerfG – entscheiden müssen.

Auch die künftige Bedürfnisprüfung kann in vielen Fällen problematisch werden, wenn sich diese als Besteuerung der vorhandenen Substanz auswirkt oder nur Grundbesitz, aber kaum Bargeld vorhanden ist. Denn dann muss die fällige Steuer durch Verkauf von vorhandenem oder erworbenem Vermögen finanziert werden. Insoweit bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung in solchen Fällen mit großzügigen Erlassregelungen reagieren wird. Im Ergebnis bleibt aber festzuhalten, dass auch dieser Entwurf wohl nicht zu gravierenden Belastungen aller Unternehmensvermögen führen wird.

BVerfG, Urt. v. 17.12.2014 - 1 BvL 21/12

Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts v. 08.07.2015

Quelle: Rechtsanwalt und Steuerberater Axel Scholz


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