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Außenprüfung: Verschiebung und Ablaufhemmung

Wann endet die Ablaufhemmung infolge des Antrags, eine Außenprüfung zu verschieben? Der BFH hat entschieden, dass die Ablaufhemmung dann endet, wenn der Prüfer auch zwei Jahre nach dem Verschiebungsantrag nicht mit tatsächlichen Prüfungshandlungen begonnen hat. Stellt der Steuerpflichtige während dieser Zwei-Jahres-Frist einen weiteren Verschiebungsantrag, beginnt die Frist erneut zu laufen.

Der BFH hat mit Urteil vom 19.05.2016 entschieden, dass die Ablaufhemmung durch einen Verschiebungsantrag für eine Außenprüfung nach zwei Jahren endet, falls der Prüfer bis dahin nicht tatsächlich mit der Prüfung begonnen hat. Der Verschiebungsantrag kann jedoch erst dann seine ablaufhemmende Wirkung entfalten, wenn ein zulässiger Verwaltungsakt vorliegt. Dazu muss insbesondere die zuständige Finanzbehörde den Prüfungsbeginn festgelegt haben. Stellt der Steuerpflichtige innerhalb dieser zwei Jahre einen weiteren Antrag auf Verschiebung, so beginnt die Frist erneut zu laufen.

Ausgangslage: Das vorinstanzliche Verfahren im zweiten Rechtsgang

Im konkreten Fall hatte das Finanzgericht Niedersachsen (FG) im zweiten Rechtsgang – nach Zurückverweisung durch den BFH mit Urteil vom 22.10.2013 – verfahrensrechtlich darüber zu entscheiden, ob die Festsetzung einer Einkommensteuerveranlagung für die Jahre 1998 und 1999 verjährt war.

Das FG stellte folgenden Sachverhalt fest: Die jährlichen Einkommensteuererklärungen reichte das steuerpflichtige Ehepaar jeweils im Folgejahr ein. Das zuständige Finanzamt erließ Ende 2002 eine Prüfungsanordnung für die Jahre 1997 bis 1999, die einen Prüfungsbeginn zum 30.12.2002 vorsah.

Auf schriftlichen Antrag des Ehepaars wurde der Beginn zunächst auf März 2003 und nach mehreren Telefonaten schließlich im Oktober 2003 auf Anfang 2004 verlegt. Bei den Telefonaten unterbreitete der Prüfer lediglich Terminvorschläge, ohne einen konkreten Prüfungsbeginn zu fixieren. Nach mehr als einjähriger Ruhezeit legte der Prüfer den Prüfungsbeginn im Januar 2005 fest. Nach telefonischer Verschiebung dieses Termins durch das Ehepaar wurde im März 2005 mit der Prüfung begonnen.

Im Anschluss an die Außenprüfung erließ das Finanzamt geänderte Bescheide. Das als Kläger auftretende Ehepaar begehrte die Aufhebung der geänderten Bescheide.

Das FG sah in verfahrensrechtlicher Sicht die Festsetzungsfrist als gewahrt. Zwar entfalle die Ablaufhemmung, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren tatsächlich mit der Außenprüfung begonnen werde. Allerdings wurde nach Ansicht des FG durch das Telefonat im Oktober 2003 ein erneuter Verschiebungsantrag gestellt, so dass die Frist von zwei Jahren erneut in Gang gesetzt wurde. Somit sei keine Festsetzungsverjährung eingetreten.

Aktuelles Urteil: Das erneute Revisionsverfahren am BFH

Nach der aus Sicht des Ehepaars erneut negativen Entscheidung des FG beantragte das Ehepaar beim BFH die Aufhebung dieser Einspruchsentscheidung sowie der geänderten Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1998 und 1999. In diesem Revisionsverfahren gab der BFH dem Ehepaar erneut Recht und verwies die Sache zurück an das FG zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung.

Dabei führte der BFH zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO im Rahmen einer Außenprüfung Folgendes aus:

  • Eine Außenprüfung ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn die reguläre Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
  • Wird eine Außenprüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen verschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, regelmäßig nicht ab, bevor die zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder drei Monate verstrichen sind nach Bekanntgabe der Mitteilung darüber, dass die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt.
  • Diese Grundsätze werden allerdings durch die Rechtsprechung des BFH begrenzt. Zum einen muss der Antrag des Steuerpflichtigen ursächlich sein für das Verschieben des Prüfungsbeginns. Zum anderen endet die Wirkung der Ablaufhemmung nach zwei Jahren, falls der Prüfer bis dahin noch nicht tatsächlich mit der Prüfung begonnen hat. Diese zeitliche Begrenzung kommt lediglich dann nicht zur Anwendung, wenn der Verschiebungsantrag keine zeitlichen Vorgaben enthält oder ein Rechtsbehelfs- bzw. Strafverfahren betroffen ist.

Im konkreten Fall war entscheidend, ob in einem bestimmten Telefongespräch mit dem Prüfer ein Antrag auf Verschiebung der Außenprüfung gesehen werden kann. Anders als das FG sah der BFH die Voraussetzungen eines Antrags als nicht erfüllt an.

Die Festlegung eines Prüfungsbeginns ist nach ständiger Rechtsprechung ein eigenständiger, von der Prüfungsanordnung getrennter Verwaltungsakt, der auch mündlich ergehen kann – die Schriftform ist nach § 196 AO ausdrücklich nur für die Prüfungsanordnung vorgeschrieben. Die formellen Anforderungen an einen Verschiebungsantrag sind eher gering, er kann grundsätzlich formlos erfolgen. Nach Ansicht des BFH ist schon eine einfache mündliche Bitte des Steuerpflichtigen, den Prüfungsbeginn hinauszuschieben, ausreichend.

Das bedingt jedoch, dass der Steuerpflichtige für die Verschiebung ursächlich ist und ein zulässiger Verwaltungsakt mit der Festlegung des Prüfungsbeginns vorliegt. Im vorliegenden Fall nannte der Prüfer im entscheidenden Telefongespräch keinen konkreten Termin, so dass der BFH nach Aktenlage keinen Verwaltungsakt mit einem klaren Regelungsinhalt annehmen konnte. Die Frage, inwieweit in besagtem Telefonat der erforderliche Verwaltungsakt erlassen wurde, bedarf aus Sicht des BFH also der weiteren Ermittlung, z.B. durch Zeugen. Gemäß BFH obliegt dabei die Feststellungslast zur Annahme eines Verwaltungsakts dem Finanzamt.

Praxishinweis

Der BFH hat nunmehr entschieden, dass grundsätzlich eine zweijährige Frist für die Ablaufhemmung infolge einer Terminverschiebung durch den Steuerpflichtigen gilt. Steuerpflichtige sollten jedoch beachten, dass jede weitere Verschiebung dazu geeignet ist, die Frist erneut beginnen zu lassen. Theoretisch ist somit eine unbegrenzte Ablaufhemmung möglich, wenn Anträge des Steuerpflichtigen ursächlich für die Terminverschiebungen sind. Allerdings stellt wohl allein die Zustimmung des Finanzamts zu einer vorgeschlagenen Terminverschiebung regelmäßig keinen Antrag dar.

BFH, Urt. v. 19.05.2016 - X R 14/15
BFH, Urt. v. 22.10.2013 - X R 26/11

Quelle: Dipl.-Volkswirt Volker Küpper