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Spekulationssteuer im Jahr 1996 ist laut BFH verfassungsgemäß

Der BFH kommt bei der Erfassung von privaten Veräußerungsgeschäften für das Jahr 1996 zum selben Ergebnis wie zuvor bereits für die Jahre 1993 und 1994.

Das BVerfG hatte bekanntlich die Besteuerung von Wertpapiergeschäften in den Jahren 1997/98 für verfassungswidrig erklärt. Dies soll für die Vorjahre nicht gelten. Zwar liegen hier vergleichbare Erhebungsdefizite vor, wie sie Karlsruhe auch für 1997 festgestellt hat. Der Gesetzgeber hat aber eine Übergangszeit, um Vollzugsdefizite abzustellen. Diese Frist war 1995 noch nicht abgelaufen.
Ob die im Beschluss vom 29.11.2005 geäußerte Auffassung Bestand haben wird, ist noch unklar. Finanzgerichte kommen zu einem anderen Ergebnis und dem BVerfG liegen hierzu bereits zwei anhängige Verfahren vor.

Mit Beschluss vom 29.11.2005 (IX B 80/05, sowie Urteil vom 29.11.2005 IX R 49/04) kommt der BFH bei der Erfassung von privaten Veräußerungsgeschäften für das Jahr 1995 zu demselben Ergebnis, das er bereits zuvor für die Jahre 1993 und 1994 gefällt hat:
Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der für die Besteuerung der Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften maßgeblichen Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr.1b EStG bestehen nicht. Das Jahr 1995 ist in die dem Gesetzgeber zuzubilligende Übergangsfrist einzubeziehen. Zwar hat die Finanzverwaltung selbst Erklärungsdefizite bei den Spekulationsgewinnen festgestellt. Deren Ergebnisse lagen aber erst im Jahr 1994 vor und konnten vom Gesetzgeber noch nicht für das Streitjahr 1995 umgesetzt werden.

Der Hintergrund: Zu den Jahren 1989 bis 1994 hatte der BFH in zwei Urteilen (01.06.2004, IX R 35/01, BStBl 2005 II S. 26 und 29.06.2004, IX R 26/03, BStBl II 2004, S. 995) zwar ebenfalls die vom BVerfG für 1997/98 beanstandeten Erhebungsdefizite erkannt, die Besteuerung der Gewinne aber dennoch zugelassen. Zwar würde das BVerfG § 23 EStG in Bezug auf Wertpapiergeschäfte auch in dieser Zeitspanne für nichtig erklären, allerdings vergleicht der BFH den Sachverhalt mit dem Urteil des BVerfG zur Zinsbesteuerung (vom 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BStBl 1991 II S. 654). Auch damals wurde ein unvereinbares Vollzugsdefizit festgestellt. Die Verfassungsbeschwerden wurden aber zurückgewiesen, weil die verfassungsrechtliche Rechtslage bisher nicht erkannt worden sei und deshalb Anlass bestehe, das bisherige Recht noch für eine Übergangszeit hinzunehmen.

Nach zwei Urteilen des FG Münster (17.05.2005, 8 K 4710/01 E, EFG 2005 S. 1117, beim BVerfG unter 2 BvL 8/05 sowie 13.07.2005, 10 K 6837/03 E, beim BVerfG unter 2 BvL 12/05) ist die Besteuerung von Spekulationsgewinnen bei Wertpapieren und Optionsrechten auch in den VZ 1994 bis 1996 verfassungswidrig. Ebenso wie in den Jahren 1997/98, für die das BVerfG die Verfassungswidrigkeit bereits festgestellt hat, bestehe auch für frühere Zeiträume ein vergleichbares strukturelles Vollzugsdefizit. Denn das Entdeckungsrisiko für Anleger war bei mangelnder Deklaration der Gewinne gering. Für die Finanzbeamten bestand kein Anlass, Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften zu ermitteln. Sie hatten auch keine geeigneten Mittel zur Nachforschung.

Das FG Münster widerspricht damit der Auffassung des BFH, wonach dem Gesetzgeber auf Grund des Urteil des BVerfG zur Zinsbesteuerung aus dem Jahre 1991 eine Übergangszeit für die Beseitigung von Mängeln einzuräumen sei. Denn das BVerfG habe dem Gesetzgeber lediglich eine Frist zur Beseitigung der verfassungswidrigen Rechtslage bei den Zinseinnahmen bis zum 01.01.1993 eingeräumt. Diese zeitliche Einschränkung müsse auch für die Besteuerung von Spekulationsgewinnen gelten. Der Beschluss des FG Schleswig Holstein vom 01.12.2004 (2 V 365/04, EFG 2005 S. 960) kommt für das Jahr 1996 zum gleichen Ergebnis. Die vom BVerfG festgestellten Vollzugsdefizite für 1997/98 hätten auch 1996 bestanden.

Der steuerliche Hintergrund

Diverse Widrigkeiten bei den Spekulationsgeschäften
Jahrzehntelang herrschte Ruhe um die steuerliche Behandlung von Spekulationsgeschäften. In jüngster Zeit hingegen jagt ein Urteil das andere, das BMF ordnet mal ruhende Verfahren an, dann plötzlich nicht mehr, macht dann wieder einen Rückzieher und stellt die Bescheide letztendlich nach § 165 AO vorläufig. Diese aktuelle Hektik resultiert aus mehreren Gründen, die zeitlich aufeinander folgten:
- zunehmende Börsentätigkeit der Deutschen
- Verlängerung der Spekulationsfrist bei Immobilien (von zwei auf zehn Jahre) und Aktien (von sechs Monaten auf ein Jahr Anfang 1999
- Steuerpflicht von reinen Termingeschäften ab 1999
- deutlich ansteigende Börsenkurse bis ins Frühjahr 2000
- drastisch Verluste in den folgenden Jahren
Im März 2004 hatte das BVerfG (09.03.2004, 2 BvL 17/02, BStBl 2005 II S. 56) entschieden, dass § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG für die VZ 1997 und 1998 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig ist, soweit er Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren betrifft. Beanstandet wurden strukturelle Erhebungsdefizite der Finanzverwaltung bei der Erfassung von Spekulationsgewinnen.

Steuer-Hinweis: Durch die Nichtigerklärung kommt dieser Vorrangregelung keine Bedeutung mehr zu, so dass auch bei Verkäufen einer wesentlichen Beteiligung innerhalb der Jahresfrist § 17 EStG Anwendung findet (FG München 03.08.2005, 1 K 4433/04 und BFH-Beschluss 14.01.05. XI B 129/02, BFH/NV 2005, 1105).
Im Urteil des BVerfG wird zum Ausdruck gebracht, dass ab 1999 andere gesetzliche Rahmenbedingungen und Veränderungen des allgemeinen Marktumfelds vorherrschten. Somit könnte die Entscheidung für diese Jahre anders ausfallen. Dieses Urteil war faktisch der Auslöser zu Aktivitäten von Anlegern und Finanzgerichten. Denn anschließend sind eine Reihe von vorläufigen Beschlüsse zu anderen VZ ergangen. Sie kommen nahezu einheitlich zu Zweifeln an der Verfassungswidrigkeit auch für die Jahre vor 1997 und ab 1999. Lediglich für den VZ 2004 liegt noch keine Entscheidung vor.

Der Auszug ist dem Ratgeber „Kapitalanlage und Steuern“, Seite 59 entnommen.


 

Quelle: BFH - Beschluss vom 29.11.05