Steuerberatung -

Verluste aus Stillhalteroptionsgeschäften vor 1999 sind mit anderen Einkünften verrechenbar

Geschäfte als Stillhalter fallen unter § 22 Nr. 3 EStG und sind damit keine Spekulationsgeschäfte nach § 23 EStG. Rote Zahlen sind jedoch in beiden Fällen für Altjahre verrechenbar.

Verluste aus Stillhalteroptionsgeschäften können steuermindernd geltend gemacht und mit anderen Einkunftsarten verrechnet werden. Dies entschied das FG Düsseldorf (Urteil vom 28.02.2006 - 7 K 6452/03 E) für das Jahr 1997, da das BVerfG das bis Ende 1998 geltende Verlustausgleichsverbot gem. § 22 Nr.3 EStG a.F. für verfassungswidrig erklärt hatte.

Diese Rechtsansicht ist auch auf die Stillhalteroptionsgeschäfte übertragbar, was der BFH bereits für Spekulationsgeschäfte nach § 23 EStG entschieden hatte. Die für Wertpapierverluste aufgestellten Grundsätze gelten auch für Stillhalteroptionsgeschäfte, da beide Sachverhalte ähnlich sind. Wie bei den Spekulationsgeschäften beruhe der Erfolg oder Misserfolg der Stillhalteroptionsge-schäfte auf der Wertentwicklung bestimmter Wertpapiere am Markt.

Das bis Ende 1998 geltende Verlustausgleichsverbot gem. § 22 Nr. 3 EStG a.F. war auch im Hinblick auf Verluste aus Stillhalteroptionsgeschäften verfassungswidrig. Diese Verluste können daher nach Ansicht des FG Düsseldorf ebenso wie Verluste aus der Vermietung beweglicher Sachen und Spekulationsgeschäften mit sonstigen positiven Einkünften verrechnet werden.

Die Verfassungswidrigkeit des Verlustausgleichsverbot hatte das BVerfG am 30.09.1998 (2 BvR 1818/91, NJW, 3769, HFR 1999, 44) in Bezug auf die ebenfalls unter § 22 Nr. 3 EStG 1997 fallen-den Einkünfte aus der Vermietung beweglicher Gegenstände entschieden. Der BFH hatte diese Sichtweise anschließend mit Urteil vom 01.06.2004 (IX R 35/01; BStBl 2005 II, 26) auf Spekulationsgeschäfte übertragen.

Diese sind den Stillhalteroptionsgeschäften sehr ähnlich, so dass auch solche Verluste mit den sonstigen positiven Einkünften verrechnet werden können. Das Verlustausgleichsverbot gem. § 22 Nr. 3 EStG 1997 steht dem nicht entgegen. Denn aus den Entscheidungen des BVerfG und BFH folgt, dass das bis Ende 1998 geltende Verlustausgleichsverbot auch im Hinblick auf Stillhalteroptionsgeschäfte verfassungswidrig war.

Hinweis: Zu beachten ist, dass das FG Düsseldorf die Verlustverrechnung für das Jahr 1997 zu-gelassen hat. Denn dies ist gemäß dem BFH (Urteil vom 14.07.2004 - IX R 13/01; BStBl 2005 II, 125) in Hinsicht auf in den Jahren 1997 und 1998 entstandenen Spekulationsverluste aus Wertpapiergeschäften steuerrechtlich nicht zulässig. Denn insoweit wirkt das Urteil des BVerfG vom 09.03.2004 (2 BvL 17/02, HFR, 471), wonach die Spekulationsbesteuerung für 1997/98 wegen Erhebungsdefiziten nicht mehr zulässig ist. Dies gilt für den Gewinn- als auch für den Verlustfall.

Praxisanwendung

Mit dem StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 ist die steuerrechtliche Behandlung von Verlusten bei den Einkünften aus §§ 22 Nr. 2 i.V.m. §§ 23,  22 Nr. 3 EStG modifiziert worden. Waren bis 1998 Verluste nur mit gleichartigen Gewinnen im selben VZ ausgleichsfähig (horizontaler Verlustausgleich), so können Verluste ab 1999 innerhalb der §§ 22 Nr. 3, 23 EStG nach Maßgabe des § 10d EStG vor- bzw. zurückgetragen werden (horizontaler Verlustabzug). Ein Verlustausgleich mit anderen Einkünften ist jedoch weiterhin nicht möglich. Hierbei sind folgende Sachverhalte zu unterscheiden:

  • Für Verluste aus Spekulationsgeschäften i.S.v. § 23 EStG in den Jahren vor 1997 wendet die Finanzverwaltung in den noch offenen Altfällen die allgemeinen einkommensteuerlichen Rege-lungen über Verlustausgleich und Verlustabzug (§ 10d EStG) an (OFD Münster - 03.05.2005; DB, 1027, DStR, 969 und OFD Hannover 08.07.2005 - S 2256 - 70 - StO 232/231, StEd 2005 S. 518).
  • Gewinne und Verluste aus Wertpapiergeschäften in den VZ 1997 und 1998 werden auf Grund des BVerfG-Urteils nicht berücksichtigt. Gegen das Urteil des BFH vom 14.07.2004 (IX R 13/01; BStBl 2005 II, 125) in Hinsicht auf die Berücksichtigung von negativen Einkünften wurde Verfassungsbeschwerde eingelegt (beim BVerfG unter 2 BvR 1935/04). Einspruchsverfahren lässt die Verwaltung daher in gleichgelagerten Fällen ruhen, Aussetzung der Vollziehung wird nicht gewährt.
  • Einsprüche, mit denen ein Verlustausgleich mit anderen Einkünften ab 1999 begehrt wird, ruhen ebenfalls. Denn zu diesem Thema liegen dem BFH noch einige Revisionen vor (IX R 45/04, IX R 31/04, IX R 28/05, IX R 42/05, IX R 43/05). Aussetzung der Vollziehung wird jedoch grundsätzlich nicht gewährt.
  • Für sonstige Verluste aus § 22 Nr. 3 EStG (gelegentlichen Vermittlungen; Stillhaltergeschäfte an den Terminbörsen) wendet die Finanzverwaltung die Verrechnung mit anderen Einkunftsarten noch nicht an. Es kommen weder ein Ruhen des Verfahrens noch AdV in Betracht. Insoweit ist hier für Betroffene das Urteil des FG Düsseldorf die Grundlage, um Fälle in eine positive Richtung zu bringen.

Der steuerliche Hintergrund

Diverse Widrigkeiten bei den Spekulationsgeschäften

Jahrzehntelang herrschte Ruhe um die steuerliche Behandlung von Spekulationsgeschäften. In jüngster Zeit gab es hingegen zahlreiche Urteile dazu, das BMF ordnet mal "ruhende Verfahren" an, dann ändert es seine Praxis, macht dann wieder einen Rückzieher und stellt die Bescheide letztendlich nach § 165 AO vorläufig. Diese aktuelle Hektik folgt aus mehreren Gründen, die zeitlich aufeinander folgten:

- zunehmende Börsentätigkeit der Deutschen
- Verlängerung der Spekulationsfrist bei Immobilien (von zwei auf zehn Jahre) und Aktien (von sechs Monaten auf ein Jahr), seit Anfang 1999
- Steuerpflicht von reinen Termingeschäften ab 1999
- deutlich ansteigende Börsenkurse bis ins Frühjahr 2000
- drastisch Verluste in den folgenden Jahren

Im März 2004 hatte das BVerfG (09.03.2004 - 2 BvL 17/02; BStBl 2005 II, 56) entschieden, dass § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1b EStG für die VZ 1997 und 1998 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und damit nichtig ist, soweit er Veräußerungsgeschäfte mit Wertpapieren betrifft. Beanstandet wurden strukturelle Erhebungsdefizite der Finanzverwaltung bei der Erfassung von Spekulationsgewinnen.

Steuer-Hinweis: Durch die Nichtigerklärung kommt der Vorrangregelung des § 23 Abs. 2 S. 2 EStG vor dem § 17 EStG keine Bedeutung mehr zu, so dass auch bei Verkäufen einer wesentlichen Beteiligung innerhalb der Jahresfrist § 17 EStG Anwendung findet (FG München vom 03.08.2005 - 1 K 4433/04 und BFH-Beschluss vom 14.01.2005 - XI B 129/02; BFH/NV , 1105).

Im Urteil des BVerfG wird zum Ausdruck gebracht, dass ab 1999 andere gesetzliche Rahmenbedingungen und Veränderungen des allgemeinen Marktumfelds vorherrschten. Somit könnte die Entscheidung für diese Jahre anders ausfallen. Dieses Urteil war faktisch der Auslöser zu Aktivitäten von Anlegern und Finanzgerichten. Denn anschließend sind eine Reihe von vorläufigen Be-schlüsse zu anderen VZ ergangen. Sie kommen nahezu einheitlich zu Zweifeln an der Verfas-sungswidrigkeit auch für die Jahre vor 1997 und ab 1999. Lediglich für den VZ 2004 liegt noch keine Entscheidung vor.

Nachdem der BFH in zwei Beschlüssen (30.11.2004 - IX B 120/04; BFH/NV 2005, 349 und 23.11.2004 - IX B 88/04) zum Aussetzungsverfahren ebenfalls seine Zweifel geäußert hat, hat das BMF (vom 27.06.2005 - IV A 7 - S 0338 - 54/05; BStBl I, 794) diese Tendenzen zum Anlass genommen, Steuerbescheide in Bezug auf positive Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften und aus Termingeschäften i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 u. 4 EStG für VZ ab 1999 nur noch vor-läufig gem. § 165 Abs. 1 AO festzusetzen.

Zwar hat der BFH mit Urteil vom 29.11.2005 (IX R 49/04; BStBl 2006 II, 178) die Besteuerung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ab 1999 wegen zunehmender Kontrollmöglichkeiten für verfassungsgemäß erklärt. Hiergegen wurde jedoch beim BVerfG Beschwerde unter 2 BvR 294/06 eingelegt, so dass der Sachverhalt noch nicht endgültig geklärt ist. Bescheide ergehen weiterhin vorläufig, die Verwaltung gewährt allerdings auf Grund dieses Urteils keine Aussetzung der Vollziehung mehr.

Es gibt hinreichend Gründe, den aktuellen Sachstand einmal aufzulisten, zumal mehrere Sachverhalte strittig sind und eine Fülle von Finanzgerichtsurteilen zu unterschiedlichen VZ ergangen sind. Dabei geht es um verschiedene Themengebiete:

- Die Spekulationsbesteuerung für den Handel mit Wertpapieren für 1997 und 1998 ist verfassungswidrig, endgültige Antworten zu anderen Jahren stehen noch aus.

- Ob Spekulationsverluste für 1997/98 nicht mehr berücksichtig werden können, ist noch nicht endgültig geklärt.
- Strittig ist, ob Spekulationsverluste nur mit entsprechenden Gewinnen oder auch mit anderen Einkünften verrechnet werden dürfen.
- Seit Privatanleger mit Optionsscheinen sowie Zertifikaten handeln, spielen diese Geschäfte steuerlich eine stärkere Rolle. Strittig sind hier einige Punkte, zumal der Ertrag erst seit 1999 versteuert wird.
- Die Spekulationsfrist bei Immobilien wurde 1999 von zwei auf zehn Jahre erhöht. Darf der Gesetzgeber Häuser wieder in der Steuerpflicht nehmen, bei denen die ehemalige Frist bei Gesetzesänderung schon überschritten war?

Der Auszug ist dem Ratgeber „Kapitalanlage und Steuern“, Seite 59 entnommen

Quelle: Deubner Redaktion - Kapitalanlage und Steuern vom 04.05.06