Steuerberatung -

Viele kleine Rechenschritte beim Erhalt von Bezugsrechten

Führt eine Gesellschaft eine Kapitalerhöhung gegen Ausgabe junger Aktien durch, wird es steuerlich kompliziert. Einfach wird es, wenn die Altaktien schon ein Jahr im Depot liegen.

Erhöht eine Aktiengesellschaft ihr Grundkapital gegen Einlage, führt die Zuteilung der Bezugsrechte zwar nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen beim bisherigen Aktionär. Doch sofern die Spekulationsfrist für die Altaktien noch nicht abgelaufen ist, kommt es zu einem Veräußerungsgeschäft nach § 23 EStG.

Die Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns ist mühselig. Er entsteht unabhängig davon, ob der Anleger die Bezugsrechte verkauft oder die jungen Aktien bezieht. Dieser Arbeit müssen sich aktuell die Aktionäre von Linde unterziehen.

Ende Juni 2006 hat der Wiesbadener Anlagebau- und Industriegaskonzern Linde AG eine Kapitalerhöhung gestartet, um die Übernahme eines britischen Konkurrenten finanzieren zu können. Ähnliches hatte zuvor bereits das Touristikunternehmen TUI gemacht, das in die Schifffahrt investiert hatte.

Bei Linde gab es für sieben alte zwei junge Aktien zum Preis von 49,50 Euro. Das der Börsenkurs vor Ausgabe bei rund 61,80 Euro lag, ergab sich ein Abschlag von 16 Prozent und ein Bezugsrecht im Wert von 2,73 Euro.
Steuerlich löst dieser Vorgang mehrere Rechenschritte aus:

  • Die Bezugsrechte gelten zum Kaufzeitpunkt der Altaktien als angeschafft.
  • Die Ausübung von Bezugsrechten ist eine Veräußerung der Rechte anzusehen. Erfolgt die innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung der Altaktien, liegt ein Spekulationsgeschäft vor.
  • Als Zeitpunkt der Veräußerung gilt der Tag der Annahme des Bezugsrechtsangebots.
  • Als Veräußerungserlös gilt der Börsenkurs der Bezugsrechte im Zeitpunkt der Annahme des Bezugsrechtsangebots.
  • Mit der Ausübung der Bezugsrechte werden die bezogenen Aktien angeschafft.
  • Zu den Anschaffungskosten dieser Aktien gehört auch der Veräußerungserlös der Bezugsrechte.
  • Der Gewinn aus der Veräußerung von Bezugsrechten innerhalb eines Jahres nach der Anschaffung der Altaktien ist ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn.
  • Werden jungen Aktien innerhalb eines Jahres nach Ausübung der Bezugsrechte veräußert, ist der dabei erzielte Gewinn ebenfalls als Veräußerungsgewinn steuerpflichtig.
  • Zu den Anschaffungskosten der bezogenen Aktien gehört auch der Veräußerungserlös der Bezugsrechte.

Zum besseren Verständnis der Steuerregel nachfolgend ein Beispiel:

Ein Anleger hatte Ende 2005 von Linde 700 Aktien zum Kurs von 64 Euro gekauft. Am 27.6.2006 gibt es für sieben alte zwei neue Aktien. Der erste Börsenkurs der Bezugsrechte liegt bei 2,70 Euro. Der Aktionär bezieht über seine 700 Aktien drei Tage später 200 junge Aktien zu je 49,50 Euro. An diesem Tag kostete das Bezugsrecht 2,65 Euro. Der Börsenkurs vor dem Bezugsrechtsabschlag lag bei 61,80 Euro. Ende Juli verkauft er alle 900 Aktien zu 63 Euro.


Veräußerungserlös der originären Bezugsrechte:

Veräußerungserlös: 700 x 2,65 Euro 1.855 Euro

Anschaffungskosten der Bezugsrechte:

Der Wert jeder Altaktie mindert sich um den Wert des Bezugsrechts je Altaktie von 2,70 Euro (Erstnotiz). Im Verhältnis zum Börsenkurs vor Kapitalerhöhung von 61,80 Euro ergibt sich eine Wertminderung von 4,37 Prozent. Die Anschaffungskosten eines Bezugsrechts betragen somit 4,37 Prozent von 64 Euro (ehemaliger Kaufpreis) = 2,80 Euro.

Ermittlung des steuerpflichtigen Ertrags:

Veräußerungserlös: 700 x 2,65 Euro1.855 Euro
Anschaffungskosten: 700 x 2,80 Euro –1.960 Euro
Veräußerungsverlust – 85 Euro

Bei der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens ergibt sich ein steuerpflichtiger Veräußerungsverlust von 42,50 Euro.

Veräußerungsgewinn Altaktien:

Veräußerungserlös:
700 x 63 Euro 44.100 Euro
Historische Anschaffungskosten:
700 x 64 Euro44.800Euro
Kürzung um Bezugsrechte:
700 x 2,80 Euro – 1.960Euro
Geminderte Anschaffungskosten: – 42.840 Euro
Veräußerungsgewinn:1.260 Euro

Bei der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens ergibt sich ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn von 630 Euro.

Veräußerungsgewinn neue Aktien:

Veräußerungserlös:
200 x 63Euro12.600 Euro
Anschaffungskosten:
200 x 49,50 Euro 9.900Euro
Veräußerungserlös der
originären Bezugsrechte:+ 1.855Euro
Berichtigte Anschaffungskosten: 11.755 Euro
Veräußerungsgewinn: 845 Euro

Bei der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens ergibt sich ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn von 422,50 Euro.

Hinweise:

  • Erfolgt die Kapitalerhöhung später als ein Jahr nach der Anschaffung der Altaktien, ist bei der Veräußerung der auf Grund des Bezugsrechtes erlangten Aktien bei der Ermittlung der Anschaffungskosten für die Bezugsrechte der niedrigste Börsenkurs im Zeitpunkt der Annahme des Bezugrechtsangebots anzusetzen.
  • Werden die Rechte über die Börse erworben und gleich wieder veräußert, liegt stets ein Veräußerungsgeschäft des § 23 EStG vor, das zur Hälfte steuerpflichtig ist.

Ob die Depotbanken einen solchen Vorgang bei der Erstellung der Jahresbescheinigung richtig verwertet haben, müssen Anleger unbedingt überprüfen.

Der steuerliche Hintergrund

Bezugsrechte

Es handelt sich um das gesetzliche Recht des Aktionärs, bei einer Kapitalerhöhung der Gesellschaft entsprechend seinem Aktienbesitz am bisherigem Grundkapital neue (junge) Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung zu erwerben, § 186 AktG. Um den Bezug den potentiellen Erwerbern schmackhaft zu machen, werden die neuen Aktien meistens unter dem aktuellen Börsenkurs ausgegeben, sofern es keine andere wirtschaftlichen Vorteile gibt. Ein Preis unter dem Aktiennennwert ist jedoch nicht zulässig. Die Aktiengesellschaft hat die Möglichkeit zum Ausschluss des Bezugsrechts für die Altaktionäre gem. § 186 Abs. 3 AktG, wenn

  • der Ausgabepreis der neuen Aktien nicht wesentlich (etwa fünf Prozent) unter dem Kurs der Altaktie liegt,
  • die Kapitalerhöhung zehn Prozent des Grundkapitals nicht übersteigt,
  • die Satzung der Gesellschaft dies vorsieht,
  • der Ausschluss zuvor mit mindestens 75%-iger Mehrheit beschlossen wurde und
  • der Vorstand die Hauptversammlung über den Grund informiert.

Durch den Ausschluss der Altaktionäre erweitert sich die potentielle Käuferschaft für die AG: Sie kann einen Großteil der Aktien oder ein ganzes Aktienpaket einem Interessenten anbieten, der dann bereit ist, insgesamt einen höheren Kaufpreis zu zahlen. Sofern das Recht des Aktionärs nicht ausgeschlossen worden ist, wird das Bezugsrecht zwei Wochen lang an der Börse gehandelt. Während dieser Zeit wird das Recht wie ein selbstständiges Wertpapier notiert. Über Xetra ist der Handel allerdings nur bei Mindestgrößen ab 1.000 Stück möglich.

Über den Bezugsrechtshandel sind folgende Möglichkeiten denkbar:

  • Der Altaktionär kann das Bezugsrecht an der Börse veräußern,
  • er kann sein (Vor-) Kaufsrecht wahrnehmen und die neuen Aktien beziehen oder
  • einem Anleger, der bisher keine Aktien der Gesellschaft besaß, wird über den Bezugsrechtskauf ebenfalls die Möglichkeit eröffnet, in den Besitz der jungen Aktien kommen.


Beispiel zu den Bezugsrechten

Grundkapital der AG bisher:4.000.000 Euro
Erhöhung auf:6.000.000 Euro
Ein Aktionär besitzt:100 Aktien
Bezugsrechtsverhältnis:2 zu 1

Zum Bezug einer jungen benötigt man also zwei alte Aktien.

Die möglichen Optionen:

  • Bezug von 50 neuen Aktien
  • Verkauf von 100 Bezugsrechten
  • Teilerwerb, etwa 50 Bezugsrechte verkaufen und über die restlichen 25 Aktien beziehen
  • Kauf weiterer Bezugsrechte, etwa 200, um damit 150 Aktien erwerben zu können
  • Verkauf der Altaktien und Bezug der neuen über die Bezugsrechte
  • Verkauf der Altaktien vor dem Bezugsrechtsabschlag

Das Bezugsrecht wird zwei Wochen lang an der Börse gesondert gehandelt. Die depotführende Bank informiert den Aktionär meist rechtzeitig über eine bevorstehende Kapitalerhöhung und bittet um seinen Auftrag. Sofern er keine Weisung erteilt oder ein vom ihm erteiltes Verkaufslimit nicht ausgeführt werden konnte, werden die Rechte am letzten Handelstag von der Bank ohne jegliches Kurslimit an der Börse bestens veräußert.

Anlage-Tipp: Da viele Aktionäre ihrer Bank keinen Auftrag erteilen, werden am letzten Handelstag massenhaft Bezugsrechte automatisch veräußert. Dementsprechend ist der Kurs an diesem Tag niedrig. Selbst wenn der Besitzer alle Rechte verkaufen möchte, sollte er seine Bank frühzeitig hierüber informieren; bei einem Zukauf kann er am letzten Tag besonders kursgünstig Bezugsrechte erwerben.

Der Wert des Bezugsrechts errechnet sich nach der Formel:

Kurs Altaktie–Kurs junge Aktie – Dividendennachteil junge Aktie
Bezugsverhältnis + 1

Die jungen Aktien werden teilweise bis zur nächsten Hauptversammlung separat neben den alten an der Börse gehandelt. Das ist immer dann der Fall, wenn sie nur einen anteiligen Dividendenanspruch beinhalten. Hierbei ist jedoch darauf zu achten, dass die Marktgängigkeit dieser Aktien oftmals nur sehr spärlich ist und mangels ausreichender Nachfrage nur Zufallskurse gestellt werden können.

Der Auszug ist dem Ratgeber „Kapitalanlage und Steuern“, Seite 134 entnommen

Quelle: Kapitalanlage und Steuern - vom 04.08.06