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Verfahrensrecht -

Beginn der Verzinsung bei hinterzogener Schenkungsteuer

Wann beginnt im Rahmen der Schenkungsteuer der Zinslauf für die Festsetzung von Hinterziehungszinsen? Der BFH hat in mehreren Verfahren die geltenden Verzinsungsregeln geklärt. Demnach gilt u.a. bei einer Hinterziehung durch Unterlassen der Anzeige: Der Lauf der Hinterziehungszinsen beginnt, wenn das Finanzamt bei ordnungsgemäßer Anzeige und Abgabe der Steuererklärung die Steuer festgesetzt hätte.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in drei aktuellen Entscheidungen dazu Stellung genommen, wann der Lauf der Hinterziehungszinsen bei der Abgabe einer unrichtigen Schenkungsteuererklärung beginnt und unter welchen Umständen Zinsen erlassen werden können.

Sachverhalte in den Besprechungsfällen

Die Eheleute A und B reichten beim Finanzamt (FA) eine Selbstanzeige ein und erklärten mehrere Schenkungen nach. Das FA erließ daraufhin entsprechende Schenkungsteuerbescheide und setzte Hinterziehungszinsen fest. Dabei entstand Streit darüber, ab welchem Zeitpunkt Hinterziehungszinsen festzusetzen sind.

In einem weiteren Fall wurde die Einkommensteuerveranlagung des C durch die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen geändert. Dadurch kam es erstmalig zur Festsetzung von Nachzahlungszinsen. C beantragte den Erlass der Nachzahlungszinsen in Höhe eines Teilbetrags, da der Änderungsbescheid erst 13 Monate nach Eingang der Mitteilung beim FA erlassen worden war.

Soweit die übliche Bearbeitungszeit von sechs Monaten überschritten ist, darf sich dies bei der Zinsberechnung nicht zu ihrem Nachteil auswirken. Die auf die überlange Bearbeitungsdauer entfallenen Zinsen müssen aus Billigkeitsgründen erlassen werden.

Beginn des Zinslaufs bei Hinterziehungszinsen

Der Lauf der Hinterziehungszinsen beginnt grundsätzlich mit der Tatvollendung. Im Fall einer Steuer, deren Festsetzung nicht kontinuierlich abschnittsbezogen nach Veranlagungszeiträumen, sondern anlassbezogen wie bei der Schenkungsteuer erfolgt, kann nicht festgestellt werden, wann im Wesentlichen die Bearbeitung der Steuererklärungen und -festsetzungen abgeschlossen ist.

Zwar ermöglicht die umfangreiche Datenerfassung der Finanzverwaltung die Feststellung, wann Erklärungen für derartige Steuern, die z.B. in einem konkreten Jahr eingegangen sind, weitgehend bearbeitet wurden. Dies entspricht aber nicht dem allgemeinen Veranlagungsschluss bei periodischen Steuern.

Denn bei der Schenkungsteuer ist ein konkreter Moment, der Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung, für die Entstehung der Steuer maßgeblich mit der Folge, dass die Schenkungsteuer je nach Fallgestaltung zu unterschiedlichen Zeitpunkten entsteht. Insoweit gibt es keinen allgemeinen Veranlagungsschluss wie bei periodisch festzusetzenden Steuern.

Für den Eintritt der Steuerverkürzung ist bei der Schenkungsteuer als stichtagsbezogener Steuer der Zeitpunkt maßgebend, zu dem das FA bei ordnungsgemäßer Anzeige und Abgabe der Steuererklärung die Steuer festgesetzt hätte.

Dabei kann der Zeitpunkt für den Beginn des Zinslaufs unter Berücksichtigung der beim zuständigen FA durchschnittlich erforderlichen Zeit für die Bearbeitung eingegangener Schenkungsteuererklärungen bestimmt werden. Maßgebend für den Beginn des Zinslaufs ist demnach der Zeitpunkt, zu dem bei ordnungsgemäßer Anzeige und Abgabe der Steuererklärung die Schenkungsteuer gegen den unterlassenden Täter festgesetzt worden wäre.

Nach Ansicht des BFH ist in dem einen Besprechungsfall für die Berechnung des Zinslaufs die Anzeigefrist beim FA von drei Monaten, eine mindestens vom FA zu gewährende Erklärungsfrist von einem Monat sowie die durchschnittliche Bearbeitungsdauer beim beklagten FA heranzuziehen.

Diese durchschnittliche Bearbeitungsdauer betrug beim beklagten FA rund acht Monate; auf dieser Basis setzte der BFH den Beginn des Zinslaufs fest.

Erlass von Nachzahlungszinsen

Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis können aus Billigkeitsgründen erlassen werden. Die Unbilligkeit der Einziehung einer Steuer, an welche § 227 AO die Möglichkeit eines Erlasses knüpft, kann sich aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen ergeben.

Eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen, auf die C seinen Erlassantrag alleine stützt, ist dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht oder nicht mehr zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft.

Die Billigkeitsprüfung darf die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes nicht unterlaufen, sich andererseits auch nicht in Überlegungen zur richtigen Rechtsanwendung erschöpfen, da dann ein auf sachliche Billigkeitsgründe gestützter Erlass niemals möglich wäre.

Die Verzinsungsregelung gem. § 233a AO bezweckt einen typisierten Ausgleich für die Liquiditätsverschiebungen, die aus dem individuell sehr unterschiedlichen Verlauf des Besteuerungsverfahrens entstehen können. Es soll ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass die Steuern bei den einzelnen Steuerpflichtigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und fällig werden.

Insoweit beruht die Vorschrift auf der zulässig typisierenden Annahme, dass derjenige, dessen Steuer ganz oder zum Teil zu einem späteren Zeitpunkt festgesetzt wird, gegenüber demjenigen, dessen Steuer bereits frühzeitig festgesetzt wird, einen Liquiditäts- und damit auch einen potentiellen Zinsvorteil hat.

Dieser Vorteil ist umso größer, je höher der nachzuzahlende Betrag ist und je später die Steuer festgesetzt wird. Durch die Verzinsung sollen der Liquiditätsvorteil des Steuerpflichtigen und seine damit verbundene erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, jedenfalls für die Zeit nach Ablauf von 15 Monaten nach Entstehung der Steuer, abgeschöpft werden.

Gleichzeitig soll der vorhandene Zinsnachteil des Fiskus, welcher den nicht gezahlten Steuerbetrag nicht anderweitig nutzen kann, ausgeglichen werden. Aus welchem Grund es zu einem Unterschiedsbetrag gekommen ist und ob die möglichen Zins- und Liquiditätsvorteile tatsächlich bestanden und genutzt wurden, ist grundsätzlich unbeachtlich.

Der durch die Verzinsung bezweckte Vorteilsausgleich behält grundsätzlich auch dann seinen Sinn, wenn staatliche Stellen für deren Entstehung und Höhe (mit-)verantwortlich sind. Eine verzögerte Bearbeitung des Steuerfalls durch die Finanzbehörde ist deshalb für sich genommen nicht geeignet, eine abweichende Zinsfestsetzung aus Billigkeitsgründen zu begründen.

Dies kann nur bei besonderen Umständen anders sein, welche der BFH vorliegend jedoch nicht erkennen konnte. Daher bestätigte der BFH die Abweisung des FG und hielt die Festsetzung der Nachzahlungszinsen für rechtmäßig.

Praxishinweis

Zunächst hat der BFH in der Entscheidung über den Zinslauf bei den Nachzahlungszinsen die bisherigen Grundsätze noch einmal bestätigt: Die Erhebung von Nachforderungszinsen ist nicht allein deshalb sachlich unbillig, weil die Änderung eines Steuerbescheids erst nach Ablauf von 13 Monaten nach Erlass des Grundlagenbescheids erfolgt.

Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Zinshöhe sind vorrangig im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Zinsfestsetzung und nicht im Erlassverfahren geltend zu machen.

Der BFH hat mit zwei weiteren Entscheidungen die Streitfrage beendet, wann der Lauf der Hinterziehungszinsen bei der Schenkungsteuer beginnt: Bei einer durch Unterlassen der Anzeige begangenen Hinterziehung von Schenkungsteuer beginnt der Lauf der Hinterziehungszinsen zu dem Zeitpunkt, zu dem das FA bei ordnungsgemäßer Anzeige und Abgabe der Steuererklärung die Steuer festgesetzt hätte.

Bei der Bestimmung dieses Zeitpunkts ist auf die beim zuständigen FA durchschnittlich erforderliche Zeit für die Bearbeitung eingegangener Schenkungsteuererklärungen abzustellen. Es stellt sich jedoch die Frage, wie der Steuerberater künftig diese durchschnittliche Bearbeitungsdauer in Erfahrung bringen kann.

BFH, Urt. v. 28.08.2019 - II R 7/17
BFH, Urt. v. 28.08.2019 - II R 8/17
BFH, Urt. v. 03.12.2019 - VIII R 25/17

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht