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Verfahrensrecht -

Schätzung bei nicht fortlaufenden Rechnungsnummern?

Darf das Finanzamt, wenn keine fortlaufenden Rechnungsnummern vergeben sind, Einnahmen hinzuschätzen? Das FG Köln hat entschieden, dass sich weder aus dem Gesetz noch der Rechtsprechung die Pflicht ergibt, bei einer Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) Ausgangsrechnungen mit einer lückenlos fortlaufenden Rechnungsnummer zu versehen. Demnach ergibt sich allein hieraus auch keine Schätzungsbefugnis.

Das Finanzgericht Köln (FG) hat in einer aktuellen Entscheidung dazu Stellung genommen, ob allein die Verwendung von nicht lückenlos fortlaufend nummerierten Rechnungen dem Finanzamt (FA) eine Schätzungsbefugnis einräumt.

Ein Gewerbetreibender ermittelte seine Gewinne durch Einnahmenüberschussrechnung. Die von ihm angebotenen Leistungen wurden überwiegend auf einer Website beworben, auf der auch Buchungen vorgenommen werden konnten. Im Anschluss an eine solche Buchung wurde eine automatisiert erzeugte „Buchungsbestätigung und Rechnung“ an den Kunden versandt. Die so erstellten Rechnungen wiesen neben Bankverbindungen, Kontakt- und Steuerdaten (sowohl Steuernummer als auch USt-ID-Nummer) u.a. auch eine „Buchungsnummer“ aus.

Diese war – bezogen auf die vorhergehende Rechnung – keine fortlaufende Zahlenangabe, und auch eine anderweitige lückenlose Rechnungsnummer wurde nicht gesondert vergeben. Die Rechnungsbeträge wurden ganz überwiegend über Girokonten vereinnahmt. Bei einer Betriebsprüfung wurden die Rechnungen sowie die auf den Erlöskonten verbuchten Beträge gesichtet, ohne dass dabei konkrete Anhaltspunkte für nicht erfasste Einnahmen festgestellt wurden. Dennoch schätzte das FA einen (Un-)Sicherheitszuschlag von 4.000 € pro Streitjahr als Gewinnerhöhung hinzu. Dem folgte das FG nicht.

Allgemeine Voraussetzungen für eine Schätzungsbefugnis

Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie gem. § 162 AO zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist u.a. insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, diese der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können oder tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben bestehen und er einem automatisierten Abruf von Kontoinformationen nicht zustimmt.

Pflicht zur Vergabe von fortlaufenden Rechnungsnummern

Eine gesetzlich konkretisierte Pflicht zur Vergabe einer nicht bloß einmaligen, sondern zudem (z.B. numerisch) fortlaufenden lückenlosen Rechnungsnummer lässt sich den Steuergesetzen aus Sicht des FG nicht entnehmen. Insbesondere kann für das FG aus den allgemeinen Ordnungsvorgaben des § 146 Abs. 1 Satz 1 AO keine konkrete Pflicht zur Vergabe einer Rechnungsnummer abgeleitet werden.

Zwar verlangt § 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG die Angabe einer „fortlaufenden Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer)“. Diese Norm steht nach Überzeugung des FG aber systematisch im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug nach § 15 UStG und dient lediglich dem umsatzsteuerlichen Zweck, die Korrespondenz von Umsatzsteuerschuld des Leistenden und Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers prüfen zu können.

Lücken in der Rechnungsnummernabfolge können im konkreten Einzelfall eine Hinzuschätzung in Form eines (Un-)Sicherheitszuschlags rechtfertigen, wenn die Finanzbehörde aufgrund einer Vielzahl von Lücken bei den Rechnungsnummern in Kombination mit nachweisbar nicht verbuchten Rechnungen von der Unvollständigkeit der erfassten Einnahmen ausgehen muss.

Das FG sieht aber keine bislang konkret durch die Rechtsprechung hergeleitete Pflicht zur Vergabe einer Rechnungsnummer nach einem bestimmten lückenlosen numerischen System. Für das FG ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Bundesfinanzhof (BFH) – auch in Fällen der Einnahmenüberschussrechnung – aus den Vorschriften der §§ 140 ff. AO, § 22 UStG i.V.m. §§ 63 ff. UStDV oder aus § 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG eine konkrete Pflicht zur Vergabe einer numerisch lückenlosen Rechnungsnummer hergeleitet hätte.

Folge der Lückenhaftigkeit der Rechnungsnummern

Wenn jedoch wie im Streitfall systembedingt gar keine lückenlose, d.h. numerisch um 1 oder einen anderen vorhersehbaren Wert erfolgende Hochzählung einer Rechnungsnummer vorgenommen wird, kann bereits keine Lückenhaftigkeit festgestellt werden.

Zwar könnten bei dieser Betrachtung Steuerpflichtige, die (systembedingt) numerisch lückenlose Rechnungsnummern verwenden, schlechter gestellt sein als Steuerpflichtige, die (systembedingt) nur eine willkürliche Zahlenkombination erzeugen oder gar keine Nummerierung vornehmen. Damit würden Steuerpflichtige dann für die Schaffung schlechterer Überprüfungsmöglichkeiten gegenüber anderen Steuerpflichtigen privilegiert.

Jedoch stellt die Vergabe von in gewisser Weise „zufälligen“ (nicht lückenlos fortlaufenden) Rechnungs-/Buchungsnummern auf Basis der derzeitigen Rechtslage aus Sicht des FG keine gesetzliche Pflicht und damit keinen formellen Mangel der Buchführung dar. Eine Schätzungsbefugnis des FA besteht somit nicht.

Praxishinweis

Das FG hat seine Entscheidung gut begründet. Insbesondere überzeugt die Herleitung einer fehlenden Verpflichtung zu einer bestimmten Rechnungsnummerngestaltung. Gleichwohl hat das FG wegen einer bisher fehlenden Entscheidung des BFH die Revision zugelassen. Bis zur Entscheidung des BFH – wenn denn das FA in Revision gehen sollte – können Unternehmen, die keine lückenlos fortlaufenden Rechnungsnummern verwenden und mit Schätzungsmaßnahmen der Finanzbehörden rechnen müssen, dieses Urteil anführen, um sich gegen etwaige Schätzungen zu wehren, sofern keine anderen Anzeichen für nicht erklärte Einnahmen vorliegen und der Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung ermittelt wird.

FG Köln, Urt. v. 07.12.2017 - 15 K 1122/16

Quelle: RA und StB Axel Scholz, FA für Steuerrecht und FA für Handels- und Gesellschaftsrecht